Mitte Januar gelangen Simone Porta (I) und Marcel Schenk (CH) die vierte Winterbegehung der Via degli Inglesi in der Ostwand des Pizzo Badile 3308 m.ü.M. Sie waren die erste Seilschaft, welche die Route im Winter an einem Tag kletterten und Marcel realisierte, dass die Verhältnisse in der Wand ausgesprochen gut sind.
Für Anfang Februar habe ich mich für 3 Tage mit David Hefti verabredet. Mit ihm konnte ich schon einige schwierige Projekte realisieren und wir sind ein eingespieltes Team. Da der Schnee im Winter 2023 immer noch auf sich warten liess und die Arbeit als Bergführer je nach Region schwieriger oder sogar unmöglich war, fand David meinen Vorschlag, die Route Corti-Battaglia zu versuchen, super.
Die Route wurde am 17.+18. August 1953 von Claudio Corti und Felice Battaglia in zwei Tagen erstbegangen. Dabei wurde Battaglia am zweiten Tag von einem Blitz getroffen und stürzte ab. Corti erreichte allein den Gipfel und er benannte die Route nach seinem verunglückten Begleiter.
Über die Route gibt es nicht sehr viele Informationen, jedoch widersprüchliche Topos.
Da es sich um die erste Route dieser Wand handelt und diese mit dem Material von 1953 geklettert wurde, gingen wir davon aus, dass die Erstbegeherdie schwächste Stelle in der Wand nutzten und wir diese auch finden würden.
Nach ein paar Whatsapp`s trafen wir uns am Montag, 13. Februar im Engadin und fuhren gemeinsam ins Bergell. Wir brachten das Material Richtung Wandfuß. Dies war jedoch schon eine anstrengende Angelegenheit. Es lag wenig Schnee und wir mussten die Skier und die gesamte Ausrüstung weit tragen. So waren wir erleichtert und zuversichtlich als wir am späten Nachmittag die Vorzüge des Winterraumes genießen konnten.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 3:00 Uhr und wir standen leicht verkrugelt auf. Nach einem stärkenden Kaffee ging es kurz nach 3.30 Uhr los Richtung Einstieg. Die Nacht war sternenklar, es war nichts zu hören außer unserem eigenen Atem und dem Knirschen des Schnees bei jedem unserer Schritte.
Nach zweieinhalb Stunden standen wir am Bergschrund und rüsteten uns mit Steigeisen, Pickel und Seil aus. In einer weiteren Stunde erreichten wir den eigentlichen Einstieg unserer Route. Die Nacht wich der Dämmerung und die erste Seillänge forderte schon einiges an Kletterkönnen ab.
Wir kamen gut voran und in Wechselführung erreichten wir die Stelle, an welcher die Via degli Inglesi gerade weiter verläuft und unsere Route nach links abzweigte. Bis hier war der Routenverlauf klar. Nun betraten wir Neuland.
David ging die Traverse in der vierten Seillänge an. Vom Standplatz aus beobachtete ich ihn und realisierte aufgrund seiner Kletterbewegungen, dass es nicht einfach ist. Im Nachstieg wurde mir wieder bewusst, warum ich solche Unternehmen mit David teile.
Die Kletterei ist beinahe senkrecht, die Pickel finden guten Halt, für die Steigeisen gibt es jedoch nur wenige Unebenheiten als Haltepunkte. Zum Glück konnte in einem Riss gut gesichert werden und David hatte einen soliden Standplatz gefunden.
Die nächsten Seillängen führten uns über vereiste Platten und Verschneidungen weiter Richtung Gipfel. Ein markanter Haken, der von den Erstbegeher stammte und in allen Beschreibungen erwähnt wird, gibt uns die Sicherheit, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir sind begeistert von der Kletterei und genießen den sehr fordernden Aufstieg.
Im oberen Teil der Wand erwarteten uns nochmals einige schwierige Kletterpassagen. Dabei gab es zwei aufeinanderfolgende Seillängen, die zu den Besten gehören, die ich je geklettert bin. Eine halbmondförmige Verschneidung brachte uns an den Fuß eines senkrechten Kamins, welcher mit Eis gefüllt war. Anspruchsvolle Kletterei, welche jedoch solide mit mobilen Sicherungsgeräten abgesichert werden kann, lässt unser Bergsteigerherz höherschlagen.
Wir sind schon mehr als 13 Stunden unterwegs, als wir um 16:00 Uhr am Ostgrat rund 50 Höhenmeter unter dem Gipfel aussteigen. Die Sonne schien in unsere strahlenden Gesichter und wir genossen diesen kurzen, sehr intensiven, Moment. Wir hatten noch zwei Stunden Tageslicht und uns erwartete noch ein anspruchsvoller Abstieg. Daher entschieden wir auf den Gipfel zu verzichten. Diese Entscheidung fiel uns nicht ganz einfach. Wir kannten jedoch die aktuellen Verhältnisse und wussten, dass uns der Abstieg nochmals unsere volle Konzentration erfordern wird.
Nach einer kurzen Stärkung starteten wir den Abstieg über das Colle Cengalo zurück zum Skidepot. Bei einer traumhaften Abendstimmung und baldiger Dunkelheit erreichten wir gegen 19:30 Uhr Bondo und stießen wenig später beim Tankstellen Shop mit einem Bier auf unsere Tour an.
Wir sind begeistert, was unsere heimatlichen Berge hergeben. Über die ganze Route haben wir sechs Schlaghaken gefunden, wovon die meisten von den Erstbegeher stammen. Für uns ist klar, dass die besten Abenteuer und Herausforderungen direkt vor unserer Haustür zu finden sind und wir das Beste aus dem aktuellen Schneemangel machen wollen. Dafür brauch es einfach Geduld und Kreativität und kein Flugticket ans andere Ende der Welt.
Text Marcel Schenk; Fotos: David Hefti und Marcel Schenk
Webtipp: Go Vertical
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