Es ist ein schönes Gefühl nach genau einem Jahr wieder ins Yosemite zurück zu kommen. Dieses Tal übt auf mich eine große Faszination aus, eine Art Zauber die schwer zu beschreiben ist. Jedes Mal wenn ich hier her komme, tauche ich in einen Raum ein, der keine Zeit zu kennen scheint. Während dieser Periode gelingen mir einige klassische Free Climbs und mit „The Prow“ IV 450m 5.9 C2, „Salathé“ VI 1100m 5.9 C1+ und „Zodiac“ VI 650m 5.7 A3 / C3 auch drei Big Walls.
The Prow
Diese Linie am Washington Collumn ist eine perfekte “Eingehtour”. Mit 12 Seillängen im Bereich C2 kann man die Route locker in zwei Tagen durchsteigen, und sich gut auf „höhere“ Weihen vorbereiten. Denn in einigen Seillängen sind manche Placements recht tricky, und man muss auch das eine oder andere Mal die Hooks auspacken.
Mit mir unterwegs ist mein Kumpel Christian. Er ist ein hart gesottener Knochen aus Alaska, der sein Geld als Guide am Mt. Denali verdient. Ständig hat er eine Kippe im Mund und trinkt Bier zu Zeiten, in denen ich entweder noch gar nicht richtig wach bin, oder schon längst Besuch vom Sandmann bekommen habe. “What, you don´t want a beer, but it is already 9.30!”
Am Abstieg denke ich nicht nur an die heiße Dusche und das „all you can eat“, sondern auch an meine nächste Herausforderung.
Salathé
Meine Wahl fällt auf die „Salathé“, weil man viele Längen in dieser Route frei klettern kann, ja sogar muss. Besonders von der gefürchteten „Hollow Flake“, ein 5.9 offwith Kamin den man auf etwa 25 Metern nicht absichern kann, bekomme ich viele einschüchternde Geschichten erzählt.
Am ersten Tag klettere ich mit meinem Partner Luke den unteren Abschnitt der Route, welcher auch „Free Blast“ genannt wird in 6 Stunden, wobei mir acht der elf Seillängen bis 5.11b onsight gelingen. Wie für diese Route üblich, fixieren wir beim Abstieg von den „Heart Ledges“ fünf Seile bis zum Boden.
An ihnen geht es früh am folgenden Morgen wieder hinauf. Von den „Heart Ledges“ klettern wir an diesem Tag bis zum El Cap Tower. Dabei stellt sich die Hollow Flake tatsächlich als eine sehr anspruchsvolle Länge heraus, deren Crux man zuerst im Kopf lösen muss, um sie dann auch physisch zu bewältigen.
Der El Cap Tower ist ein genialer Platz, mitten in der Wand gibt es hier eine große ebene Fläche auf der Spitze des Turms, wo man es sich richtig gemütlich machen kann. Und das ist auch unser Glück, denn wir müssen hier vier Stunden hinter einer Seilschaft warten. So kommen wir an diesem Tag nur sechs Längen weit, genießen dafür aber einen herrlichen Sonnenuntergang vom Portaledge aus.
Am letzten Tag starten wir dann vor der anderen Seilschaft und ich hangle mich als erstes das große Dach in etwa 900 Meter hinaus. Ich erlebe diesen Abschnitt, in dem ich über der gähnende Leere hänge, als einen sehr intensiver Moment den ich in meiner Erinnerungsvitrine ablege. Zu Mittag beginnt es dann heftig zu regnen und der Rest der Route wird ein Spießroutenlauf gegen die widrigen Umstände wie patschnasser Fels, Kälte, Wind und Dunkelheit.
Als ich mich erst spät in der Nacht in den warmen Schlafsack verkrieche, und unser Portaledge am „Gipfelbaum“ im Sturm hin und her gebeutelt wird, ist alle Anstrengung vergessen. Ganz im Gegenteil, der Erfolg der Besteigung schmeckt mir nach all den überwundenen Widerständen umso süßer!
Zodiac
Als meine Energie nach einigen Tagen wieder zurückkehrt, werde ich zugleich ganz unrund. Irgend etwas fehlt noch, das war noch nicht mein Limit. Die Gewissheit, mein Potential noch nicht ausgeschöpft zu haben nagt derart an mir, dass ich bereits fünf Tage nach der Rückkehr vom El Cap, mit meinem Partner Rob schon wieder an seinem Wandfuß stehe. Das Ziel lautet diesmal „Zodiac“, jene Route, welche mir von seiner Optik und ihrem Charakter her als am besten gefällt.
In der ersten Seillänge, in welcher ich die A3 Direkt Variante wähle, mache gleich einen Riesensatz. Mir reißt ein Copperhead aus und ich lande nach gut 20 Metern nur haarscharf über dem Boden. Entsprechend geladen, aber auch dementsprechend vorsichtig geht es sofort wieder nach oben.
Die Route, in der ich außer den drei Längen alle vorsteige, fordert mich in den nächsten Tagen immer aufs neue. Besonders die A3 Längen, jene des „Black Tower“ und die folgende, verlangen von mir meine eigenen Grenzen zu überschreiten.
Ich klettere mehrmals über Passagen von etwa 10 Metern an Sicherungen wie Beaks, Copperheads, Hooks und den kleinsten Offset Nuts hoch, ohne zu wissen ob sie halten werden. Persönlich sind es für mich die anspruchsvollsten technischen Längen die ich bis dahin geklettert bin.
Als ich nach fünf Tagen am Ausstieg stehe, werde ich erfüllt von großer innerer Genugtuung und Freude. Denn ich weiß wie sehr ich mit mir gerungen habe, meine Ängste überwunden und mein Selbstvertrauen - in das eigene Können - vergrößert habe. Ich bin mir über den Wert dieser Auseinandersetzung bewusst und realisiere, wie ich durch diese Route weiter gewachsen bin.
Als ich an einem meiner letzten Tage im Valley in den El Cap Meadows liege, verfolge ich alle Linien, die ich an diesem einzigartigen Fels klettern konnte. Nose, Salathé, Zodiac. Sie reflektieren für mich das Erkunden meiner eigenen Persönlichkeit, die Suche nach meinen Grenzen, das Erleben von wirklicher Freundschaft, und vielen weiteren Werten die mir im Leben so wichtig geworden sind.
Letztlich ist es eine Entwicklung in meinem Leben, die ich bewusst gesucht und glücklicherweise auch gefunden habe. Ich hoffe, dieser Weg wird nie zu Ende sein!
Text und Bilder: Gerhard Schaar
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