Pistentourengehen - mehr Tourengeher auf der Piste als Skifahrer am Sessellift Pistentourengehen - mehr Tourengeher auf der Piste als Skifahrer am Sessellift
10 Februar 2017

Skitourengeher – Kunden oder Geisterfahrer

15 Leute fahren an einem Abend in das Seil einer Pistenraupe - Podiumsdiskussion im Tiroler Unterland

Wildschönau - eine eher maue Podiumsdiskussion über Pistentourengehen am Abend ...

Am Stefanitag war der Wirbel groß - 15 Skifahrer fuhren an einem Abend in das Seil einer Pistenraupe. Aus diesem Grund veranstaltete die Tiroler Tageszeitung eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion "Skitourengeher – Kunden oder Geisterfahrer" zu der sogar der Bezirkshauptmann angereist kam. Schnell stellte sich aber heraus, dass dieser Zwischenfall eher mit dem oft feuchtfröhlichen "Buamatog" (ein Tag, wo die Buam - Burschen - ausgehen und es krachen lassen) in Verbindung zu bringen sei. Es konnten auch keine Zahlen genannt werden, wie viele von den 15 Personen überhaupt Skitourengeher waren?

Die Bergbahn und die Gemeinde hatten schon Tage vor der Podiumsdiskussion ein Konzept ausgearbeitet, welches ab sofort auch in der Wildschönau einige Pisten am Abend für Skitourengeher offen hält. Abwechselnd in Reith (Dienstag), in Niederau (Freitag und Samstag) und am Schatzberg (genaue Tage stehen noch nicht fest) soll das abendliche Skitourengehen im Skigebiet Skijuwel möglich sein.

Das zuhörende Publikum bestand hauptsächlich aus Einheimischen, wobei primär Tourengeher darunter waren. Eine der wenigen Wortmeldungen war z.B. "Warum kann man nicht immer erst ab 20 Uhr mit dem Pistenpräparieren beginnen und das überall in der Wildschönau". Der Liftchef erwiderte, dass die Zeit von 19.00 bis 7.00 Uhr als Überstunde zu bezahlen sei und die Pistenpräparierung ab 20 Uhr so in etwas 65.000 Euro an Mehrkosten verursachen würde. Auch würde der Schnee am späteren Abend bzw. in der Nacht schlechter zu bearbeiten sein.

Tourengeher forderte Liftschließung, Hüttenwirt begrüßt "Tourenschnapserl"

Etwas eigenartig war auch die Forderung eines einheimischen Tourengehers (in einer Gemeinde, die recht gut vom Skigebiet lebt), den Skilift komplett zu schließen, da ja auch auf den Skipisten viele und tlw. sogar tödliche Unfälle passieren - tagsüber auf der Piste gebe es also ähnliche Gefahren wie nachts beim Präparierungsseil. Einer der Tourengeher wollte auch partout nicht einsehen, warum er für seine Pistenskitour nach der Arbeit am Freitag von Auffach nach Niederau fahren muss (13 Minuten), er würde am liebsten die Tour immer von zu Hause aus beginnen.

Michael Larcher (Alpenverein) versuchte dann noch das Thema "Pistenmaut" oder Parkgebühren für Tourengeher in die Diskussion zu werfen. Das schien aber nicht wirklich jemanden zu interessieren. Somit wurde die Veranstaltung relativ klanglos pünktlich um 21.00 Uhr beendet. Für Pistenskitourengeher heißt es also derzeit noch "A very warm welcom in the Wildschönau", da man auch in der sehr schneearmen Weihnachtszeit die in den benachbarten Skigebieten groß angebrachten Verbotsschilder am Schatzberg in der Wildschönau vergeblich suchte. Ein Hüttenwirt war auch vollen Lobes für die Tourengeher - "Der Tourengeher isch a sehr verantwortlicher Mensch, der kimmt aufi, trinkt sein "Tourenschnapserl" - des kriagt a von mir persönlich als Begrüßung, weil er gschwitzt hat und damit er wieder gsund obi kimmt. Dann trinkt a seine 2 bis 3 Weißbier, evtl. noch ein Weizen dazu - also der Alkohol ist bei den Tourengehern sehr sehr wenig ...". 

