Die Schlüssellänge fordert ein sicheres Klettern im unteren 10. Schwierigkeitsgrad // Tobi beim Auschecken der Züge einige Wochen nach der Erstbegehung (c) Servus TV Die Schlüssellänge fordert ein sicheres Klettern im unteren 10. Schwierigkeitsgrad // Tobi beim Auschecken der Züge einige Wochen nach der Erstbegehung (c) Servus TV
13 September 2021

Albert Precht Gedenkweg

Rudi Hauser und Tobi Ebner gelingt eine schwierige Erstbegehung an der Torsäule am Hochkönig

Ein Monolith aus Fels

Wer schon einmal auf der A10 – von Süden kommend – in Richtung Salzburg unterwegs war, wird um Ihren Anblick wohl kaum herumgekommen sein. Wie ein Wächter thront diese einzigartige Felsformation am Eingang in die karge und hochalpine Landschaft des Hochkönigmassiv. Das Salzburgerland hat zweifelsohne alles zu bieten, was das Berg- und Kletterherz begehrt. Die Auswahl an Bergen und Gipfeln gigantisch und trotzdem stechen einige Wände besonders heraus. So auch die steile und mauerglatte Südwand der Torsäule. Ein wahres Juwel für Felsfanatiker!

Für viele mag der oben beschriebene Berg einfach nur ein Stück Fels sein und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass er an vielen genau so schnell vorbeizieht, wie das nächste Verkehrsschild auf der A10.

Wer aber die wahre Schönheit und die damit verbundenen Abenteuer entdeckt, kann und wird hier ein Objekt der Begierde finden.

Geprägt von wilden Hunden

Beim Blick auf die Kletter-Historie dieses Felsmonolithen, wird man zweifelsohne auf den Namen Albert Precht stoßen. Er und seine Gefährten waren es, die sich vor Jahren in das Unbekannte vorgekämpft hatten. In einem radikalen und wilden Stil, wurden Linien wie „Afrika“ oder „Philadelphia“ eröffnet. Natürlich im Vorstieg und ohne vorheriges erkunden von oben. Normalhaken, Clif’s und sämtlich andere „Selfmade Bastelein“ wurden mit viel Können und Mut eingesetzt.

Die Absicherung ist spärlich und Haken sind nur dort zu finden, wo sie damals wirklich benötigt wurden. Wahre Abenteuer!

Tage, Wochen und Jahre haben Albert und seine Gefährten damit verbracht, neue Linien zu entdecke und zu erschließen. Viele warten noch immer auf Wiederholungen und manche gerieten über die Jahre hinweg gar in Vergessenheit.

Bis heute hat sich an der Ernsthaftigkeit und Kühnheit dieser Routen nichts geändert, was leider oft zu Kritik führt. Zu gefährlich und nicht mehr zeitgemäß seien die Touren. Nicht mehr zeitgemäß…. Ganz nach dem Motto: „Was wäre schon dabei, wenn ein paar Haken mehr stecken würden ?“

Hier gibt es, alleine aus Respekt gegenüber den Erstbegehern, nur eine Antwort: Abenteuer bleibt Abenteuer! Wer das nicht will, hat in der Umgebung eine riesige und geniale Auswahl an bestens eingerichteten Plaisirkletterrouten.

Auch ich bevorzuge in mancher Situation eine gemütliche und stressfreie Kletterei. Gut abgesichert, einfach aufs Klettern konzentrieren und dabei dem Alltag entfliegen. Aber trotzdem ändert dies nichts an der Tatsache, dass ein Klassiker ein Klassiker bleiben muss. Und das heißt für mich auch, dass solche Routen im Originalzustand bewahrt werden müssen.

Neuland in der Südwand der Torsäule – ist das möglich?

Als mich Rudi Hauser fragte, ob ich Lust auf eine „coole Aktion“ hätte, war die Antwort eigentlich schon im ersten Moment klar: „Sicher, was hast vor?“

Begeistert erzählte er mir, dass er eine mögliche Linie durch den steilsten Teil der Südwand gefunden hat.

Manchmal braucht es nur einen Satz, um das Feuer zu entfachen und genau so war es auch in diesem Moment. Nach all den Jahren ist es ein wahres Privileg, noch eine freie und komplett eigenständige Linie durch die Südwand zu finden.

Dass dieses Projekt kein einfaches werden würde stand ebenso fest, wie das Wissen, jede Menge Schweiß und Energie investieren zu müssen. Auch der Stil und die Art der Absicherung stand von Anfang an fest: Eingerichtet wird von unten – im Vorstieg – und Bohrhaken sollen nur dort eingesetzt werden, wo es wirklich nötig ist.

Ausgenommen sind hier die Stände, denn dort gab es für uns keine Diskussion.

Zwei solide Bolts und eine Kette!

