Es war ein bisserl so, als würde Andreas Schreilechner wieder auf dem Khan Tengri in seinem Zelt ausharren, nicht wissend, ob er bei diesen scheußlichen Bedingungen lebend rauskommen würde. Auf der Alpinmesse in Innsbruck ging es zwar nicht so hart zu wie auf dem 7000er in Kirgisistan, aber irgendwie hat er doch einen schweren Rucksack an Verantwortung zu tragen. Der gebürtige Bayer, der im steirischen Irdning lebt, bringt als Entwicklungschef mit einer kleinen Seilschaft eine neue Skitouren-Kleiderkollektion auf den Markt, die vor unseren Haustüren in den Alpen entstanden ist und selbst gefertigt wird. Auf den Messen in Innsbruck, Liezen und Lienz zeigte man sich erstmals her. Das Vorstellungsgespräch beginnt damit, wie man „hyphen“ ausspricht: „Haifn, so sagt man richtig.“ Es stammt aus dem Griechischen und heißt Verbindung.
„Niemand traut sich auszubrechen“
„hyphen Skitouring“ setzt mit einer reinen Skitouren-Kollektion einen mutigen Schritt in den Markt, in dem Bergsport-Giganten wie Dynafit, Ortovox, Mammut oder Salewa um die Marktanteile kämpfen wie ein Powderfreak um seine First Line. Warum man sich in dieses hart umkämpfte Feld wagt? „Erstens, weil es uns noch nicht gibt. Zweitens, weil fast alle Produkte am Markt sehr ähnlich sind, da die meisten Hersteller mit denselben Materialien arbeiten. Niemand traut sich auszubrechen und etwas anders zu machen aus Angst vor Umsatzverlusten. Wir gehen einen eigenen Weg für alle da draußen, die sich gerne im Gelände bewegen. Wir werden Fans haben und Leute, die sagen: Blödsinn, das brauch ich nicht.“
Die Schlüsselstelle: die Produktion
Auf den Messen zog die Marke viele Besucher an, und schon ein paar Menschen ziehen hyphen an, auch weil die Grundeinstellung begeistert: Es stecken keine Chemikalien in den Materialien, alles wird in Europa produziert. Was die größte Hürde war, auf dem Weg von der Idee zum fertigen Produkt? „Die größte Hürde, die es gibt, die haben wir nicht: die Fertigung. Wir produzieren alles selber, und was du selber in der Hand hast, da steckst du mehr Herzblut hinein. Ich kenne jede Maschine, jeden Arbeitsvorgang von jedem Teil und jede Näherin beim Vornamen“, sagt Schreilechner, der ein leidenschaftlicher Skitourengeher ist, und sich früher bei der Entwicklung von Paragleitern sensible Fertigungstechniken anlernte. Der Firmensitz ist in München, zweieinhalb Autostunden weiter südlich wohnt Schreilechner, zweieinhalb weitere Stunden südlich steht die Fertigung in Kroatien. Die Näherinnen und Näher verwenden die hochwertigsten Stoffe, die zu 95 Prozent aus Europa kommen.
Die Marke entwickelte sich aus der Münchner Firma hyphen, die seit 15 Jahren UV-Schutzbekleidung produziert, speziell für Kinder oder Krebspatienten. Als der Wahl-Steirer Schreilechner zufällig den Geschäftsführer Peter Reinschmidt, der in jüngeren Tagen beispielsweise für Mistral die Surfbekleidung entwickelte, kennenlernte, schmiedeten sie den Plan, eine Skitouren-Marke in die Welt zu setzen. Das Baby muss etwas besonderes sein, das war klar, sonst wird es nie laufen lernen zwischen den etablierten Marken.
