Der Mann, der Kilian Jornet in den Windschatten stellt, über Risiko, Rennvorbereitung, Geschwindigkeitsbergsteigen, Vorbildwirkung, Dokumentation und sein Seven Summit Projekt.
Allen war klar, Karl war hier, um das Red Fox Elbrus Race zu gewinnen. Ein Rennen auf den höchsten Berg Europas, den 5642 Meter hohen Mount Elbrus. Die Wettervorhersage für den Renntag war ambivalent. – 28° und 20 km/h Wind am Gipfel waren nicht unbedingt die besten Zutaten für einen Rekord. Doch Karl Egloff ist Bergsteiger und er mag schwierige Verhältnisse.
Speed Mountaineering DNA
Karl wurde als Sohn eines Schweizer Bergführers vor 36 Jahren in Quito auf 2850 Meter geboren und hat das Höhenbergsteigen quasi in den Genen. Als 15-Jähriger stieg er bereits regelmäßig auf die Fünf- und Sechstausender seiner ecuadorianischen Heimat, bevor er sich 2008 intensiv dem Mountainbike Rennsport verschrieb. Dabei tankte er die notwendige Kondition für seine Speed Begehungen. Karl machte aber auch auf Wunsch seines Vaters den Bergführer, um so vor seinen Speed Begehungen die notwendige Erfahrung zu sammeln und Respekt vor den Bergen zu gewinnen, denn nur so kann man in Extremsituationen mit den Gefahren richtig umgehen.
Rekord Virus
2012 wurde Karl Egloff zu einem Lauf auf den Cotopaxi, 5897m eingeladen und er verbesserte mit 1:15 den Rekord. Zwei Jahre später holte er sich den Rekord am Kilimandscharo und 2015 am Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas. Er nahm dabei dem bisherigen Rekordhalter Kilian Jornet über eine 1 Stunde ab und war spätestens jetzt im Focus der Medien. Nach dem Rekord am Elbrus (3300 Hm, 24,4 km, 4:20:45 rauf und runter) steht nächstes Jahr für Karl der Denali auf dem Programm, ein weiterer Meilenstein in Karl Egloffs Projekt, alle Seven Summits in Rekordzeit zu besteigen.
Karl lebt mit seiner Frau in Ecuador und hat einen kleinen Sohn. Er ist Bergführer, hat eine Tourismusagentur (www.cumbretours.com) und wird von Mammut und Movistar unterstützt.
Mehr über Karl Egloff findet auf Karls Facebook Seite
Interview mit Karl Egloff am 8.5.2017 in Azau/Elbrus (zusammengefasst)
(die LANGVERSION als Youtubeclip unten!)
Herzlichen Glückwunsch zum gestrigen Rekord, wie war das Rennen?
Es ist ein sehr anspruchsvolles Berglauf-Rennen, das nur wenig mit Trailrunning zu tun hat. Trotz der kurzen Distanz bist du immer am Limit, ums so mehr, wenn du die 5 ½ -tausender Grenze erreichst. Es war eines der strengsten Rennen, das ich je mitgemacht habe.
Die Verhältnisse waren sehr gut, bessere Bedingungen kann man hier fast nicht haben.
Das Ziel des Rennes war auf 5642 m, wie bereitest du dich auf so ein Rennen vor?
Ich habe das große Glück auf 2400 m zu wohnen. Ich habe Berge in der Höhe des Elbrus in unmittelbarer Nähe und bin als Bergführer gut dreimal im Monat auf diesen Höhen. Die Höhe ist daher nicht das große Thema. Am Elbrus ist es die Kälte, die wir so in Ecuador nicht haben. Auch die große Anzahl an Höhenmetern auf Schnee, 3300 Hm auf dem Gletscher bedeuten viel Stockarbeit und mir tut der ganze Oberkörper weh.
Dein großes Projekt sind die Seven Summits in Rekordzeit. Welche Berge sind hier die technisch schwierigsten?
Jeder Berg hat andere Schwierigkeiten, die man trainieren muss. Am Everest ist es definit die Höhe, am Mt. Vinson ist es saukalt. Beim Elbrus wusste ich, dass Kälte, Höhenunterschied und Stockarbeit ein Thema sind, bei Aconcagua war es die Distanz (60 km) und beim Kilimandscharo die Feuchtigkeit.
Hat sich bei den Speed Rekorden schon eine Distanz, ein Start und Zielpunkt, als Norm eingebürgert?
Für mich ist es ganz klar. Alle Seven Summits starten beim Nationalparkgate und enden auch dort. Die Anzahl der Kilometer zum Berg, auch wenn’s lang ist, das ist einfach unser Sport. Am Aconcagua, das war brutal, hatte ich 25 km alleine bis zum Basislager.
Bereitest du dich auf die Rennen mental vor und wie sieht diese Vorbereitung aus?
In Ecuador haben wir die Höhe und aggressives Gelände, aber keine Kälte. Deshalb trainiere ich das, indem ich bei Kälte mit wenig Ausrüstung am Berg bin. Wichtig ist auch bei einem Rennen im richtigen Rhythmus zu essen und zu trinken. Unterwegs hast du null Lust und du musst dich zum Essen zwingen.
Stichwort Trinken, gestern ist dir beim Rennen in der Abstiegsphase das Wasser ausgegangen und die anderen Teilnehmer hatten auch nur gefrorenes Wasser. Es war aber ein sehr gut organisiertes Rennen. Wie löst du so ein Problem, wenn du auf dich alleine gestellt bis?
Gute Frage. Man kann nicht alles wissen und ich lerne bei jedem Rennen dazu. Gestern hatte ich am Ende Krämpfe und musste mit Kopf durchrennen. So etwas darf mir am Everest natürlich nicht passieren, denn wenn du am Hillary Step zu wenig Wasser hast, bringt dich niemand mehr runter.
