Vor mir liegt der Atlas und ich grüble darüber nach wann und wo ich ab Dezember in Asien auf meiner Kletter Weltreise vor Anker gehen soll. Unweigerlich springt mir dabei das riesige Dreieck am Südzipfel des Kontinents ins Auge. Indien!
Ich krame aus den hintersten Ecken meines vertikalen Erinnerungsvermögen unscharfe Bilder von Jerry Moffat und Kurt Albert in Hampi hervor. Zehn Minuten später habe ich dann endlich die Ausgabe des alten Klettermagazins mit dem entsprechenden Artikel aus dem Stapel Magazinen auf meinem Klo ausgegraben. Als ich ihn durchlese steht fest, da muss ich hin!
Ich noch räume schnell die letzten Zweifel aus, der Fundort des Magazins könnte „verdauungstechnisch“ ein böses Omen sein, und buche meinen Flug nach Delhi.
Hello my friend!
Als ich in Delhi ankomme muss ich – unerfahren wie ich bezüglich Indien bin – feststellen, wie viele Freunde ich hier habe. Jeder Ladenbesitzer im Main Bazar empfängt mich mit „Hello my friend!“ und will mir meine Rupies aus der Tasche ziehen.
Einige Tage später sitze ich dann mit meiner Freundin Petra im Zug nach Goa, wo wir uns vom geschäftigen Treiben der 14 Millionen Metropole und dem irrsinnigen Smog erholen. Zudem wurde aus dem „bösen Omen“ bereits bittere Realität, und ich bekomme während der eineinhalb Zugtage keinen Bissen runter.
Der Abstecher ans Meer stellt sich als richtige Entscheidung heraus und wir genießen Wasser, Sonne und frische Luft.
Von Goa aus geht es dann über die Nacht, und unzähligen „speed breakers“ per Bus direkt nach Hampi. Dort wird unser „Touristenbus“ in aller Herrgottsfrühe von dutzenden Hotelagenten und Rikshafahrern umschwärmt, und wir tappen natürlich voll in die Falle. Bin ich zuerst stolz den Riksha Preis von 50.- auf nur 20.- Rupies heruntergehandelt zu haben, so stelle ich nach lächerlichen 500 Metern fest, dass wir nie und nimmer ein Taxi gebraucht hätten. Wir setzen per Boot über den Tungabhadra Fluss nach „Hampi Island“ über und nach 10 Minuten Fußmarsch checken wir auch schon im Guesthouse „Goan Corner“ ein.
Hampi – Bouldern inmitten eines Weltkulturerbes
Hampi liegt im indischen Bundesstaat Karnataka und ist eine der bedeutendsten Kulturstätten des Landes sowie UNESCO Weltkulturerbe. Vom 14. bis 16. Jahrhundert war der Ort die Hauptstadt des Vijayanagar Königreiches, mit unzähligen Tempeln und einer riesigen Verteidigungsanlage, mitten in einer unglaublichen Felslandschaft. Es war zu seiner Blütezeit weltliches und spirituelles Zentrum dieses Reiches.
Zum Klettern wurde die Gegend rund um Hampi wohl von Hippies entdecket. Sie suchten hier ab den 70-ern innere Erleuchtung und begaben sich auf „erweiterte Bewusstseinsebenen“. Einer der ersten „seriösen“ Kletterer war dann der Brite Johnny Dawes. Ihm folgten weitere europäische Kletterer wie Jerry Moffat, Kurt Albert und Isabelle Patissier.
Waren es vor gut 20 Jahren wohl nur einige Felsen rund um den Ort Hampi selbst, so gibt es heute weit mehr als 20 Sektoren, welche sich in einem Umkreis von bis zu einer Stunde Fußmarsch um den Ort befinden.
Die Spuren der Vergangenheit, behauene Steinblöcke, Wehranlagen und Tempel begleiten einem dabei in jedes Gebiet. Der Umgang mit der allgegenwärtigen Geschichte ist sehr unterschiedlich. Während die einen „nur“ Bouldern, versuchen andere auch die mystische Stimmung dieses Ortes aufzunehmen, abzuschalten und in sich zu gehen. Ja, und manche andere wiederum versuchen auch heute wie damals besondere „Bewusstseinsebenen“ zu erklimmen.