Jetzt wird es ernst

Lange hat es also nicht gedauert und unsere Rucksäcke wurden das erste mal – beladen mit ordentlich viel Material – geschultert. Die traumhaft gelegen Mitterfeldalm mussten wir vorerst leider neben uns liegen lassen. Gierig und von Vorfreude getrieben marschierten wir weiter. „Hans, wir kommen später auf ein Menü“.

Mit jedem Schritt den wir uns der Torsäule näherten, stieg auch die Nervosität.

Die Gespräche wurden weniger und ein wilder Mix aus (Ehr)Furcht und Vorfreude machten sich auf einen stillen Gedankengang.

Die ersten Meter

Geschmückt wie ein Christbaum – eine Erstbegehung fordert ordentlich Material am Gurt – stieg Rudi in das Unbekannte. Entschlossen und souverän kämpfte er sich durch die ersten Aufschwünge dieser traumhaften Felswand. Bereits nach 15 Metern ging es das erste Mal ordentlich zur Sache.

Wer schon einmal an einem schlechten Clif gehangen ist, weiß was hier gespielt wird. Hektik und unnötige Bewegungen? Fehlanzeige! Ein steiler Start in unser Abenteuer.

Als ich im Nachstieg die ersten Züge dieser Seillänge checkte, wurde mir ziemlich schnell klar, dass wir es hier mit einem ordentlichen Kalieber zu tun haben.

Kleingriffig, technisch und ein schwerer Boulder an der Crux. Der obere neunte Grad ist zwingend zu Klettern… was für eine geniale erste Länge!

Länge zwei ging etwas leichter von der Hand und wenig später hingen wir wieder gemeinsam am Standplatz. Mit großen Augen richtete sich unser Blick auf die massive „Hausmauer“ ober uns. Wahnsinn, wie genial versteckt so manche Felsstruktur auf den ersten Kontakt mit den Kletterfingern wartet. Neben einer ordentlichen Portion Mut bedarf es hier auch ein großes Maß an Erfahrung, um die richtige Linie zu finden. Mehr oder weniger blind in Neuland vorzudringen, ist eine spannende Angelegenheit. Hat man sich erst einmal vom sicheren Stand entfernt, gibt es kein Zurück mehr… zumindest nicht ohne einen ordentlichen Abflug.

Auch wenn ich vom stundenlangen Sichern nur noch von etwas Gefühl in meinen kalten und tauben Fingerspitzen träumte, zog ich an dieser stelle meinen Hut vor Rudi. Wer jetzt glaubt, dass es im Sommer nicht so kalt sein kann, dem möge ich raten, nie die bekannte Wolke über der Torsäule zu unterschätzen. Diese machte an diesem Tag ihrem Ruf wieder einmal alle Ehre. Die Daunenjacke hatten wir natürlich dabei, allerdings lag diese im Rucksack am Einstieg… Brrrrrrr


Tipp: Heute am 13.9. gibt es auch ein Bergwelten über den Hochkönig und diese Tour.

Länge 4 – Der Schlüssel zur Wand

Das eine Neutour kein Spaziergang wird, war uns von vorne herein klar. Ehrlich gesagt wussten wir nicht einmal, ob es durch den steilsten Teil – stellenweise auch leicht überhängend – überhaupt eine mögliche und frei kletterbare Linie gibt.

Alleine die Annahme, dass es möglicherweise geht, war Grund genug um es zu versuchen. An dieser Stelle muss ich auch klar erwähnen, dass ich hier nicht die nötige Portion an Erfahrung im Umgang mit Clif- und Techno-Klettern habe, um solch eine Schwierigkeit im Vorstieg einzurichten.

Im unteren 10. Grad erlaubt es – noch dazu bei spärlicher Absicherung – keine Fehler.

Bei einem Sturz samt Bohrmaschine und haufenweise Material am Körper wäre wohl mit etlichen Blessuren zu rechnen.

Die ersten Meter nach dem Standplatz fordern technisch saubere und diffizile Kletterei an typischen Hochkönig-Griffen. Eine schwere Querung mit schlechten Tritten, feinen Rissen, Tropflöchern und Leisten führt danach direkt in die Schlüsselstelle.

Weite Züge an kleinen Griffen und miesen Tritten fordern ein solides Klettern im unteren 10 Grad !

Ein Mix aus Schlosserarbeit, Klettern und Vertrauen in fragwürdige Placements ermöglichte das Bohren der notwendigen Zwischensicherungen in dieser Seillänge.

In diesem Gelände geht es definitiv nicht mehr ohne Bohrhaken. Zumindest nicht aus unserer Sicht. An ein sinnvolles anbringen von Mobilen Sicherungsmitteln – welche auch einen weiten Sturz halten müssten – ist in der Crux schlicht und ergreifend nicht zu denken.

