Neue anspruchsvolle alpine Sportkletterei in der Dachl Nordwand
Gesäuseperle 8a/E8, 9 SL, 325m
- · Erschließung: 2013 von Reini Schirl und Robert Roithinger im Vorstieg mit olts und Friends,
ohne vorheriges Erkunden eingerichtet. - · Erster Rotpunkt durch Robert und Reini im Juli bzw. Oktober 2014.
- · Perfekte alpine Sportkletterei im allerbesten Gesäuse Kalk.
- · Durchgehend anspruchsvolle Kletterei, die Engagement, Konzentration, einen guten Schuh und
Präzision beim Klettern verlangt. Auch in den schweren Längen finden sich immer wieder gute
Rastpunkte, die man nutzen sollte, da die Kletterei sonst ziemlich pumpig wird. - ·· Zustieg: Über den Dachlvorbau wie zur Dachl Nordwand oder zum Buhlweg. Vom Haindlkar
Parkplatz ca. 3 Stunden. - · Abstieg: Am besten über die Anima Mundi Abseilpiste in ca. 1h bis zum Rucksackdepot/Einstieg.
Dann noch 4 weitere SL abseilen und den Vorbau abklettern. Es kann auch über die Route
abgeseilt werden. Dabei müssen teilweise BH eingehängt und Stände angependelt werden.
Das ist nicht so bequem wie über die Anima Mundi abzuseilen. - · Material: 15 Express, 50er Seile, Cams 0.5-2.5", Helm, Schlingen
Die ganze Geschichte
von Robert Roithinger
Die Idee für diese Linie liegt schon viele Jahre zurück. Reini sind bei seiner frühen Begehung der Anima Mundi bereits die steilen Platten links davon aufgefallen. Als er mich dann 2006 bei der Rotpunkt Begehung der Anima Mundi gecoacht hat, haben wir schon beim Klettern und dann auch beim Abstieg über eine mögliche Linie zwischen Buhlweg und Anima Mundi gesprochen. Irgendwo beim markanten Wasserstreifen, zuerst durch die gelben Dächer und dann über die geilen Platten könnte es möglich sein. Beide hatten wir die Linie also schon seit Jahren im Auge.
Als ich Walter die Linie einmal vorgeschlagen hatte war sein O-Ton:
„Geh, so weit auffi. A so a Zahrarei! Na do bin i scho zs’oid dafia. Suach da an aundan.“
Was ihn aber heuer nicht daran gehindert hat, die Megamauer am Hochtor fertig einzurichten und alle Längen zu punkten. Also scheinbar doch noch nicht zu alt für den Blödsinn….;-)))).
Reini war dann gleich begeistert und somit der richtige Partner für die neue Dachl Linie gefunden. 2012 musste ich mich noch zurückhalten, um meine Schulterverletzung sauber auszuheilen. Dafür trainierte ich brav und schupfte Stahl.
Im August 2013 ist es dann endlich soweit. Bevor wir losklettern können, müssen wir zuerst unser Bohrzeugs und sonstige Ausrüstung 3h, über teilweise unangenehmes Schrofengelände, unter die Nordwand schleppen.
Gleich am ersten Tag haben wir ein großes Fragezeichen zu lösen. Was würde uns wohl in der Überhang- und Dachzone erwarten? Gibt es da ein Durchkommen?
Aber es geht gut voran und die Dächer lösen sich genial auf. Tolle ausgesetzte Kletterei, anhaltend und ohne allzu schwere Einzelstellen. Und so können wir am ersten Tag 2½ neue Längen klettern.
Wenige Tage später sind wir wieder vor Ort um weiterzumachen. Geniale, spannende Kletterei in allerbestem Fels und immer wieder gute Cliffpositionen um einen Bolt reinzudrücken, aber wenig Möglichkeiten für Cams. In der 6. Länge werden die Strukturen kleiner und ich muss mich für links oder rechts entscheiden. Ich wähle rechts. Microgrifferl und -tritterl, nix zum Cliffen prägen den Weiterweg. Ziemlich unangenehmes Gelände. Ich muss sogar, was ich sonst eigentlich nicht mache, in der Schlinge eines Bolts stehend, den nächsten bohren.
Hmmm – viel zu schwer, so weit abseits der Zivilisation. Und so inhomogen. Vorher alles super zum Klettern und jetzt, auf 10 Metern 8b+ oder gar mehr? „Na ja, schau ma mal“.
Immerhin konnten wir in den nunmehr 3 Klettertagen das große Band, ca. 2 SL unterhalb des Gipfels, erreichen.
Beim nächsten Antritt seilen wir vom Gipfel über die Anima Mundi bis zum großen Band, von wo wir unseren Umkehrpunkt einfach erreichen können. Dadurch ersparen wir uns, die Maschine und die Bolts ein weiteres Mal durch die ganze Wand zu schleifen.