Heiß und scharf!
Gleich beim Einklettern in den ersten Tagen stellen wir fest, wie weitläufig das Gebiet ist und worauf es hier ankommt. Wo man hier hinschaut befinden sich bis zum Horizont nur Felsen, die erschlossenen Areale findet man im Umkreis von max. einer Stunde Fußmarsch. Die Blöcke sind hauptsächlich wunderbare Graniteier mit oftmals steilem Start, sowie der Option eines sit down Starts.
Kann man dem scharfen indischen Essen durch genügend „continental food“ auf der Speisekarte noch ausweichen, so führt beim Bouldern kein Weg an den extrem scharfen Leisten vorbei. Sie reißen einem die Haut schneller von den Fingerkuppen als einem lieb ist, und fordern schmerzhaft regelmäßige Rasttage ein.
Über diese sind wir dann auch heilfroh, denn das bedeutet für uns endlich ausschlafen. Denn an den Klettertagen heißt es früh raus aus den Federn, um 6.00 oder 7.00 Uhr, um noch ordentliche Bedingungen vorzufinden. Denn in Hampi kraxeln nicht nur die Kletterer, sondern auch das Thermometer bis auf über 30 Grad.
Vielleicht sind die warmen Temperaturen mit ein Grund, neben der Lage im Süden von Indien mit der langen, umständlichen Anreise, dass es in Hampi verhältnismäßig wenig Boulderer gibt. Unserer Schätzung nach dürften sich während der Hauptsaison Dezember – Jänner nie mehr als etwa 50 Boulderer zugleich in Hampi aufhalten. Die weitaus größere Anzahl der Leute, die hierher kommen sind nach wie vor „normale“ Touristen.
Das Sandstein Klettergebiet Badami!
Nach drei Wochen fahren Petra und ich dann nach Badami. Die Stadt liegt fünf Busstunden entfernt von Hampi und inmitten großartiger Sandsteinfelsen. Wir sind die einzigen Kletterer in dieser typisch Indischen Stadt, mit Markt, engen Gassen und Schweinen die sich überall in den Müllhaufen tummeln. Zudem gibt es hier eine unglaubliche Dichte an Whiskey Shops, weshalb wir Badami kurzerhand die „Stadt des Whiskeys“ taufen. Nicht selten, als wir in der Früh zum Klettern gehen, treffen wir so manchen betrunkenen indischen Zeitgenossen, für den die Realität und vermeintliche Halluzination drastisch miteinander verschwimmt.
Der Sandstein hier ist erstaunlich fest, hat wunderbare Farben und Muster. In den drei Hauptsektoren „Ganesh Wall“, „Hermit Wall“ und „Badami deluxe“ gibt es Boulder, sowie geboltete, gemischte, und reine „trad“ Routen. Wer hier vernünftig klettern möchte muss ein ordentliches Rack mitnehmen.
Wir haben leider nur ein kleines dabei, und so bleiben uns die meisten Routen verwehrt. Sie stammen unter anderem von Leuten wie Arnaud Petit, Kurt Albert oder Helmuth Gargitter.
Zum Sportklettern gefällt uns der Sektor „Hermit Wall“ am besten, wobei die Routen in den oberen Graden oft sehr weite Abstände zwischen den Haken aufweisen. Zudem fehlt leider oft der erste Haken, sowie der zweite Haken am Stand am Ende der Route. Sie wurden von anderen Erschließern einfach abmontiert. Dies macht sie leider oft unkletterbar, bzw. macht das Abseilen auf nur einem Haken zu einer unnötigen Nervensache.
Wer also zukünftig nach Badami aufbricht, sollte netterweise einige Laschen, Schrauben und Seilschlingen mitbringen, um die Routen wieder zu komplettieren.
