Auf den ersten Blick zeigt die Bürser Platte nur glatten, strukturlosen Fels, jedoch auf den zweiten Blick entdeckt man feine Risse, die kletterbar sind.
Das spannende an dieser Linie ist, dass die Tour clean, das heißt es werden zur Absicherung nur Klemmkeile und Camelots (mobile Sicherungsgeräte) angebracht, kletterbar ist.
Die Route ist 40m lang, für die ich zusammen mit Michi Wohlleben ein Rack aus 11 Klemmkeilen und 10 Camelots zur Absicherung zusammengestellt habe. Das interessante für mich an dieser Route war die neue Herangehensweise und das Ausarbeiten dieser Linie, bis man sich an den ersten Lead Versuch wagt.
Ich konnte vor meinem ersten Versuch im Vorstieg die Route nur einmal im Toprope, ohne Anbringen von den Sicherungen, durchsteigen. Das Anbringen der Sicherungen verschärft den Durchstieg, da man länger braucht und mehr Kraft benötigt. Vor allem das Legen der Klemmkeile in der Schlüsselstelle ist eine der größten Schwierigkeiten in dieser Tour. Man steht auf extrem kleinen Tritten und hält sehr kleine Griffe. Das Legen muss sehr schnell und präzise passieren. Der Gedanke in einen Microkeil zu stürzen bringt ein extrem ungutes Gefühl mit sich. Besonders auch, weil ich mit Microkeilen noch keine Erfahrung hatte. Ein weiterer mentaler Aspekt ist, dass man weit über diese Sicherung hinaus klettern muss, bis die nächste Möglichkeit einer Sicherung besteht.
In dieser Tour vorzusteigen ist ein spannendes Gefühl. Diese Tour clean zu klettern verlangt viel Kraft und Geduld ab und ist nicht ungefährlich. In den ersten 20m sollte man nicht fallen, da man hier nicht weiß, ob die Keile halten und die Gefahr besteht, bis auf den Boden zu stürzen. Trotzdem wagte ich mich an diesem Tag, nach dem Durchstieg von Michi, an meinen ersten Versuch, die Tour vorzusteigen. Ich war motiviert und konnte mich mental in einen guten Modus bringen.
Der erste Versuch im Vorstieg lief unglaublich gut. Fast schon zu gut! Ich konnte alles was die Tour so schwierig macht hinter mich bringen. Es war ein sehr überraschender Moment, als ich nach der Schlüsselstelle in dem zweiten Risssystem angelangt war. Jedoch war ich noch nicht beim Umlenker. Und dann ist es passiert, knapp zwei Meter vor dem Top haben mich meine Unterarme eingeholt und ich bin trotz motivierenden Zurufen von Barbara Zangerl und Michi Wohlleben kurz vor dem Ziel raus geflogen. Diesen Moment werde ich nie vergessen. Es war eine ganz neue Erfahrung, einen derartigen mentalen Zustand während dem Klettern zu erreichen und zu erleben. Rückblickend war dieses Erlebnis für mich intensiver und wertvoller, als dann am Ende der Durchstieg einige Tage und Versuche später.
Die letzten Meter bringen eigentlich nicht mehr all zu große Schwierigkeiten mit sich. Hier habe ich aber meine Buse meiner fehlende Klettererfahrung bezahlt. Es war ein hart verdienter aber sehr wertvoller Lernprozess für mich und ich war überglücklich die Tour klettern zu können.
Wie Barbara Zangerl sagte: "In dieser Tour ist der Kopf das wichtigste. Man muss locker klettern, selbst dann, wenn man an seine Leistungsgrenze kommt."
Der Reiz diese Tour zu probieren war reine Neugierde. Ich wollte wissen, was es mit der Tour auf sich hat, dem Mythos auf den Grund gehen.
Danke Beat Kammerlander für eine derartige geniale Linie!
(„Prinzip Hoffnung zu klettern sei wie eine Schlacht, sagt Beat Kammerlander im Interview nach seiner Erstbegehung im Jahr 2009. “Die Griffe sind extrem klein, man holt sich blutige Finger und ruiniert sich die Kletterschuhe“, führt Beat weiter aus. Der Kletterstil, kombiniert mit der spärlichen Absicherung, machen die Route zu einem Sonderfall in Zeiten perfekt abgesicherter Sportkletterrouten im Überhang.“)
Nadine Wallner – über mich
Skifahrerin und mittlerweile auch passionierte Kletterin. 2013 und 2014 konnte ich die Freeride World Tour `back to back`als jüngster Rookie für mich entscheiden. Nach meinem letzten Gesamtsieg zog ich mir in Alaska, während Filmaufnahmen, einen offenen Schien -und Wadenbeinbruch zu und konnte im folgenden Winter kaum Skifahren. Durch die Verletzung habe ich dann das Klettern entdeckt. Klettern war erst ein Ausgleich und eine gute Therapie für meine Wadenmuskulatur. Ich habe aber schnell mehr gefallen daran gefunden und trat im Sommer 2015 meinen ersten Felskletterurlaub nach Kalymnos an. Ich war richtig fanatisch und voll motiviert und konnte mit meiner neuen Passion auch die Bergführeraufnahmeprüfung bestehen. Letzten Winter habe ich dann Barbara Zangerl kennen gelernt. Babsi hat mir viel gezeigt und wir haben richtig hart trainiert. Im Frühling letztes Jahr konnte ich dann meine erste 7c+(Lucy), kurz darauf meine erste 8a (Grenzgänger) und knapp darauf eine 8b/+ (Euphorie am Voralpsee) durchsteigen. Im Sommer habe ich dann auch versucht alpin schwerere Touren zu klettern. (z.B. die Rote Kraft 9/9+ an der Roten Wand im Lechquellengebirge von Pio Jutz) Barbara Zangerl hat mit mir ihren Zugang zum Klettern geteilt und ist nach wie vor die größte Inspiration in diesem Sport für mich. YOU ROCK!
Text: Nadine Wallner
Fotos: Jacopo Larcher
Nadine wird unterstützt von: Red Bull, Mammut, Audi, Marker/Völkl, Leki, La Sportiva, Schwerelosigkite, Klösterle am Arlberg, Bergbahnen Stuben am Arlberg/Albona
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