Seit einigen Wochen wird in der Wiener Kletterszene wieder intensiv über Routenbezeichnungen diskutiert (siehe auch dazu den bergsteigen.com Artikel "Klettertouren mit Nazinamen", die leicht als Codes für rechtsextreme Ideologien verstanden werden können. Historiker ordnen diese Bezeichnungen für Kletterrouten teils dem Vokabular des völkischen Nationalismus, teils Texten rechtsextremer Metal-Bands zu.
Im Herbst 2010 haben sich die alpinen Vereine Österreichs deutlich „von allen Routenbezeichnungen, die in der Wahrnehmung auch nur im geringsten einen Zusammenhang mit den vom Naziregime kreierten und verwendeten Namen herstellen könnten“, distanziert und an die Namensgeber appelliert, derartige Routenbezeichnungen „unverzüglich zu ändern“. Der Appell richtete sich im besonderen Maße auch an die Herausgeber und Verleger von Kletterführern. Auch manche renommierte Buchhandlung hat damals den Kletterführer „Keltenkalk 3“, der in der Kritik stand, aus dem Sortiment genommen.
Interventionen bisher ohne Erfolg
Der Führerautor und Erstbegeher zahlreicher Kletterrouten Thomas Behm hat sich damals von jeder ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus distanziert, die Änderung von Routennamen sowie die Schwärzung in der Restauflage des Führers versprochen.
Seit dem 2017 erschienenen „Buckelbuch“ von Thomas Behm ist diese Kritik in der Wiener Bergcommunity wieder verstärkt aufgeflammt und wurde durch die Ankündigung einer Neuausgabe des Kletterführers „Keltenkalk“ neu belebt. Einige Neubenennungen der letzten Jahre im alten Stil sorgen bei vielen Kletterern für Zorn.
Ein Gesprächsangebot seitens des Alpenvereins an die Erstbegeher über einen sensibleren Umgang mit den Routenbenennungen lehnten diese ab. Der Alpenverein zieht nun daraus die Konsequenzen und wird die betreffenden Kletterführer in den Wiener Geschäftsstellen nicht mehr verkaufen. Auch die Unterstützung der Erschließer durch Bereitstellung von Klettermaterial und Inserate wird, soweit dies nicht bereits geschehen ist, eingestellt.
Die seit vielen Jahrzehnten bestehende internationale Übereinkunft, dass Erstbegeher*innen die von ihnen erschlossenen Routen selbst benennen, stellt niemand in Frage. Der Alpenverein sieht aber in der Verwendung von Bezeichnungen, die wie in diesem Fall als rechtsextreme Codes verstanden werden können, einen Missbrauch und wird an deren Weiterverbreitung nicht mitwirken. So werden solche Routen im Tourenportal alpenvereinaktiv.com nicht aufgenommen.
Klare Worte der Wiener Alpenvereinssektionen
Der erste Vorsitzende des Alpenvereins Austria, KR Friedrich Macher, Prof., verweist auf die Geschichte des Alpenvereins: „Der Alpenverein geht achtsam und verantwortungsbewusst mit seinen Fehlern der Zwischenkriegszeit um. Benennungen von Routen, die in befremdlicher Art mit dieser Grundhaltung nicht in Einklang zu bringen sind, haben daher keinen Platz und finden bei uns null Toleranz.“
Mag. Philipp Graf, erster Vorsitzender der Alpenvereins Gebirgsverein, betont den internationalen Charakter des Klettersports:
"Als Bergsteiger*innen und Kletterer schätzen wir den Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten. Gemeinsam freundschaftlich und im respektvollen Umgang miteinander Erlebnisse zu teilen ist ein prägendes Merkmal dieser Community. Dieselbe Toleranz, der wir in der Ferne begegnen wollen, wollen wir auch daheim wiederfinden."
Auch aus dem Alpenvereinshaus in Innsbruck kommen klare Worte der Distanzierung, so von Martin Achrainer, Historiker im ÖAV: „Die Kletterszene ist zweifellos gewitzt genug, Alternativen zu politisch instrumentalisierten und auf eine menschenverachtende Ideologie verweisende Routennamen zu finden. Die Freude und der Geist des Klettersports, der Menschen und Kulturen verbindet, sollen durch solche Bezeichnungen nicht getrübt werden.“
Text: Pressemeldung Österreichischer Alpenverein
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