Zum Bouldern gefällt uns der Sektor „Ganesh Wall“ am besten. Hier gibt es viele wunderbare Probleme mit ganz unterschiedlichem Charakter. Am Ende des Sektors gibt es eine schöne 15 Meter hohe Wand, welche fest den ganzen Tag im Schatten liegt. Mit Hilfe des kleinen Racks bauen wir uns einige Top Rope Stationen auf, und klettern fast alle möglichen Linien.
Im Sektor „Badami deluxe“ werden wir mit der gemischten Absicherung überhaupt nicht warm. Das Konzept das sic dahinter verbergen soll ist uns unverständlich, denn oft gibt es nur einen Bolt am Anfang und danach keine richtige vernünftige Absicherungsmöglichkeit. Eigentlich schade, denn meiner Meinung nach würden mit nur wenigen Bolts mehr viele der Kletterer, welche nach Badami kommen und eben kein spezielles Rack mithaben, auch eine Chance haben die Linien zu wiederholen.
Bei Freunden in Bangalore!
Nach einer Woche in Badami kehren wir zurück nach Hampi, wo wir uns mit einer Gruppe von Indischen Kletterern anfreunden. Als wir schließlich alle unsere Projekte geknackt haben, neben wir ihre Einladung nach Bangaloe zu kommen an, und verabschieden uns aus Hampi.
In Bangalore quartieren wir uns bei unserem neuen Freund Rajesh ein, der uns viel über die Gebiete rund um die Stadt und die Kletterszene erzählt. Beim Besuch der 17 Meter hohen Kletterwand lernen wir dann auch gleich der Gruppe kennen und vereinbaren für den nächsten Tag, das Bouldergebiet „Thuralli“ zu besuchen.
Am nächsten Morgen geht es dann eine Stunde lang auf den Motorrädern rasant durch den irrsinnig dichten Verkehr, bis wir den Hügel am westlichen Ende der Stadt erreichen. Die Stimmung unter den indischen Kletterern ist sehr ausgelassen und gesellig. Lachend und schreiend geht es von einem Block zum nächsten und ich bin überrascht dass es hier doch viele schöne Probleme bis 7b+ gibt. Ich kann dann auch zwei Linien erstbegehen und freue mich in diesem Gebiet Spuren hinterlassen zu haben.
Die Granitdome von Ramanagar
Die nächsten Tage verbringen wir dann in „Ramanagar“, einem Granitgebiet 1 ½ Motorradstunden südlich der Stadt. Hier quartieren wir uns auf einem kleinen Bauernhof ein, hinter dem sich einige wunderbare Granitdome befinden, und schreiten auch gleich daran das Gebiet zu erkunden.
Am ersten Tag geht es zu einem „Sportklettersektor“. Wie ich dann aber feststellen muss, ist die Absicherung hier sehr unterschiedlich. 6mm Schrauben stecken hier in Expansionsgewinden, wobei aber leider einige am äußeren Ende des Bolts gut einen Zentimeter herausstehen. Die Umlenker bestehen dann auch oft aus eben nur einem dieser Bolts oder sind mit handelsüblichen Plastikschlaufen, wie von einer Schultasche, gesichert. Ich beschließe daher keine weiteren Routen in diesem Sektor mehr zu versuchen, und teile meinen Indischen Freunden meine massiven Bedenken hinsichtlich der Absicherung mit.
Es wird hier die Kluft zwischen dem Potential des Gebietes, der großen Motivation und dem Können der indischen Kletterer und der Erschwinglichkeit und Erhältlichkeit von gutem Material offensichtlich. Hinterlassen ausländische Besucher kein Material, oder bohren selbst Routen ein, gibt es keine Möglichkeiten Routen zu sanieren oder neue nach westlichem Standard einzubohren.
Am nächsten Tag klettern wir eine wunderbare Plattenroute, „Shanti“. Die Reibung ist perfekt, und dass muss sie auch, denn sehr weite Abstände verlangen sicheren Tritt weit über dem letzten Haken. Auf der Spitze des Granitdoms bietet sich uns dann ein wunderbarer Ausblick auf die Landschaft und die vielen weiteren Felsen, die noch darauf warten erschlossen zu werden.
Denn neben einigen wenigen Trad Routen (eine von Doug Scott!) gibt es nur mehr eine handvoll eingebohrter Mehrseillängen Routen.
