Fährt man von Villach auf der A2 Südautobahn Richtung Italien, erspäht man kurz vor der Grenze das im Wischbergermassiv liegende Kaltwassertal (Val di Rio Freddo) mit seiner markanten, gelb leuchtenden Leiterspitze-Nordwand.
Bei einer Besichtigung im Herbst 2019 mit „Alpinlexikon“ Robert Mösslacher stellten wir fest, dass die Wand steiler und höher als erwartet ist. Die markanteste Linie, ein Kaminriss, der sich durch den gesamten linken Wandteil zieht, wurde bereits 1978 vom Großmeister Roberto Mazzilis und Ernesto Lomasti im traditionellen Stil erstbegangen.
Freunde aus Kärnten, Hannes Haberl und Thomas Lippitsch, der „Technomeister" Stefan Lieb und Markus Groinig haben bereits in einem kühnen Versuch eine unvollendete Linie an der Nordwand hinterlassen. Außerdem befindet sich nur wenige Meter links unseres Einstieges eine tschechische und einige Meter rechts eine italienische Route, welche nach wenigen Klettermetern enden.
Erst 2013 gelang der slowenischen Seilschaft, Julian Ferjancic und Dejan Koren, eine weitere Erstbegehung durch den rechten Wandteil der Nordwand.
Die Direttissima durch die Hauptwand blieb bis dato unbezwungen.
Aufgrund nicht vorhandener Italienisch Kenntnisse, baten wir Christophs Tante Angi mit der zuständigen Forstbehörde in Tarvisio Kontakt aufzunehmen. Nach mehrmaligen Weiterleiten gelang es ihr mit dem sympathischen Marino zu sprechen, der sich bereit erklärte, am darauffolgenden Tag unser gesamtes Material (Gepäck in der Größenordnung von mind. 50kg) einen Teil der Forststraße mit seinem Buggy hinein und hinauf zu befördern.
Von der Wanderweggabelung aus schleppten wir das Material in mehreren Etappen bis zum Bivacco Carnizza (5-Sterne Biwak!!), welches wir auch als Base Camp nutzten. Wir sortierten unser Material, spazierten zur Wand und suchten uns den logischsten und kompaktesten Einstieg für unsere Route aus.
Nach den ersten Metern stellten wir schnell fest, dass es schwer ist Schlaghaken zu platzieren, da diese sich nicht tief genug in die Risse schlagen ließen. Somit kam die gute alte Cliff-Technik zum Einsatz: klettern, sich am Hook hängen, Nerven bewahren, tief durchatmen und ohne sich viel zu bewegen einzubohren. Wir kamen relativ zügig voran, übernachteten insgesamt dreimal in der Wand und konnten die Tour innerhalb von fünf Tagen fertig einrichten und in 2 Tagen frei klettern.
Am Tag des Durchstiegs passte alles zusammen und zum Abschluss erreichten wir den Gipfel zur selben Zeit wie unsere Freunde aus Tschechien, Zdenek Novak und Martin Cepicka, welche eine schöne Route im Bereich unserer Abseilpiste einrichteten.
Es entstand eine wunderschöne, sportliche Kletterroute mit 10 Seillängen, kontinuierlich überhängend und doch sehr gut strukturiert.
Durch die abwechslungsreichen und einzigartigen Strukturen, die an die Kleine Zinne erinnern und da die Wand kompakter und dreimal so überhängend wie diese ist, hat es dank der guten Absicherung das Potential zum Klassiker.
Da der Zustieg entlang des Forstweges ohne Fahrrad recht lange ist, fanden wir es sinnvoll die Route so einzurichten, dass man lediglich 60-Meter Halbseile und 14 Expressschlingen benötigt, um zusätzliches Materialschleppen zu vermeiden.
Vielen Dank auch an Sander Werelds und Zdenek Novak, sie erschlossen ebenfalls eine Linie auf den kleinen Pfeiler links neben der Nordwand. Danke auch an Robert Mösslacher, der uns als Alpingeschichtslehrer und Fotograf begleitete.
In Gedenken an den ersten Winterbegeher der Lomasti – Mazillis Route, Luka Vuerich, welcher 2010 beim Eisklettern am Prisank tödlich verunglückte und Wolfgang Müller, der 2008 im Kaltwassertal beim Eisklettern abstürzte.
Text: Alexander Weissmann
Tourinfo:
Große Leiterspitze Nordwand. Cima Grande della Scala
"Il Mondo Ripido", 10SL, 280m, 7c, FA 7.8.2020
Christoph Kampfer – Alexander Weissmann, RP 21.8.2020
Genaue Toureninfo + Topo von Il Mondo Ripido auf bergsteigen.com
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