Die Sommerunfall-Statistik wurde präsentiert, Retter beklagen viele Notrufe ohne echten Notfall.
Das Kuratorium für Alpine Sicherheit stellte wie jedes Jahr die Sommerunfallstatistik vor und die von der Alpinpolizei erhobenen Daten sind erfreulich, da ein kleiner Rückgang an Unfällen zu verzeichnen ist. Von 1.5.2017 bis 17.9.2017 verunfallten in Österreichs Bergen 126 Personen tödlich, das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 11%.
Kurzer Überblick über die Zahlen
Wie schon in den vergangenen Jahren passierten 46% aller Unfälle (Tote und Verletzte) bei der Bergsportdisziplin Wandern. Die Hälfte der Alpintoten im Sommer 2017 starben im betrachteten Zeitraum beim Bergwandern (55%; 69 Personen). Hauptunfallursache sind Sturz, Stolpern und Ausgleiten gefolgt von Herz-Kreislaufversagen. 38% der verunglückten Wanderer waren Inländer und 45% deutsche Staatsbürger.
Bei der Disziplin Klettern starben 4 Personen im Bergsommer 2017, auf Klettersteigen kamen 5 Personen zu Tode. Bei den Hochtouren starben 8 Personen, wobei in dieser Zahl der tragische Mitreißunfall unterhalb des Gablers mit eingerechnet ist (6 Tote).
Beim Mountainbiken starben 5 Personen im Sommer 2017. Bei allen Mountainbikeunfällen war der Anteil der E-Bikefahrer 4%, vermutlich wird dieser Anteil in den nächsten Jahren dem E-Bike Trend entsprechend ansteigen.
1/3 der Notrufe kommt von Unverletzten - „Vollkaskomentalität“
Alpine Notrufe werden nicht nur bei richtigen Unfällen abgesetzt, sondern auch vermehrt von unverletzten Personen, die sich in einer misslichen Lage befinden bzw. blockiert sind. Darunter fallen Personen, die mit den Begebenheiten einer Tour und den Verhältnissen überfordert sind oder sich selbst überschätzen. Der Anteil der Unverletzten hat in den letzten 10 Jahren signifikant zugenommen. Im Jahr 2016 waren dies fast ein Drittel aller Notrufe - 32% !
Die Retter sehen eine Entwicklung in Richtung „Vollkaskomentalität“, bei der die Eigenverantwortung im Tal unten gelassen wird. Hier wird nach Wegen gesucht, solche nicht gerechtfertigten Einsätze dem Verursacher in Rechnung zu stellen. Berichtet wurde z.B. von folgenden Gegebenheiten:
Ein Bergsteiger ließ sich aus dem Absamer-Klettersteig wegen eines angeblichen Muskelfaser-Risses mit dem Hubschrauber bergen. Anstatt sich im Tal aber weiter ins Krankenhaus transportieren zu lassen, meinte der Betroffene es gehe im wieder besser, es wäre gar nichts ernstes. Darüber hinaus würde er den schönen Tag lieber mit seiner Familie nützen und zur Bettelwurf-Hütte aufsteigen.
Eine Person ließ sich wegen Blasen vom Berg ins Krankenhaus fliegen – wurde dann aber wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit ohne Behandlung vom Arzt nach Hause geschickt.
Von einer Gruppe Tourengehern wurde der Hubschrauber alarmiert, damit die Besatzung bei der Suche des im Tiefschnee verlorengegangenen Skis behilflich ist.
Eine Gruppe wollte sich bei schönstem Wetter, ohne erkennbare Probleme, die letzte Stunde des unschwierigen Abstieges ersparen und forderte daher den Hubschrauber an. Der Pilot entschied sich in diesem Fall aber nicht „zu retten“, sondern flog wieder zum Hubschrauberstützpunkt zurück.
Ein schon amtsbekannter Bergwanderer setzt immer wieder Notrufe ab, um sich so aus angeblich alpinen Notlagen retten zu lassen.
Zwei Bergsteiger ließen sich ohne erkennbare Probleme mit dem Hubschrauber vom Gipfel abholen und schrieben „ins Tal fliegen wir heute mit dem Heli“ ins Gipfelbuch.
Einem Bergsteiger wurden die Schuhe auf einer Schutzhütte "gestohlen" (er findet sie nicht mehr), und läßt sich mit dem Hubschrauber zurück ins Tal fliegen.