Und wieder begleitete uns die bereits oben erwähnte „Wolke“ über der Torsäule, welche uns zusätzlich auslaugte und Kräften nagte. Doch manchmal muss man leiden, um danach glücklich und zufrieden auf ein Erlebnis zurückblicken zu können. Weiter gehts!

Wahnsinn! Noch drei Längen und wir haben’s

Nachdem der steilste und Klettertechnisch schwierigste Teil geschafft war, standen wir am dritten Tag unserer Erstbegehung endlich am großen Band der Schluchtkante.

Drei weitere Seillängen trennen uns noch vom Gipfelkreuz, dass wir in einer direkten und kompromisslosen Linie anvisierten.

Kompromisslos sollte auch die Absicherung der letzten Seillängen werden, denn wie auch schon im unteren Teil wollen wir nur dort einen Bohrhaken setzten, wo es wirklich erforderlich und nicht mehr mit mobilen Sicherungsmitteln absicherbar ist.

Unglaublich scharfe, vom Wasser zerfressene Griffe, führen in einem leichten Linksbogen in die massive Plattenflucht der Headwall. Hier ist ein sicherer Umgang mit Friends gefragt, denn eine feine Spur aus Rissen führt auf direktem Weg zum Stand.

Volle Konzentration bis zum Schluss – vorbei ist es erst, wenn wir oben stehen

Dass die letzten Längen keine Genusswanderung werden, war uns von Anfang an klar. Plattenkletterei bedeutet zwar weniger Arbeit für die Ärmel, andererseits muss doppelt so viel Vertrauen in das Sportgerät – a.k.a. Kletterschuh – gelegt werden. Hinzu kommt die Qual der Wahl, in welche Richtung man sich bewegen soll.

5 Meter links, 3 Meter rechts, oder doch gerade hoch?

Rudi’s Bauchgefühl und die guten Kenntnisse der Felsbeschaffenheit am Hochkönig, ließen ihn aber schließlich die richtige Entscheidung treffen. Eine sehr herausfordernde Länge die mit einer Schwierigkeit von 7a+ zwar überschaubar ist, dennoch ist die moralische Komponente nicht zu unterschätzen. Ich bin definitiv kein Freund von übertriebenen Beschreibungen, aber in dieser Seillänge – besonders bei der Querung nach rechts – herrscht absolutes Sturzverbot!

Und um die Frage nach „warum steckt hier kein Bolt?“ gleich vorweg zu klären:

Es steck einer: 12 Meter unterhalb.

Wer sich erfolgreich durch diese Länge fighten möchte, sollte aber spätestens nach der besagten Stelle wieder die Unterarme aktivieren, denn auf den folgenden 10 Metern wartet ein wahrer Angriff auf die Ärmel… hier heißt es: Piazen bis es brennt.


Hurra die Gams – die Letzte!

Müde Hände, geschundene Finger und taube Zehen. Weit ist es nicht mehr und so

warf sich mein Seilpartner noch einmal das ganze Material an den Gurt.

„Auf geht’s Rudi, jetzt san ma gleich oben!“

Die letzte Seillänge bietet noch einmal alle Facetten der Hochkönig Kletterei:

Ein kurzer Überhang und eine herrliche Stelle an Löchern und Leisten führt in die abschließende Wasserrille. Steil, ausgesetzt und bester Fels. Ein wahres Geschenk, solch eine Linie nach so vielen Jahren als erste Seilschaft klettern zu dürfen.

ür mich persönlich – und ich glaube ich spreche hier auch für Rudi – war es ein ehrfürchtiger und sehr spezieller Moment, als wir am letzten Standplatz angekommen sind. Schon als Jugendlicher habe ich davon geträumt, Teil einer solchen Begehung sein zu dürfen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, ein solches Abenteuer erleben zu dürfen. Dessen sollte man sich immer bewusst sein.

Dankbar, stolz und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, wurde unser persönlicher Erfolg mit einem „Juchzer“ vom Gipfel besiegelt! Der erste und wichtigste Schritt ist somit getan.

Unsere Tour soll – neben großartiger und extrem herausfordernder Kletterei – auch eine Hommage an den leider viel zu früh verstorbenen Pionier der Hochkönig-Kletterei sein. Eine kühne, herausfordernde und spannende Linie in einem, so denken wir, würdigen Stil.


Albert Precht Gedenkweg / 8 Seillängen (9+, 8, 8+/9-, 10-, 6, 8, 8+, 8)

Rudi Hauser konnte die gesamte Route noch im Herbst 2020 Rotpunkt klettern.

Herzliche Gratulation zu dieser soliden Vorstellung und danke, dass ich dabei sein durfte. Auf mich wartet nun ebenfalls das Abenteuer Rotpunkt!

Ich würde mich freuen, wenn ihr auch mich dabei begleitet.


Auf geht’s !


Text: Tobi Ebner / climb-tobe.com



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