Die Schermberg Nordwand mit Welser Weg, Linzerweg und Schlossgespenst+Direkter Nordpfeiler (v.l.n.r.) (c) Mortiz Mayer Die Schermberg Nordwand mit Welser Weg, Linzerweg und Schlossgespenst+Direkter Nordpfeiler (v.l.n.r.) (c) Mortiz Mayer
17 Juli 2020

Schermberg Nordwand Triple

Moritz Mayer klettert solo in 11½ Stunden durch drei lange Nordwandrouten. 26 Kilometer und 4.550 Höhenmeter später hier sein Bericht

Als ich vor einigen Jahren das erste Mal mit einem Freund den 2.396 Meter hohen Schermberg besuchte, war mir noch nicht bewusst wo dies enden würde. Damals jung und getrieben, entkamen wir nach einer erfolgreichen Begehung des Welser Weges durch die Nordwand, gerade noch so einem heftigen Wolkenbruch in der Welser Hütte.

Sechs Jahre später, ein wenig älter aber immer noch getrieben, reifte in mir die Idee zu einer etwas anderen Nordwanddurchsteigung heran. Mittlerweile kannte ich bereits das „Schlossgespenst“ mit anschließendem Nordgrat, eine Klettertour durch den westlichen Teil dieser gigantischen Felswand. Als ich vor wenigen Monaten auch immer mehr mit einer Begehung des äußerst selten-besuchten Linzer Weges liebäugelte, stellte ich mir die Frage, ob es wohl möglich sei alle drei großen Routen der Schermberg Nordwand an nur einem Tag zu klettern.

Nicht nur allein der Umstand, dass der Höhenunterschied von Nordwandfuß zu Schermberg Gipfel 1.400 Höhenmeter beträgt, ließ mich diese Frage nicht sofort mit „ja“ beantworten. Schließlich müsste ich diese Höhendifferenz nicht nur einmal, sondern dreimal überwinden. Auf einer Kletterstrecke mit mehr als 4.000 positiven Höhenmetern, bis hin zum fünften Schwierigkeitsgrad, warten auch noch ganz andere Herausforderungen auf einen. Objektive Gefahren wie Steinschlag und Erschöpfung können sich schlagartig-negativ auf ein derartiges Unterfangen auswirken.

Doch einmal einen Floh ins Ohr gesetzt, beißt sich dieser im Gehörgang fest. Also fand ich mich kurze Zeit später in der Schlusswand des Linzer Weges wieder. Ich hatte ein uraltes Topo falsch interpretiert, war zu früh nach links gequert und kletterte in brüchigem, unangenehm-schwerem Gelände einige Zeit abseits der Originalroute weiter. Orientierung, ist ebenso ein durchaus relevanter Begriff in einer so riesigen Felswand.

Nun kannte ich also alle Wege um mein Vorhaben, die Schermberg Nordwand über drei verschiedene Routen an einem Tag zu durchklettern, in die Tat umzusetzen. Voraussetzungen für dieses Projekt waren nun, gutes aber nicht zu heißes Wetter sowie ein gesundes Maß an Motivation und Selbstbewusstsein. Schon im Vorhinein war auch klar, dass aus zeittechnischen Gründen nur ein Alleingang in Frage kommen würde.

Nur drei Tage nach meiner mit Spannung behafteten Erkundungstour im Linzer Weg meldeten die Wetterdienste bereits einen idealen Tag. Sonne, 22° Celsius. Noch am Vorabend deponierte ich meinen Rucksack am Einstieg zum Schlossgespenst und einen weiteren Packsack mit Lebensmittel und Getränken zentralgelegen am Wandfuß der Nordwand. Der Starkregen von Samstag hatte seine Spuren hinterlassen. Noch immer waren große Felsteile der Nordwand dunkel-nass, was meinem Bauchgefühl nicht unbedingt als hilfreich erschien.

Somit war es keine Überraschung das die folgende Nacht kurz und voller Gedanken war. Erlösung gab es erst wieder um 02:30 Uhr, als mich mein Wecker aus dem Bett klingelte. Zugegeben, war mein Motivationslevel wenig später am Parkplatz des Almtalerhauses bei 4° Außentemperatur noch immer nicht auf Höchststand, dies änderte sich aber überraschenderweise schnell als ich endlich in Richtung Schermberg Nordwand loslief.

