Schrei aus Stein – die neue Top Route in den Tannheimer Bergen
Im Jahr 2003 entdeckte ich während der Begehung der Route „Feuerland“ 9- im zentralen Teil der Gimpel Nordwand eine Zone von kompakten Platten und Felspfeilern mit großen Überhängen durch die es bisher noch keine Route gab. In meiner Phantasie zeichnete sich wie von selbst eine Linie durch die scheinbar glatte Mauer.
Doch lange Zeit blieb es bei dieser Vision. Zu anstrengend und beschwerlich stufte ich eine mögliche Erstbegehung ein. Aber vergessen konnte ich die Gimpel Nordwand trotzdem nicht...
Erst 2006 war ich dann bereit, auf Erkundungstour in die Nordwand einzusteigen. Bald schon erkannte ich eine logische und möglicherweise meinem Niveau entsprechende Freikletterlinie. Der für Nordwandverhältnisse recht warme Juli war genau richtig, um nun das Projekt in die Tat umzusetzen. Fast jedes Wochenende stieg ich mit Lena, bepackt mit schweren Rucksäcken zum Einstieg hinauf, um die Traumlinie voranzutreiben.
Oft waren wir mehr als 10 Stunden in der Wand. Heftige Gewitter und Verhauer brachten uns manchmal in große Bedrängnis und zwangen uns des öfteren zum Rückzug. Spätestens hier merkten wir, wie groß und ausgesetzt diese Felsmauer ist. Ein Vergleich mit den bekannten Nordwänden in den Dolomiten ist deshalb nicht übertrieben. Gerade bei den schnell herannahenden Gewitterfronten von Süden ist man mehr oder weniger den in minutenschnelle entstandenen Sturzbächen incl. der dazugehörenden Blitze ausgeliefert.
Hier gibt es weder eine Ausquermöglichkeit noch ein sich Unterstellen. Aus diesem Grund haben wir die Route so eingerichtet, dass ein Rückzug über eine Abseilpiste jederzeit möglich ist. Denn das Ziel nach dem Erstbegehen einer solch großzügigen Linie ist natürlich die Wiederholung durch andere Kletterer. Deswegen sehe ich auch eine gewisse Verantwortung darin, dass sich niemand schwer verletzen kann und bei auftretenden Problemen eine Rückzugsmöglichkeit gegeben ist. Trotzdem sollte jetzt nicht der Eindruck einer übersicherten Plaisirroute entstehen, denn klettern muss man trotz der guten Absicherung...
Gerade die Schlüsselstelle beschäftigte mich lange Zeit. Ein ca. 15 Meter stark überhängender Riss ließ mich bei meinen Freikletterversuchen an die Grenzen stoßen. Enttäuscht musste ich mehrmals aufgeben um nach schlaflosen Nächten am nächsten Wochenende wieder am Start zu stehen. So lange bis es endlich klappte, weil ich mir sicher war, dass ich es schaffen kann. Ob der Grund des anfänglichen Scheiterns meine mangelnde Rissklettertechnik war oder die Seillänge wirklich schwer ist, werden die ersten Wiederholer beurteilen.
Grundsätzlich ist die Route „Schrei aus Stein“ auf Grund ihrer direkten Linie, ihrer Länge und der Gesamtanforderung ein weiterer Meilenstein an den Nordwänden der Tannheimer Berge, ich bin mir aber sicher, dass es nicht der Letzte sein wird. Wer dort einsteigt, sollte sich die Mühe machen auch wirklich den Gipfel zu erreichen. Es wäre zu schade, nur den klettersportlichen Aspekt in dieser beeindruckenden Wand für eine Begehung heranzunehmen und nach der Schlüsselseillänge wieder abzuseilen. Denn dafür gibt es mehr als genügend Möglichkeiten an den Südwänden.
Aus diesem Grund kann sich auch nur der ins Wandbuch eintragen, der die letzte schwere Seillänge hinter sich gebracht hat. Die sich danach anschließenden 100 Höhenmeter zum Gipfel sind nicht mehr anstrengend, erfordern aber, auf Grund des brüchigen Geländes höchste Konzentration.
Mit dem Genuss eines herrlichen Weitblickes im Abendrot weicht dann endlich die Anspannung des ausgefüllten Klettertages. Bestätigt durch die Gewissheit die auf Grund der Gesamtanforderung schwierigste und vielleicht auch schönste Nordwandroute hinter sich gebracht zu haben, ist der Abstieg über den Normalweg dann nur noch halb so schlimm.
Infos (Topo & Foto) zur Tour: mehr...
Webtipp: www.walter-hoelzler.de
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