Das sind nur einige Beispiele mit denen die Retter aktuell zu kämpfen haben. Es muss einem dabei auch immer bewusst sein, dass jeder unnötige Einsatz ein Risiko für die Retter darstellt und evtl. ein wirklich nötiger Einsatz blockiert oder verzögert wird. Oft müssen Retter zu Fuß zu Verletzten aufsteigen, weil aufgrund einer harmlosen Bergung der Hubschrauber nicht verfügbar ist. Ein unerträglicher Zustand, den Bergrettung und Alpinpolizei zu Recht kritisieren.
Ein Kuriosum stellt noch der Umstand dar, dass nur Flüge mit wirklich verunfallten Personen verrechnet werden können (z.B. der Versicherung). Unverletzte werden auf Kosten des Steuerzahlers mit dem Hubschrauber quasi gratis transportiert.
Wenn schon Vollkaskomentalität - warum eigentlich kein Selbstbehalt?
Doch wie wird man dieser „Vollkaskomentalität“ Herr? Ein Rettungshubschrauberflug kostet so um die 5000 Euro, die dann von der Versicherung oder vom Steuerzahler (Staat) zu berappen sind - nur in den seltensten Fällen bleibt der „Gerettete“ auf diesen Kosten sitzen.
Die klassische Möglichkeit, bei Versicherungen kleine bzw. unnötige Schadensfälle zu vermeiden ist die Einführung eines Selbstbehalts. Dabei wird in der Regel die Versicherungsprämie billiger. Sie steckt aber in den meisten Fällen im Mitgliedsbeitrag für einen Alpinen Verein und ist dort auch eines der großen Argumente, diesem beizutreten. Durch weltweite Bergekostenversicherung ohne Selbstbehalt wird die Vollkaskomentalität gefördert. Steigen aufgrund der vielen unnötigen Einsätze die Versicherungsprämien für die Vereine, so müssen sie am Ende auch ihre Mitgliedsbeiträge anheben. Das könnte den Vereinen aber Mitglieder kosten usw. Die Lösung für diese Spirale ist ein Selbstbehalt.
Höhe des Selbstbehalts
Ganz wichtig erscheint dabei die Höhe eines derartigen Bergekosten-Selbstbehaltes. Ist dieser mit z.B. 500,- zu hoch angesetzt, so nimmt der Betroffene aus Angst vor der für ihn zu hohen Zahlung in alpiner Not nicht sofort Hilfe in Anspruch. Der dann aber doch nötige Rettungseinsatz erfolgt verspätet und wird durch Dunkelheit oder noch schlechterem Wetter dann erschwert, vielleicht sogar unmöglich. Aus zu spät angeforderter Hilfe kann also auch schnell in Abhängigkeit der Gegebenheiten am Berg und der Entwicklung der Verletzung eine lebensbedrohliche Situation werden!
Erschwerend kommt noch die in den letzten Jahren verstärkte "Verrechtlichung" mit den damit verbundenen Klagen hinzu. Vielleicht wird man bei einer Eigenbergung am Ende sogar mit dem Vorwurf konfrontiert, warum man nicht schon früher die Bergrettung angefordert hat. Je höher also dieser Bergekosten-Selbstbehalt ausfällt, desto wahrscheinlicher könnte es werden, dass aus einem gerechtfertigten, aber nicht rechtzeitig in die Wege geleiteten Bergrettungseinsatzes ein Kampf auf Leben und Tod und ein im worst case darauf folgender Rechtsstreit entstehen wird.
Der Selbstbehalt muss folgerichtig in einer Höhe angesetzt werden, dass nur die unnötigen Einsätze vermieden werden - die wirklich notwendigen Einsätze aber stattfinden. Die Ermittlung der Höhe dieses Selbstbehaltes überlassen wir den Versicherungsmathematikern, die sich dabei hoffentlich mit den Bergrettern austauschen. Sollte es dann wirklich einmal zu einem echten Notfalleinsatz kommen, zahlen die Betroffenen einen vernünftig angesetzten Selbstbehalt am Ende einer schnellen Rettung vermutlich gerne.
Wenn durch einen Bergekosten-Selbstbehalt die Versicherungsprämien sinken und in der Folge die mit der Prämie verbundenen Mitgliedsbeiträge geringer ausfallen, haben die Mitglieder der alpinen Vereine vermutlich auch nichts dagegen.
Webtipp:
Bergrettung
Alpinpolizei
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