„Wir specken nicht ab“
Was hyphen anders macht? „Wir setzen den Verkaufspreis nicht am Anfang des Produkts. Der Preis entsteht, wenn das Produkt, so wie wir es uns wünschen, fertig ist. Und unser Anspruch ist es, das beste Produkt zu bringen. Das Problem dabei: Wir hoffen, dass es noch bezahlbar ist. Üblicherweise wird nach einem Zielpreis gefertigt – das Produkt soll so und so viel kosten... dann wird immer abgespeckt. Wir specken nicht ab.“ Verglichen mit anderen Produkten ist es noch leistbar: Das teuerste Stück, die wasserdichte, aber atmungsaktive Hardshell-Jacke, die im Hochgebirge verwendet werden kann, kommt auf 379,95 Euro. Hyphen Skitouring hat bereits Platz in einigen Regalen im Fachhandel eingenommen.
Mehr Genuss als „Speed“
Während Ausrüster wie Dynafit das Thema „Speed“ auf seine Fahnen heftet, geht Hyphen einen anderen Weg. Es werden auch superleichte Materialien verwendet, dennoch hat die Funktionalität für alle, die sich gerne im Gelände bewegen, oberste Priorität. So muss sich das Auge bei der sogenannten „Stüdlgrat“-Weste erst an die Flügel-Ärmel gewöhnen, die speziell den exponierten und sensiblen Schulterbereich wärmen. Die Jury des Brand New Awards auf der weltgrößten Sportartikelmesse ISPO hat dieses Stück unter die Finalisten gewählt.
Auch die berühmten Alpinisten Gerlinde Kaltenbrunner (aus Spital/Pyhrn) und Christian Stangl (aus Hall bei Admont) wurden schon aufmerksam darauf, was da nur eine halbe Autostunde entfernt von ihren Heimatorten heranwächst. Kaltenbrunner gefällt der nachhaltige Gedanke. Und die Verwendung der besten Materialien. Sie kennt das Schöller-Material, das in der Schweiz entwickelt wird, es hat auch schon ihr Ausrüster Schöffel verwendet. Langarm-Shirts aus dem umweltfreundlichen Tencel-Cellulosefasern sind eine weitere Besonderheit, „denn in den Alpen wächst keine Baumwolle“, sagt Schreilechner.
Der Stoff, aus dem Träume sind
Worauf bei der Auswahl der Materialien wert gelegt wird? „Es gibt zu jedem Produkt eine Anforderung. Wir wissen genau, was das Ding können muss. Wofür will ich es nützen, was muss es können, welche Features soll es haben. Dann kommt Peter an die Reihe – er nimmt aus jahrelanger Erfahrung Kontakte auf mit Herstellern – er bekommt Berge von Stoffen. Wir sitzen dann wie die kleinen Kinder vor dem Christbaum und fühlen und lesen stundenlang den Stoff. Von 200 verschiedenen bleiben vielleicht zehn über, bis wir den Besten in den Händen halten.“ Materialien ohne Chemikalien wie das schädliche PFC, das sich in vielen Membranen befindet, sind die Grundvoraussetzung. „Wir fangen erst gar nicht an mit Materialien, in denen Chemikalien drinstecken. Das ist so grundlegend für uns, dass wir es gar nicht mehr erwähnen müssen. Wir werden keinen Sondermüll anziehen. Ich will auch kein Asbest am Haus“, sagt Schreilechner.
Haindlkar, Stüdlgrat und Zuckerhütl
Das Gute liegt für hyphen nahe – darum tragen die Kollektions-Teile Namen der Testgebiete – das Haindlkar ist eine leichte Aufstiegs-Weste, die Jamspitz ist eine anschmiegsame, aber wasserfeste Hardshell-Jacke, das Zuckerhütl ist ein Skitouren-Rock usw. Die Testergebnisse sind sehr zufriedenstellend. Die Jamspitz ist seit Monaten unter Extrembedingungen bei Höhenarbeitern im Einsatz, die permanent den Klettergurt über der Jacke tragen und mehrmals im Regen schuften. „Das Ding ist noch immer dicht“, erzählt Schreilechner begeistert. Auch der 130. Waschgang könne der Jacke nichts anhaben, sagt er. Eine Skitouren-Hose kommt im nächsten Winter.
Welche Überraschungen es gegeben hat in diesem Produktzyklus? Schreilechner lacht. „Das Schöne ist, dass man die negativen Dinge komplett verdrängt. Es gab so viele Überraschungen, so einen langen Artikel könntest du gar nicht schreiben.“
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