Ich hatte Kyparissi schon seit November 2014 im Kopf, als ich die unberührten Felsen oberhalb der kleinen, direkt am Meer gelegenen Ortschaft, zum ersten Mal sah. Seither verspürte ich den Drang, zurückzukommen und neue Routen an diesem perfekten Gestein zu erschließen. Ich konnte es kaum erwarten.
Als ich dann im Juni endlich in Kyparissi ankam, traf ich gleich den griechischen Kletterpionier Aris Theodoropoulos, um Information über die gigantische Wand zu bekommen. Er sagte, dass es oben im Sektor Babala nur wenige Routen gibt und die restliche Wand noch nahezu unerschlossen sei.
Als ich dann zum ersten Mal hinauf wanderte, wurden mir die Dimensionen und das Potential dieses Gebiets erst so richtig bewusst. Die Vielzahl an steilen und futuristischen Sinterlinien würde wohl jeden Kletterer ins Staunen versetzen. Ich war froh, dass mein Freund Bernie mich begleitete um mir bei der Erschließung der Routen zu helfen, was sich als sehr anspruchsvoll herausstellte. Es dauerte eine Weile bis wir uns entscheiden konnten, wo wir zuerst Hand anlegen wollten. Es fühlte sich an, als würden wir Rosinen aus einem Kuchen herauspicken. Zwei Linien stachen uns aber besonders ins Auge, ihnen widmeten wir unsere volle Aufmerksamkeit. Die erste ist etwa 35 Meter lang, sehr steil mit allen Arten von Sinterstrukturen. Die Kletterei kam mir sehr entgegen und trotz der sicheren Schwierigkeit von 8c, schaffte ich den Durchstieg in wenigen Versuchen. Die zweite jedoch entpuppte sich als viel schwerer. Weniger lang und nicht so steil wie die andere, entpuppte sie sich aber durch ihre komplexen Zügen an Sintern, Zangen und Leisten als mein neues Power Teststück. Bei meinem ersten Versuch schaffte ich viele der schwierigen Züge nicht, es brauchte ein paar Versuche, bis ich erstmals das Top erreichte. Ich machte über die Tage hinweg Fortschritte, aber vor allem die Tatsache, dass es in der Linie so sehr an Tritten mangelt, endeten meine Durchstiegsversuche immer wieder im Seil bendelnd. Tage vergingen und entweder die schlechten Sinter am Anfang, der komplexe Mittelteil oder der trickreiche Sinter am Ende hinderten mich stets am erfolgreichen Durchstieg. Es dauerte bis zum letzten Tag, an dem alles stimmte und ich superglücklich und mit voll gepumpten Unterarme den Umlenker einhängte. Ich entschied mich, die Route "Gloom of Triumph" zu nennen, als Erinnerung an meine großen Momenten in meiner Kletterkarriere. Ich schlage den Grad 8c+ vor, aber hoffe, Wiederholer teilen mir bald ihre Eindrücke mit.
Erst heuer habe ich die Leidenschaft, Routen zu erschließen, für mich entdeckt. Es ist eine völlig neue Erfahrung für mich, und auch wenn ich bislang nur eine Hand voll Routen erstbegangen habe, konnte ich schon spüren, was den Reiz ausmacht. Es ist etwas Besonderes, an unberührten Felsstrukturen als Erste Hand anzulegen. Abgesehen von der persönlichen Verwirklichung in Form einer neuen Route, ist es auch schön, damit etwas für andere Kletterer zu hinterlassen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kyparissi in Zukunft viele Kletterer sehen wird. Meiner Meinung nach besitzt der Sektor Babala einige der besten Sinterrouten, die ich je geklettert bin. Das fantastische Felsangebot und die Aussicht aufs Meer machen den 50 Minuten Aufstieg allemal bezahlt. Vor allem starke Kletterer finden dort ihre Projekte, aber in Kürze wird es sicher Routen in allen Schwierigkeitsgraden geben. In Kombination mit dem Meer und dem bereits bestehenden Klettergebiet in Leonidio ganz in der Nähe, wird sich Kyparissi meines Erachtens mit Sicherheit bald zu einer beliebten Kletterdestination entwickeln. Für mich war dieser Trip definitiv nicht der letzte, um konkret zu sein, fliege ich bereits morgen wieder hin, um beim Climbing Festival in Kyparissi dabei zu sein! Man sieht sich dort…
Alle Infos über Kyparissi findet ihr im neuen Greece Sport Climbing Kletterführer von Aris Theodoropoulos
Text: Angela Eiter
Fotos: Red Bull Contentpool / Luka Fonda
Kommentare