Krieg und Frieden
Von Problemen bei Gebietserschließungen, von abgeflexten Bohrhaken, von erbitterten Streitigkeiten zwischen Förstern bzw. Jägern und Kletterern hat wohl jeder von uns schon einmal gehört. Auch in den Foren auf bergsteigen.at wurden und werden darüber erbitterte Diskussionen geführt.
Nun ist es aber nicht so, dass am Fuß der Wand auch die österreichische Rechtsordnung endet. Im Gegenteil, das österreichische Wegerecht ist ein ausdifferenziertes Gebilde, dass versucht, die gegenläufigen Interessen der Benutzer von Wald und alpinem Gelände unter einen Hut zu bringen. Das dies nicht so einfach ist zeigt der folgende erste Teil des Wegerechts, der die materiellen rechtlichen Grundlage in einfacher und verständlicher Form darstellen soll. Der zweite Teil wird sich dann mit konkreten Sachverhalten beschäftigen.
Die Grundlage: § 33 Forstgesetz
Angelpunkt aller Diskussionen ist eine Bestimmung im österreichischen Forstgesetz - konkret § 33 Abs 1 - der es jedermann gestattet, den Wald zu Erholungszwecken zu betreten und sich dort aufzuhalten. Andere Tätigkeiten als zu Erholungszwecken bedürfen der Zustimmung des Waldeigentümers. Das Forstgesetz bzw. die Rechtsprechung legen auch gleich selbst fest, was nicht unter Erholungszwecke fällt: Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren, Reiten, Radfahren, etc. Aufstieg und Abfahrt von Tourenschifahrern sind dagegen gestattet. Auch wenn es manchmal nicht so aussieht: Klettern dient Erholungszwecken und erfüllt daher diese Voraussetzung des § 33 Forstgesetz.
Wenn es auch Ausnahmen vom Wegerecht gibt, kann man doch vereinfacht sagen, dass es Kletterern zumindest ohne weitere Einschränkungen erlaubt ist, sich im Wald - aber noch nicht auf den Felsen - frei zu bewegen. Der guten Ordnung halber: Auch in Zukunft dürfen wir über Waldschneisen zu den Felsen zusteigen, denn die sind vom Waldbegriff umfasst.
Gehört ein Fels zum Wald?
Nicht so einfach ist die Frage zu lösen, ob ein Fels unter den Waldbegriff fällt. Für den Laien eine seltsame Frage, für die Anwendung des Forstgesetzes entscheidend: Wo kein Wald da kein Forstgesetz. Für uns Ostösterreicher: Die Badener Kletterschule überragt den Wald kaum, fällt daher wohl unter den Waldbegriff. Wir dürfen uns dort auf den Felsen sozusagen "wegerechtlich" bewegen. Beim Peilstein wird man sich dagegen schon schwerer tun, oder gar bei den Adlitzgräben. Sofern es sich dabei nicht um "Wald" im rechtlichen Sinn handeln sollte, ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit des Kletterns aus Gewohnheitsrecht. Ob Wald oder Ödland, in beiden Fällen kommt man somit zu dem Ergebnis, dass Klettern gestattet ist. Davon ist aber noch nicht automatisch das Einbohren, Ausräumen und Wiederholen von Klettertouren umfasst:
Einbohren und Wiederholen von Klettertouren
Anderes könnte für das Einbohren von Touren und das Wiederholen von solchen eingebohrten Touren gelten, weil hier doch der Fels dauerhaft verändert wird. Überdies stellt das Einrichten von Touren auch eine "Einladung" an Wiederholer dar, die Route zu versuchen. Hinsichtlich dieser Frage hat Univ.Prof. Dr. Hinteregger mit überzeugenden Argumenten begründet, warum es trotzdem - mit den unten näher angeführten Einschränkungen - zulässig sein soll. Sie vergleicht das Klettern mit dem zulässigen Schitourengehen und dem unzulässigen Anlegen von Loipen. Gegen eine analoge Anwendung des Verbots Loipen anzulegen spricht ihrer Meinung nach die Unentgeltlichkeit (für das Wiederholen von Touren müssen wir nichts zahlen) und die niedrigere Frequenz bei Kletterrouten im Vergleich zu Loipen. Wenn auch letzteres Argument in vielbesuchten Gebieten nicht mehr sehr viel hergeben wird, so ist das Einbohren von Touren doch zulässig, weil vom Wegerecht umfasst.
Einrichten von Touren?
Unklar ist, inwiefern das Einrichten ("Ausräumen") von Klettertouren - Voraussetzung für modernes Sportklettern und insbesondere aus Sicherheitsgründen getan - von der Wegefreiheit umfasst ist. Letzteres dürfte meines Erachtens - sofern es den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt - zulässig sein. Das "Beschneiden" von Bäumen oder größere Erdbewegungen sind davon aber nicht umfasst und werden von Erstbegehern auch selten vorgenommen. Allgemeine Aussagen lassen sich hier nur schwer treffen, die Sache muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Nur der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass auch Dienstbarkeiten - also das Recht einen Klettergarten zu errichten und zu erhalten - ersessen werden können. Erläuterungen darüber würden aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Interessierte seien auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
Dr. Thomas Zivny
Einen sehr genauen Überblick über die sich aus dem Wegerecht ergebenden Rechtsfragen gibt Univ.Prof. Dr. Monika Hinteregger in Felsklettern und Grundeigentum, ZVR 2000, 110.
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