Das sind Sachen, die ich trainieren muss und deshalb habe ich das Projekt Everest auch an den Schluss meiner Karriere gesetzt.
Ein ganz wichtiger Punkt in deiner Sportart ist die Dokumentation. Wie dokumentierst du deine Rekorde?
Am Kilimandscharo hat die UNESCO protokolliert, am Aconcagua die Nationalparkverwaltung. Hier am Elbrus habe ich mir bewusst für meinen Rekord das Rennen ausgesucht, damit alles offiziell ist. Bei entlegenen Gipfeln muss ich selber jemanden organisieren und das GPS laufen lassen. Ich möchte alle Rekorde legal angehen und keine Lügerei.
Ihr rennt mit ganz leichter Ausrüstung auf die Berge und habt mit euren Rekorden Vorbildwirkung. Was empfiehlst du dem ambitionierten Durchschnittsbergsteiger?
Ich bin ein konservativer Bergführer und bestehe bei meinen Teilnehmern auf drei Schichten. Wenn ich dann selber auf einen Berg renne, bin ich ein schlechtes Vorbild. Ein schlechtes Vorbild heißt vielleicht ein bisschen mehr Erfahrung, ich kenne den Berg und die Route gut und mache keinen Speedrekord an einem Berg, den ich nicht 100%ig kenne.
„Wenn der Berg einen schlechten Tag hat, dann kehre ich um!“
Du musst dich mit dem Berg familisieren. Ich habe mit 7-8 Jahren mit meinem Vater das Bergsteigen und erst mit 30 Jahren das Speedbergsteigen in Angriff genommen.
Unser Trend ist heute, vieles zu überspringen. Versteht mich bitte nicht falsch, man muss zuerst die Berge besteigen, bevor man sie in Geschwindigkeit machen kann.
Reizen dich eigentlich auch Speed Begehungen an technisch schwierigen Berge, wie einer Eiger Nordwand?
Gefallen auf jeden Fall, aber ich selber habe mir versprochen, nicht in dieses Spiel reinzufallen. Die Kondition kannst du anhalten und dann stoppt die Uhr, aber in der Wand geht das nicht, denn da bringt dich die Gravitation runter. Auch wenn du alles unter Kontrolle hast, bleibt immer ein unkontrollierbares Restrisiko und an einer Wand kannst du dir das nicht leisten.
Dein Projekt heißt Seven Summits Speed. Macht das Kilian Jornet auch und seid ihr Konkurrenten?
Kilian hat fünf der 7-Summits auf seiner Projektliste und war auch schon zweimal hier am Elbrus. Die Rivalität durch die Medien ist natürlich da. Persönlich gibt es null Rivalität, wir chatten gemeinsam und – das möchte ich betonen – bei uns ist es kein Boxkampf, wir sind einfach so wenige, die dieses Speed Bergsteigen machen, da müssen wir zusammenhalten.
Wenn jemand einen Rekord bricht, dann ist das eine riesen Motivation. Wie hat er’s gemacht, wo war er schneller und was kann man besser machen.
Du bist der Top-Speed Bergsteiger, gibt es noch etwas, was du besser machen kannst?
Ich komme aus dem Bergsport und nicht aus dem Rennsport. D.h., ich bin bei großen Approximationen nicht der Schnellste. Es gibt aber immer Details, die man verbessern kann, und ich bin ein sehr kritischer Mensch. Gestern hatte ich am Schluss keine Kraft mehr und hatte das Gefühl, dass mir etwas Akklimatisation gefehlt hat. Auch hat mir eben das Wasser gefehlt. Das sind aber Peanuts, die du bis zum nächsten Seven Summit zu Hause trainieren musst.
Wenn das Details sind, worin liegt dann die Crux für so eine Leistung?
Ich denke, das ist die Liebe zum Berg. Wenn du so wie gestern -28° aufs Gesicht bekommst. Entweder scheißt dich das an oder du hast Gefallen an dem, und mir gefällt das. Ich bin Bergsteiger und muss mit den Launen des Berges umgehen. Wenn du das im Alltag trainieren kannst, dann ist die Rekordzeit nur die Probe von dem was du schon trainiert hast. Ich denke aber, dass man den Respekt vor dem Berg nie verlieren darf.
Wie ernährst du dich für so einen Rekordlauf?
Die Woche vor dem Rennen bin ich sehr vorsichtig, versuche Gewicht zu reduzieren und achte auf meinen Magen. Also keine Mayonnaise und ColaJ. Ich habe für dieses Rennen 2-3 Kilo abgenommen und beim Rennen selbst nochmal 2 kg.
Was machst du sonst, außer die Berge rauflaufen?
Ich kann von meinem Sport leben, muss es aber nicht, da ich als Bergführer, Agenturinhaber und Speedmountaineerer drei Standbeine habe. Ich führe so ein balanciertes Leben.
Gibt’s noch etwas, das du dem Bergsteiger mitgeben möchtest?
Mein Vater ist ein klassischer Bergführer. Er hat gehasst, dass ich auf die Berge renne und hat mich so aufgezogen, dass ich den Respekt vor den Bergen nie verliere. Er hat mir gesagt, dass ich zuerst den Bergführer machen muss, um genug Flugstunden (Erfahrungen) zu haben. Heute ist er ein großer Fan von mir.
Wir machen beim Speed Bergsteigen nichts falsch, brechen keine Tradition. Wir machen es in unserem Stil, aber mit dem vollsten Respekt.
Herzlichen Dank, Karl für das Gespräch und weiter viel Erfolg!
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