Menschenschlangen am Rand und auf der Piste

In anderen Skigebieten schaut das aber anders aus - so ist z.B. am Stuhleck (Semmering) das Pistentourengehen offiziell verboten (viele steigen aber trotzdem auf der Piste hinauf) und die Tourengeher welche über einen Graben aufsteigen wollen, müssen eine saftige Parkgebühr (8 Euro pro PKW) zahlen. Am Niederösterreischichen Unterberg wird von jedem Tourengeher 5 Euro auf dem Parkplatz kassiert. Zwei, fünf oder eben acht Euro Parkgebühr sind in zahlreichen Skigebieten für Pistentourengeher üblich und werden auch von diesen akzeptiert.

Schaut man sich den Trend derzeit an, werden die Probleme und Diskussionen vermutlich noch nicht ganz ausgestanden sein. Es fangen immer mehr "Normalsportler" mit dem Skitourengehen an und bewegen sich primär (fast nur) auf den Skipisten. Große Hersteller wie z.B. Dynafit haben diesen Trend erkannt und bringen für den Winter 17/18 sogar schon eine eigene Pistentourenline auf den Markt, die den günstigen Einstieg in den Pistentourensport ermöglichen soll - ein Highlight ist der Skitourenrucksack mit LED-Beleuchtung. Die Folge, früher oder später werden es mehr Pistenskitourengeher werden und die Liftbetreiber werden sich um Gefahrenstellen (an einer sehr steilen Kuppe quert der Skitourengeher naturgemäß in die Skispiste - gefährliche Situationen und Zusammenstöße sind vorprogrammiert) kümmern müssen.

Wo genau ist der Pistenrand (FIS-Regel Punkt 7)

Die rechtliche Lage eines Pistentourenverbotes ist in Österreich nicht einheitlich geregelt - in Tirol hat man z.B. derzeit nicht wirklich eine Handhabe den Tourengeher von der Piste komplett zu verbannen. Sehr oft werden die FIS-Regeln zitiert, in denen Punkt 7 besagt: " Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen". Somit scheint also der Aufstieg nicht explizit verboten zu sein - Michael Larcher vom Alpenverein besteht auf dem "Recht" der Skitourengeher die Piste für den Aufstieg zu benutzen. Ganz so einfach dürfte es aber nicht sein. Im Punkt 7 wird nur vom Pistenrand gesprochen, was ist also mit Pistenquerungen oder dem nötigen Einqueren in die Piste bei einem Steilhang? Der FIS-Regel genau entsprechend, müsste der Skitourengeher die steilen Passagen zu Fuß zurücklegen, um wirklich immer am Pistenrand zu bleiben und somit - bei einem eventuellen Zusammenstoß mit einem talwärts fahrenden Skifahrer - im legalen Bereich zu sein. Der Begriff "Pistenrand" wird im Streitfall vermutlich großzügiger ausgelegt, bei einer Pistenquerung bewegt sich der Tourengeher aber mit Sicherheit über den Pistenrand hinaus (in der Mitte) und verstößt somit gegen Punkt 7 der FIS-Regeln.

Der Alpenverein verweist auf 10 Verhaltensregeln (siehe Bilder) zum friedlichen Miteinander und will naturgemäß die Pisten für seine Mitglieder offen halten. Dass sich z.B. an Sperren oder an "Hunde nicht auf die Piste mitnehmen" aber viele nicht halten, steht auf einem anderen Blatt. Der Skitourensektor ist immer noch sehr stark im wachsen, viele Neueinsteiger wollen überhaupt nicht ins freie Gelände, sondern nur auf den Skipisten gehen. Wenn mehr als 30 % ohne Bezahlung die teure Infrastruktur (Kunstschnee) der Skigebiete benutzen, wird irgendwann auch bei den Seilbahnern die Alarmglocke läuten. Vermutlich ist die einzig mögliche und wirtschaftliche sinnvolle Lösung - wie im Bayrischen Oberammergau: Skitourengeher bezahlen für den Parkplatz und bekommen als Gegenleistung eine eigene Aufstiegsspur (die Skipiste wurde in Oberammergau sogar untertunnelt) - ohne eigene Aufstiegsspur wird Pistenskitourengehen aber überall aus Sicherheitsgründen verboten.

Webtipp:

Skijuwel Wildschönau
Skigebiet Kolben Oberammergau
Skigebiet Stuhleck am Semmering



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