Als wir vor über 30 Jahren mit dem Klettern begonnen haben, lächelte Catherine Destivelle von zahlreichen Magazin-Covern und Postern. Catherine Destivelle, sie war das hübsche Aushängeschild der zaghaft beginnenden Frauenbewegung beim Klettern und Bergsteigen. Als Catherine Destivelle dann - quasi den ersten Kletterwettkampf - den Sport-Roccia Kletterwettbewerb 1985 in Bardonecchia (Italien) gewann, war sie endgültig ganz oben im Sportkletter-Olymp angekommen.
Die in Paris lebende Catherine Destivelle fing schon als Kind an den Boulder-Blöcken von Fontainebleau zu klettern an. Und schon mit 16 Jahren machte sie ihre erste große, alpine Route an der Ailefroid (Devies-Gervasutti-Führe, Ecrins, Frankreich) um dann, im zarten Alter von 17 Jahren, die "Directe Américaine" (7a) an der Petit Dru zu durchsteigen. Beides Touren, vor denen die Bergsteiger auch in der heutigen Zeit ehrfürchtig den Hut ziehen.
Im Klettern war sie damals an der Weltspitze, auch beim zweiten Sport-Roccia-Bewerb 1986 (jetzt heißen die Bewerbe in Arco Rock-Master), welcher zum ersten Mal am Gardasee stattfand, stand Catherine Destivelle am obersten Siegertreppchen, obwohl sie sich davor, bei einem Spaltensturz schwer verletzte (Beckenbruch). Als finaler Sportkletter-Ritterschlag gelang ihr 1988 mit der Route „Chouca" 8a+ (10-) in Buoux in Südfrankreich als erste Frau eine Klettertour im zehnten Schwierigkeitsgrad.
Ihre Vormachtstellung beim Klettern machte es Catherine Destivelle leichter und so setzte sie ihr Können an den großen Alpenwänden um. So gelang ihr z.B. der Bonatti-Pfeiler (Petit Dru Südwest) im Alleingang in nur 4 Stunden (erste Frauen Solo-Begehung). Ein Jahr später gelang ihr an der Dru-Westwand die Erstbegehung „Destivelle“ (6/A5/800 m), auch wieder im Alleingang.
Wirklich eindrucksvoll waren aber vor allem ihre drei Winter-Solos der großen Alpen-Nordwände. Alleine und meist bei Temperaturen unter null Grad gelang ihr die Eiger Nordwand (Heckmair-Route), der Walkerpfeiler an der Grand Jorasses. An der Matterhorn Nordwand wählte sie die bis dahin noch nicht wiederholte Bonatti-Führe. Auch dort war sie erfolgreich und so gelang ihr am verschneiten Matterhorn die erste Wiederholung dieser Tour - und das alleine im Winter!
In den Dolomiten meisterte sie z.B. an der Großen Zinne Nordwand die „Hasse-Brandler“ im Alleingang. In zwei Tagen – mit einem Biwak in der Wand – machte sie die erste weibliche Solo-Begehung dieser bekannten Zinnen-Route. Aber auch in dünner Höhenluft war Catherine Destivelle aktiv. Als Mitglied zweier Himalaya Expeditionen versuchte sie sich am Makalu (8463 m; Westpfeiler, bis 7800 m) und an der Annapurna Südwand (8091 m) bzw. gelang ihr 1994 die Durchsteigung der „Kurtyka-Loretan-Troillet“ Route an der Shishapangma Südwestwand, 8031 m (aber ohne Gipfel).
Routen und Meilensteine
1985 und 1986: Siege beim Sport-Roccia Kletterwettkampf
1988: „Chouca“ (8a+) in Buoux – als erste Frau eine 10-
1990: „Slowenenroute“ (7a+/800 m/) an den Trango Towers, zweite freie Begehung
1990: Bonatti-Pfeiler an der Petit Dru – 1. Solo-Frauenbegehung
1991: „Destivelle“ (6/A5/800 m) an der Petit Dru Westwand – Solo-Erstbegehung in 11 Tagen
1992: Eiger Nordwand (Heckmair-Route) in 17 Stunden solo im Winter
1993: Grand Jorasses (Walkerpfeiler), solo im Winter
1993 und 1994: Versuche am Makalu Westpfeiler und an der Annapurna Südwand
1994: „Kurtyka-Loretan-Troillet“ Route, Südwestwand Shishapangma, 8027 m (ohne Hauptgipfel)
1994: Matterhorn Nordwand (Bonatti Führe; 6/A1/1100Hm), solo im Winter und erste Wiederholung
1999 „Hasse-Brandler“ Große Zinne Nordwand 8+ (6+/A2) - Solobegehung
Ehrungen:
1992: Nationaler Verdienstorden (Ordre National du Mérite)
2007: Ritterin der Ehrenlegion (Ordre National de la légion d‘honneur)
2008: King Albert Mountain Award
2020: Piolet d‘Or
2021: Paul-Preuss-Preis
Mit der Französin Catherine Destivelle zeichnet die Internationale Paul-Preuss-Gesellschaft (IPPG) eine Spitzenkletterin aus, die nicht nur als Erste im Alleingang die Westwand der Dru in den französischen Alpen durchstiegen, sondern noch weitere alpine Hochleistungen in ihrer Vita stehen hat. Destivelle ist die neunte Trägerin dieses Preises, den die IPPG mit Sitz im steirischen Salzkammergut seit 2013 an große Alpinisten und Freikletterer vergibt. Erster Preisträger war damals Reinhold Messner, der als Alpinist und Schriftsteller Meilensteine im Alpinismus gesetzt hat. Sein großes Verdienst war es, dass er das Andenken des 1913 in der Nordwand des Mandlgrates im Gosaukamm tödlich abgestürzten jüdischen Freikletterers Paul Preuss (1886-1913) wiederbelebt hat.
Catherine Destivelle ist die erste Frau, die diesen inzwischen schon renommierten Preis erhält, doch auf ihre Rolle als Frau will sie sich nicht reduzieren lassen. „Ich wollte die Erste sein, nicht ‚nur‘« die erste Frau, die das schafft!“ erzählte sie dem „BERGSTEIGER“. Neben vielen anderen extremen Touren schaffte sie unter anderem die Winter-Solobegehung der Bonatti-Route in der Matterhorn-Westwand, es war die erste Wiederholung überhaupt – und natürlich die erste einer Frau.
Die Träger des Paul-Preuss-Preises:
Reinhold Messner (2013)
Hanspeter Eisendle (2014)
Albert Precht (2015 †)
Hansjörg Auer (2016 †)
Alexander Huber (2017)
Beat Kammerlander (2018)
Bernd Arnold (2019)
Heinz Mariacher (2020)
Catherine Destivelle (2021)
Der Preis wurde Catherine Destivelle am 18. September im Messner Mountain Museum Firmian auf Schloss Sigmundskron bei Bozen überreicht. Bei zahlreich anwesender Alpinprominenz hielt Alexander Huber eine sehr berührende Laudatio, bei der er die außergewöhnlichen Leistungen von Catherine Destivelle noch mal ins rechte Licht rückte!
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