Die Länge vom Band weg, fordert mich gleich ganz ordentlich und endet nach dem fünften Bolt in einer Sackgasse. Nach etwas hin und her baue ich 2 Bolts wieder ab und versuche es weiter links. Und siehe da, geht ja.
Reini startet in die letzte Länge. Ein unangenehmer offener Riss. Den Cliff im Seituntergriff, mit voller Körperspannung auf Zug – zing - mehrfach fliegt er mit der Maschine im Anschlag an mir vorbei, bis er endlich den ersten Bolt reindrücken kann. Nach 4 Bolts hartem Kampf macht sich Ernüchterung breit. Schon wieder viel zu schwer. Reini beginnt nach einer Lösung zu suchen. Und tatsächlich, ca. 10 Meter weiter links fügen sich ein paar Schüppchen und Löcher zu eleganten Moves zusammen!
Und wieder haben wir eine perfekte Länge im Sack - nicht gleich aber mit etwas Geduld.
Wau, dann sind wir also durch!
Doch was machen wir nun mit der Passage in der 6. Länge? Denn natürlich ist unser Ziel, alle Längen zu punkten. Also entweder wild herbouldern oder doch noch eine andere Lösung finden?
Da noch Zeit ist, lässt mich Reini vom Band in die 6. Länge runter. Ich suche rechts der zuvor gekletterten Linie, putze Griffe, taste Löcher und Strukturen ab, probiere Stellen zu entschlüsseln. Pffff…. auch alles sauschwer und um nichts leichter, als das schon gekletterte. Fast gebe ich auf, besinne mich aber an die Stelle, wo ich mich für rechts entschieden hatte. Links ist es zwar deutlich steiler, aber es tun sich Strukturen auf. Wieder eine glatte Passage, aber diese hat ein paar Fingerlöcher und Warzen zum Steigen.
Wie immer ist es schon wieder spät und Zeit zum Abseilen.
Es ist beschlossene Sache, die Passage in der 6.SL in einem weiteren Tag von unten zu probieren und zu schauen, ob sich das besser klettern lässt. Wieder gibt es perfekte Strukturen zum Cliffen und die neue Linie ist rasch eingerichtet.
Die Bolts der rechten Variante bauen wir auch gleich ab.
Wir bouldern noch ein wenig in der geänderten Länge. Das ist eine verdammt steile Wandstelle und die Löcher muss man voll her pressen und aktiv halten. Nach 5 Moves sind wir immer völlig gepumpt und müssen rasten. Oijegerl, das wird auf Durchstieg ziemlich zackig! Oder sind wir so schwach?
Das Jahr gönnt uns noch einen Bouldertag, aber schon die 4.Seillänge, mit 50m, geschätzt 7c+, fordert unsere Merkfähigkeit bis auf‘s Äußerste. Der früh einsetzende Winter beendet unsere Bemühungen einer Rotpunkt Begehung.
2014 ist der erste Tag in der Route ziemlich ernüchternd. Wie war das doch gleich? Welchen Tritt, wie ansteigen? Das Locherl, wie teilen? Nach und nach fügen sich die Stellen aber wieder zusammen und wir bekommen ein Gefühl für die Moves und die Längen verlieren langsam ihren Schrecken. Es gibt zum Glück immer wieder gute Raster, man muss sie aber nutzen!
Zweimal sind wir gemeinsam drinnen, einmal begleitet mich Stefan Brunner, der gleich eine super Figur in der anspruchsvollen Kletterei macht.
Die Schlüsselpassagen können wir mittlerweile so gut wie immer klettern. Es ist also nur noch eine Frage des richtigen Tages, mit der passenden Tagesform!
Es ist Mitte Juli und es ist mein Vorstiegstag.
Die Längen bis zum Ringband laufen alle wie am Schnürchen. Kein Stress, alles souverän und locker. Erst am allerletzten Tritt der vorletzten Länge (7c) zieht es mir den Schuh vom Reibungstritt. Vielleicht hat da die Erleichterung, es geschafft zu haben, eine Sekunde zu früh eingesetzt. Aber kein Problem, es ist noch mehr als genug Zeit, die Sonne ist auch noch nicht ums Eck gekommen. Es ist noch kühl und der Gripp gut.
Nach kurzer Rast steige ich ein und spaziere locker den langen Linksquergang rüber. Circa 10m links vom Bolt bricht ein kleiner Zacken unter den Fingern und es dreht mich raus. Der Sturz scheint kein Ende zu nehmen. Es geht runter und runter, dann pendle ich rüber und klatsche mit den Füßen voran in die Verschneidung. Verflucht tut das weh. Reini lässt mich aufs Band runter. Ich ziehe mir die Schuhe aus und stelle erleichtert fest, dass nichts gebrochen oder gerissen ist.