Es war mittlerweile 05:15 Uhr geworden. Endlich zeichneten sich am Horizont die ersten Sonnenstrahlen ab. Ich hatte bereits einige schwierige Passagen meiner ersten Route, dem „Schlossgespenst mit Nordgrat (V)“ absolviert. Bisher lief alles viel besser und schneller als erwartet. Die Route war zu großen Teilen über Nacht aufgetrocknet und die Sonne verabreichte mir einen zusätzlichen Motivationsschub. Bereits nach 2 Stunden und 48 Minuten in der Wand, stand ich das erste Mal fü auf dem dritthöchsten Gipfel des Toten Gebirges, dem Schermberg.

Kurze Zeit später gabs Frühstück auf der Welser Hütte. Ich informierte das Hüttenpersonal kurzerhand, dass dies heute nicht mein letzter Besuch sein würde und wir zu einem späteren Zeitpunkt abrechnen können, bevor ich weiter in Richtung Hetzautal hinab lief. Kurz vor dem Bachbett verlasse ich den Wanderweg wieder nach Westen.

Die Querung zum Einstieg des Linzer Weges ist eigentlich unschwierig. Eigentlich, wären nicht im Wandvorbau über mir einige Gämsen gewesen, die massiven Steinschlag auslösten. Der einzige Moment, in dem ich an diesen Tag Glück gebraucht habe. Ein faustgroßer Stein verfehlte mich nur knapp und lies meine zu diesem Zeitpunkt vorhandene Euphorie, abrupt verschwinden.

Der erste Teil des Linzer Weges (IV+) lag hinter mir. Sehr brüchig, etwas nass, aber grundsätzlich einfach. Im anschließenden Riesenpfeiler konnte ich noch einmal richtig Tempo machen und stand relativ schnell im westlichen Schuttkar direkt unter der Schlusswand des Linzer’s. Ich hatte aus meinen Fehlern vor drei Tagen gelernt und wählte heute die richtige Route durch die imposanten Felsabstürze unterhalb des Gipfels. Wieder gelang alles problemlos und die Freude war riesig als ich das zweite Mal den Gipfel des Schermbergs erreichte. Ab hier lagen die größten Schwierigkeiten hinter mir und es fehlte nur noch der vermeintlich leichtere Welser Weg (III).

Nach einer weiteren kurzen Stärkung auf der Welser Hütte machte ich mich auf, um den letzten gleichnamigen Weg auch noch zu absolvieren. Es war Mittag und ab nun brannte die Sonne erbarmungslos in die sonst so schattige Nordwand. Nach bereits mehr als 3.000 Höhenmetern in den Beinen, begannen meine Kräfte zu schwinden. Leichte Schwindelanfälle gepaart mit groben Orientierungsschwächen ließen diesen vermeintlich leichtesten Weg noch einmal zu einer richtigen Herausforderung werden. Meine Fähigkeit sich zu konzentrieren war nicht mehr vorhanden, meine Gedanken nicht mehr bei der Sache. Auch wenn die Kletterstellen hier den dritten Schwierigkeitsgrad nie übersteigen, nicht unbedingt die idealen Voraussetzungen um so eine Route durch eine so imposante Wand zu begehen. Nach dem oberen, extrem anstrengend zu begehenden Schuttkar wurde mir endgültig der Stecker gezogen. Von den letzten 200 Höhenmetern bekam ich nur noch wenig mit. Nichtsdestotrotz konnte ich nach 11 Stunden 30 Minuten und 43 Sekunden auch die letzte Route durch diese Nordwand hinter mir lassen und auch meine Kräfte schienen plötzlich wieder vorhanden zu sein.

Ein letztes Mal trat ich einige Zeit später für diesen Tag über die Türschwelle der Welser Hütte. Nach 26 Kilometern und mehr als 4.500 Höhenmetern der perfekte Ort um so einem Tag ein würdiges Ende zu bereiten.

Text und Fotos: Moritz Mayer

Die Routen des Schermberg Nordwand Triples:

Schlossgespenst und Direkte Nordgrat, 1400 m, 5  

Linzer Weg, 1800 m, 4/4+

Welser Weg, 1800 m, 3

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