Nach einer erfolgreichen Akklimatisierungsphase waren David Lama, Peter Ortner und Hansjörg Auer voller Tatendrang zum Masherbrum und dessen undurchstiegener Nord-Ost Wand aufgebrochen und müssen nach einem gescheiterten Versuch der Realität ins Auge sehen: Die geplante Erstbesteigung ist mit den derzeit vorherrschenden Verhältnissen unmöglich. Geläutert von den Dimensionen des Vorhabens und mit neuen Erkenntnissen im Gepäck mussten Lama, Ortner und Auer unverrichteter Dinge im Juli 2014 die Heimreise antreten.
„Diese Wand zu klettern wäre das schwierigste und komplexeste alpine Unterfangen das wir uns vorstellen können,“ war der einhellige Tenor der drei Extrembergsteiger, kurz nachdem sie sich zum frühzeitigen Abbruch der Expedition entschieden hatten. Nur wenige Tage zuvor waren Lama, Ortner und Auer zu ihrem ersten Versuch aufgebrochen und dabei erstmals bis direkt unter die unberührte 3500 Meter hohe Wand vorgedrungen. „Schon der Zustieg ist bedrohlich. Man hat ständig das Gefühl, dort nicht willkommen zu sein.“ schilderte David Lama seine Gefühle bei der Durchquerung des mit Seracs verhangenen Tals. Die drei Bergsteiger versuchten so schnell wie möglich Höhe hinter sich zu bringen und der Gefahrenzone so weit als möglich zu entweichen, doch die unüblich warmen Temperaturen am Wandfuß hatten den Schnee gewandelt und verhinderten ein rasches Weiterkommen. Unter einem Felsband und geschützt von den ringsum herabkommenden Lawinen harrten die drei Österreicher die Mittagssonne aus, bevor sie sich entschieden, der Wand den Rücken zu kehren. „Damit diese Erstbegehung gelingen kann müssen die Verhältnisse perfekt sein, das war heuer einfach nicht der Fall,“ ist sich Peter Ortner sicher. Einen bleibenden Eindruck hat die Wand auch bei Hansjörg Auer hinterlassen, der das erste Mal dabei war: „Der Tag in der Wand war extrem, wir haben hautnah zu spüren bekommen worauf wir uns mit diesem Projekt einlassen. Ich bin froh, dass wir als Team die richtigen Entscheidungen getroffen haben und alle heil retour sind.“
„Ich glaube nach wie vor daran, dass es möglich ist durch diese Wand zu klettern. Nirgendwo sonst muss aber alles so perfekt zusammen spielen wie hier,“ gibt David Lama zu Protokoll. Die Möglichkeit einer Rückkehr zur „Wand der Wände“ lässt sich das Team offen, das Projekt soll nun aber zumindest für ein Jahr ruhen, 2015 will man sich anderen Projekten widmen.
Das Projekt Masherbrum in Relation
Der Masherbrum ist mit seinen 7821 Metern Höhe der zweiundzwanzigst höchste Berg der Welt und der neunthöchste im Karakorum. Seit seiner Erstbesteigung im Jahre 1960 wurde der Berg nur drei weitere Male erfolgreich bestiegen. Die letzte Besteigung datiert zurück auf 1985 und fand somit fünf Jahre vor Lamas Geburt statt. Für Lama, Ortner und Auer macht aber nicht die reine Höhe des Berges den Reiz an sich aus, vielmehr unterscheidet sich die Nordostwand des Masherbrum durch ihre gnadenlose Steilheit von den anderen Wänden der Karakorum-Riesen, vor allem weil 7000 Meter über dem Meeresspiegel noch die senkrechte Headwall den Weg zum Gipfel versperrt. „Es ist wie eine Eiger Nordwand mit einem Cerro Torre oben drauf,“ zieht Lama eine Parallele zu seinem letzten Großprojekt. Ging es am Cerro Torre allerdings noch darum als erste frei den Gipfel zu erklimmen, so wäre am Masherbrum die erste Durchsteigung der Wand an sich schon eine alpinhistorische Sensation, nicht nur, weil das Tiroler Trio im Alpinstil, ohne Hochlager, Fixseile und Bohrhaken klettern wird. „Sollte das gelingen, wird es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern bis das wiederholt wird,“ bringt Alpinlegende Reinhold Messner den Status des Projektes in Relation.
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