Ein Nachruf von Walter Laserer
Es war irgendwann gegen Ende der 80er Jahre. Wir waren begeistert vom Gleitschirmfliegen und verbrachten unsere ersten Expeditionen in den Anden Perus. Nachdem meine Freunde zurück nach Europa mussten, blieb ich noch einige Wochen in Huaraz und Umgebung. Mit Glen Dunmire aus Colorado erlebte ich so manche Bergabenteuer und auch gemeinsame Gleitschirmflüge. Später lud mich Glen ein, gemeinsam einen Trip zu unternehmen. Leider ist daraus nichts geworden – zu sehr war ich mit dem Aufbau von Laserer alpin beschäftigt. Der Trip wäre nach Patagonien gewesen, wo Glen gemeinsam mit Jim Bridwell und Jay Smith eine Erstbegehung des Desmochada über die Route El Condor Pasa gelang.
Jim Bridwells Vater war Pilot, zuerst beim Militär und später bei Pan Am. Bedingt durch viele Umzüge der Familie hatte er oft Probleme Anschluss zu finden und fühlte sich erst in seiner Zeit im Yosemite in der Kletterszene so richtig anerkannt. In den 15 Jahren, die Jim Bridwell im Yosemite verbrachte, gelangen ihm unzählige Meilensteine und Touren, die noch heute zu den ganz großen Klassikern der ganzen Welt gehören. Z. B. am Cookie Cliff die Routen Nabisco wall oder Outer Limits, Butterfinger oder Wheat thin, die erste Route im Grad 5.11 (solider 8 er). Selbstverständlich setzte er auch Meilensteine im Bigwall-Klettern im Valley, mit Routen wie „Triple Direct“, „Pacifik Ocean Wall“ oder „Zenyatta Menatta“ u.v.m..
Die wohl erste „Speed-Begehung“ eines Big Wall – der Route „Nose“ an einem Tag war wohl der Höhepunkt dieser Zeit.
Neben diesen extremen Klassikern hat Jim Bridwell auch gemäßigte Ultraklassiker im Yosemite, wie etwa die „Snake Dike“ am Half Dome (V+) oder das „Braille Book“ am Cathedral Rock, erstbegangen.
Anfang der 60er Jahre kletterte Jim Bridwell mit Legenden wie John Sacherer, Royal Robins, Chuck Pratt oder Layton Kor. Später benannte er seinen Sohn nach Kor – Layton. Seine späteren Partner wurden allesamt selbst zu Legenden, wie etwa John Bachar, John Long und andere.
Mit einigen anderen Kletterern gründete er mit YOSAR, eine Art Bergrettung im Yosemite Valley. Weiters begann er als einer der ersten Kletterer im legendären Camp IV hinter dem Columbia-Boulder systematisch für das Klettern zu trainieren.
Anstatt wie viele andere Kletterer mit rund 30 Jahren das Metier zu wechseln und in einen „zivilen Beruf“ umzusteigen, um damit einer bürgerlichen Existenz frönen zu können, entschied sich Bridwell beim Bergsteigen zu bleiben. Da er auch begeisterter Skifahrer war, konnte er den Winter über in Squaw Valley als Ski Patroller Geld verdienen und machte auch schon 79/80 die Ausbildung zum AMGA Bergführer. Immer wieder war er auch als Bergführer bis in den Himalaja unterwegs.
Aufgrund seines Lebensstils mitten in der Hippie-Bewegung der 60er und 70er Jahre in Kalifornien, blieben natürlich auch diverse Drogenexzesse nicht aus. Legendär etwa ist der Streit mit John Bachar und Mike Graham im Basislager des Cerro Torres anlässlich der Expedition zur Erst- (oder eben Zweit-) Besteigung dieser Granitnadel in Patagonien. Jim Bridwell konsumierte derart viel LSD, dass seine Partner zum Schluss kamen, es wäre zu gefährlich zu klettern und entnervt die Expedition abbrachen. Jim Bridwell lernte bald darauf noch in Patagonien Steven Brewer kennen und bestieg kurzerhand mit ihm erfolgreich den Torre.
Natürlich war Jim Bridwell auch in den Alpen aktiv. Es gelangen ihm in Chamonix Routen wie „Das Leichentuch“ an der Grand Jorasses und die klassische Eiger-Nordwand im Berner Oberland.
Kein geringerer als Bradford Washburn, der „Kartograf der Alaska Range“ und Erstbegeher der klassischen W-Buttress-Route am Mt. McKinley, bezeichnete die N- Wand des Mooses Tooth in der Alaska Range als das „letzte große Problem“ in den Bergen Alaskas. Jim Bridwell gelang die erste Route durch diese imposante kombinierte Riesenwand. Übrigens hat auch vor einigen Jahren David Lama eine gewaltige direkte Route in dieser Wand erstbegangen.
Weniger ruhmreich verlief die Karriere Jim Bridwells als Leiter von großen Expeditionen. Aufgrund seines Rufs ein sehr sturer und eigensinniger Charakter zu sein, wurde er kaum zu Expeditionen eingeladen. Die große Expedition zum Mt. Everest-Westgrat 1985 endete mehr oder weniger chaotisch. Offenbar lag es Bridwell weniger, riesige Mengen an Ausrüstung und übergroße Teams zu managen. Er selbst sprach nach dieser Expedition von „Dilettanten am Everest“.
Im Winter 1982 gelang ihm dafür mit einem kleinen Team die Südwand des Pumo Ri, 7.145 m, erstzubesteigen.
1988 dann ein weiterer Meilenstein in Patagonien. Die Route „Exocet“ am Cerro Standhardt ist heute einer d e r Klassiker im Gebiet.
Neben der Bergsteigerei beschäftigte sich Bridwell auch mit philosophischen Gedanken. So behauptete er, dass er schon im Alter von 17 Jahren von den „Rosenkreuzern“ aufgenommen worden sei, einer mystischen Sekte über metaphysische Kräfte der Weltherrschaft. Ein weiteres philosophisches Element seines Denkens bildete das 2097 Seiten starke Buch „Urantia“, bei dem es um die Zusammenhänge zwischen Religion, Gott, Engeln, Menschen und dem Paradies geht.
Am 16. Februar starb Jim Bridwell an einem Leberschaden, den er sich von einer Hepatitis-C-Erkrankung bei Tätowierung anlässlich einer Borneo Durchquerung zuzog.
Text: Walter Laserer
Einen schönen Nachruf von Horst Jobstraibitzer findet ihr auch hier foxality.org/community/blogs/jim-bridwell-1944-2018
Kommentare