Der anschließend geplante Trip ins Gebiet „Savendurga“ geht sich dann leider nicht mehr aus. Ich bin mir aber sicher, dass ich eines Tages zurückkommen werde, um auch dieses Gebiet zu sehen. Dann aber mit Bohrmaschine, Bolts und einem gut sortiertem Rack!
Ein lehrreicher Rückblick
Wer ein sehr interessantes, aber auch anstrengendes Land kennen lernen, und in einer völlig neuen Umgebung Klettern möchte, sollte nach Indien kommen. Für uns war die Reise nach Indien eine sehr lehrreiche, in sportlicher und kultureller Hinsicht. Egal, ob man nur eine Bouldermatte und Kletterschuhe, oder auch Seil und Gurt mit dabei hat, in jedem Falle sollte man eine Menge Geduld und Verständnis mitbringen. Ach ja, und eine ordentliche Reiseapotheke ! Nur für den Fall, dass die „bösen Omen“ auch für Euch Realität werden.
Die besten Gebiete in Hampi
Das beliebteste Areal ist „Hampi Island“. Hier finden vom Anfänger bis zum Hard Mover alle genügend Beschäftigung für viele Tage. Im folgenden habe ich eine rein subjektive Bewertung als Vorschlag zusammengestellt.
Anfänger:
- Rishimuk Plateau
- Egg Boulder
- Warm up Area (Forrest Department Cliff)
- Lands end
Alle diese Gebiete befinden sich auf Hampi Island.
Engagierte Boulderer:
- Rishimuk Plateau
- Hot Slaper
- Egg Boulder
- Sethwee Plateau
- Baba´s Café
- Give me five
- Kundalini rising
- Roof Area (neues Gebiet)
Hard Mover:
Für Hard Mover gibt es in vielen Sektoren Boulder bis 8a sowie unzählige Projekte.
Am „Sunset Plateau“ in Hampi Bazar selbst (innerhalb der Tempelmauern) darf nicht mehr geklettert werden.
Anreise nach Hampi:
Von Europa aus mit dem Flugzeug nach Delhi oder Bombay. Von dort jeweils mit dem Zug weiter nach „Hospet“. Von Hospet mit dem öffentlichen Bus für 6.- bis 8.- Rs. nach Hampi.
Kontakt Guesthouse „Goan Corner“:
+91 – 94 – 48 71 89 51 oder +91 – 94 – 48 21 26 21
Anfahrt Badami:
Von Hospet aus mit dem öffentlichen Bus für 80.- Rs in etwa 5 Stunden nach Badami. Auf der Hauptstrasse befinden sich einige Hotels.
Ein ausführliches Topo gibt es auf
Anfahrt Bangalore:
Mit dem Bus entweder direkt von Hampi oder von Hospet aus für 350.- bis 450.- Rs. nach Bangalore. Für die Suche nach einem Hotel empfehlen wir einen Reiseführer, am besten einen aktuellen „Lonely Planet 2006“.
Kontakt Bangalore:
Rajesh Shivanna [email protected]
Ausführliche Reise- und Gebietsinfos gibt es aktuell auf www.gerhardschaar.com
Ein Übersichtstopo von Hampi, ein ausführliches Topo von Badami, sowie Topos von Thuralli, Ramanagar und Savendurga folgt auf www.gerhardschaar.com (derzeit auf Weltreise) erst ab Herbst 2006, rechtzeitig vor der neuen „Indien Saison“!
Für spezielle Fragen steht der Author gerne zur Verfügung: [email protected]
Text und Bilder: Gerhard Schaar
Webtipp: www.gerhardschaar.com
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Risse, Friends und 9 Millimeter! über das Sandsteinmekka Indian Creek
Links zu den Sponsoren von Gerhard Schaar:
www.kelag.at www.sleeping-bags.at www.beal-planet.com www.austrialpin.at www.millet.fr
Wer Gerhard Schaar auf seiner Kletterweltreise – derzeit in Thailand - verfolgen möchte, kann dies auf seiner website tun: www.gerhardschaar.com
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