Ein weiterer Traum wird wahr!
Ich erinnere mich, dass ich die Weiße Rose" einmal kurz versucht habe, nachdem Jakob die dritte Begehung im Jahr 2020 gemacht hatte, aber die Schlüsselstelle fühlte sich so aussichtslos an, dass ich es nicht für möglich hielt, sie jemals zu klettern.
Ich habe sie dann ein paar Jahre lang nicht versucht, bis ich mich letzten Winter endlich entschlossen habe, die Mühe auf mich zu nehmen und diese Kingline ernsthaft zu versuchen. Bei großartigen Bedingungen fühlte sich der Zug viel einfacher an als bei meinen früheren Versuchen (Anmerkung: Ich habe einen anderen Untergriff für links gefunden) und ich war sehr zuversichtlich, dass ich die Route ziemlich schnell punkten werde. Aber dann kam der tiefe Winter, die Wettkampfsaison begann und die wenigen Male, die ich über das Jahr verteilt zurückkam, waren die Bedingungen einfach zu schlecht, sodass ich manchmal sogar Mühe hatte, den Einzelzug zu machen.
Nach der Rückkehr von der erfolgreichen Mallorca-Reise im September hatte ich dann die 'Weiße Rose' voll im Fokus und wollte mich auf nichts anderes konzentrieren, bis ich sie punkten konnte.
Die Bedingungen waren allerdings noch nicht sehr gut und ich musste mich gedulden und auf wolkige Tage hoffen, denn in der Sonne ist es in der Wand einfach zu heiß, egal wie die Temperatur ist. An den wenigen guten Tagen, die wir bekamen, versuchte ich, so gut wie möglich an der Crux zu trainieren, um Vertrauen zu gewinnen, aber auch um mein Muskelgedächtnis für die spezifischen Positionen zu verbessern. Gleichzeitig habe ich den ersten Teil der Route gemacht, um alles zu automatisieren und so viel Energie wie möglich für den entscheidenden Zug zu sparen.
Vor ein paar Wochen habe ich dann mit den Durchstiegsversuchen angefangen und es gelang mir immer wieder, bis zur Crux hochzuklettern, aber ich war nie wirklich nah dran, sie dann zu knacken.
Am Durchstiegstag kehrte ich mit Philipp, der die Route in den letzten Wochen gemeinsam mit mir probiert hatte, zurück. Nach kurzem Aufwärmen zog ich mich wieder hoch, um den Crux-Boulder zu versuchen. Aus irgendeinem Grund fühlte es sich unglaublich gut an. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich den Boulder so geklettert, als wäre er eine ganz normale Boulderstelle in einer Route, die nicht als ein verrückter, harter Einzelzug herausstach. Das gab mir so viel Selbstvertrauen, dass ich sofort wusste: Ich werde die Tour heute punkten!
Vor dem ersten Durchstiegsversuch war ich super nervös. Das ist ein Gefühl, das ich nur zu gut kenne. Durch das tolle Gefühl zuvor an der Crux hat sich in meinem Kopf endlich der Schalter umgelegt und ich weiß, dass ich die Tour jetzt klettern kann und soll. Der Gedanke daran erhöht sofort wieder den Druck und unweigerlich fühlt sich mein ganzer Körper ein wenig zittriger an. Gleichzeitig weiß ich, dass ich mein Selbstvertrauen jetzt nutzen muss, denn wenn ich jetzt scheitere, könnte es allzu schnell passieren, dass ich auch dieses Vertrauen in mich wieder verliere und es von da an noch viel schwieriger wird, diese gute Einstellung zurückzugewinnen.
Doch als ich in die Route einstieg, verlor ich jegliche Angst und konnte mich voll auf das Klettern konzentrieren. Der einfache erste Teil lief reibungslos, ich ruhte mich gut an dem No-Hand-Knieklemmer aus, kletterte perfekt durch den Beginn der Schlüsselstelle, brachte mich in die richtige Position, um diesen riesigen dynamischen Zug zu machen, der mir so oft nicht gelungen war, und dachte, das ist es jetzt. Doch irgendwie fand ich mich plötzlich im Seil hängend wieder. Aus irgendeinem Grund hatte ich den guten Teil des Griffs, zu dem ich sprang, nicht erwischt und konnte ihn daher nicht halten. Ich war so wütend, weil ich wusste, dass dies der bisher beste Versuch war und ich gescheitert bin. Aber ich verlor nicht mein Selbstvertrauen, denn ich war so nah dran und wusste jetzt zu 100 %, dass ich es schaffen werde. Philipp hat mich abgelassen und ich habe ihm und meinen Freunden Alfons und Pati gesagt, dass ich es beim nächsten Mal schaffe.
Ich konnte mich nicht zu lange ausruhen, weil es schon spät war und ich wollte auch, dass Philipp noch einen weiteren Versuch nach mir und bevor es dunkel wird macht. Nach einer Stunde oder so zog ich meine Schuhe wieder an und machte mich bereit für den Versuch. Ich wusste, es wird der Durchstieg.
Text: Michael Piccolruaz
Übersetzung E/DE: Andreas Jentzsch
Weiße Rose – 9a
F.A. Alexander Huber (1994)
1. Wiederholung Adam Ondra, 2008
2. Wiederholung Jakob Schubert, 2020
3. Wiederholung Michael Piccolruaz, 2023
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