Ich versuche mich zu beruhigen und wieder zu sammeln. Nun ist auch die Sonne rübergekommen und es wird ziemlich warm. Aber da muss ich jetzt durch. Unter Luftanhalten quetsche ich meine Füße in die Slicks und klettere weg – es schmerzt! Zum Glück muss ich mich so konzentrieren, dass ich die Schmerzen vergesse. Mit voller Motivation knalle ich an der letzten Stelle die Griffe her und presse die Schuhe auf die Unebenheiten. Als ich am Stand die Schuhe ausziehe, geht mir kurz der Kreislauf weg. Die letzte Länge spule ich als Pflichtaufgabe runter.
Die Freude über den Rotpunkt kann ich nicht so recht genießen, denn schon die paar Schritte vom Ausstieg zur ersten Abseilstelle der Anima Mundi sind eine Qual. Ich kann eigentlich nur mehr auf den Zehenspitzen gehen. Die Fersen schmerzen wie die Hölle. Das Abseilen ist schnell erledigt, aber die Angst vor dem Rest des zweieinhalb stündigen Abstiegs bedrückt mich.
Unterhalb des Vorbaus haben wir die Stöcke deponiert und Reini packt das Meiste in seinen Rucksack. Mit Hilfe der Stöcke quäle ich mich durchs Haindlkar und denke an den Mario Strimitzer, der sich damals im „Südwind“ die Ferse geprellt hatte und der vom Hubschrauber geholt wurde. Wie würde ich mir das jetzt wünschen! Aber diese Blöße gebe ich mir nicht….knurrrr…..
Ich hatte Glück mit meiner Begehung, denn das war am letzten Tag vor der Abreise in den Sommer-Familienurlaub am Meer und der Beginn der Regenzeit.
Der Muskelkater in den Wadeln und Fußsohlen vom Gehen auf den Zehenspitzen und im Trizeps von den Stöcken ist fatal. Ich brauche 3 volle Tage um mich halbwegs zu erholen, komme morgens kaum aus dem Schlafsack und fühle mich richtig alt.
Reini ist voll fit, hat die Moves drauf und spitzt auf stabiles Wetter. Er könnte jeden Tag nutzen, immer bereit, aber es ergibt sich keiner. Im August klettern wir trotzdem zweimal rein, aber jedes Mal sind die ersten 10m der 4. Seillänge waschlnass. Reini ist die Passage im Nassen zweimal durchgeklettert, aber mit den nassen Schuhen hat es ihn dann in der Passage danach, von den Reibungstritten gezogen. Plattenkletterei mit nassen Slicks geht sogar mit Reinis Motivation nicht. Ich konnte im Nachstieg und natürlich etwas reduzierter Motivation, die nassen Passagen überhaupt nicht klettern. Einmal habe ich sogar das Prusikschlingerl gezückt, um im Nachstieg über das rutschige Zeug rasch rauf zu kommen.
Reini ist völlig frustriert und hat Ende September die Hoffnung schon aufgegeben, noch einen ausreichend warmen und trockenen Tag zu bekommen.
Aber was der Sommer nicht hergegeben hatte, das schenkt ihm der Herbst!
Mitte Oktober passt es dann doch noch einmal. Die Temperatur ist wärmer als an manchem Tag im Hochsommer, es ist trocken und der Gripp perfekt. In der Schlüsselseillänge wird es aber noch einmal ziemlich spannend. Nach einem Fehler und einem weiteren, total verkorksten Versuch, gelingt sie erst im 3. Anlauf. Die Zeit drängt, denn die kurzen Tage reduzieren den zeitlichen Spielraum und er muss weiter. Mit Krämpfen in den Händen wird die nächste, eigentlich leichtere Länge, eine knappe Angelegenheit. Nun steht aber noch die lange 7c bevor. Nach einer kurzen Pause und nochmaliger Konzentration gelingt diese aber souverän.
Es ist vollbracht.
Unserer Meinung ist die „Gesäuseperle“ die mit Abstand beste Kletterei in den Nordwänden. Sie ist um eine Spur schwerer als der „Superwichs“ und von der Felsqualität noch einen Tick besser. Und die gehört bei „Superwichs“ schon zu den besten Routen, die ich bisher geklettert bin.
Natürlich: „Jeder Krämer lobt seine Ware“, aber man muss schon in die besten Routen der Wendenstöcke, um diese Qualität zu bekommen!
Und das Gesamtpaket ist so gut, dass uns wenig vergleichbare Routen einfallen.
Mal sehen was die Wiederholer dazu meinen, wir wünschen viel Spass und Erfolg!
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