Silbergeier- Ende einer Trilogie, oder Anfang einer unendlichen Geschichte
Geschafft! Obwohl mich das Wetter auch dieses Jahr mit unglaublicher Hartnäckigkeit aus zu trixen versuchte, konnte ich die Gutwetterphase zwischen 27. August und 5.September erfolgreich nutzen.
Anfang August salutierte ich das erste mal am Fuße des Schweizer Tors. Mein Kamerad und Alpinheld Flo, seines Zeichen Gruppenführer des Team „Chaos“, scheint zwar immer wieder unverwüstlich, aber der Schnee am Einstieg setzte uns schon ordentlich zu. Auch wenn wir nach dem Schrofenband gut aufgewärmt schienen, bekamen wir unsere Klupperl beim besten Willen nicht in Betriebstemperatur. Vielleicht muss man hier auch ergänzen, dass sich die Griffgröße und auch der Stachelfaktor der Tropflöcher in der ersten Länge – immerhin ein glatter Zehner mit 40 Höhenmetern - nicht gerade besonders gut zum Einklettern eignen. Also brachen wir unseren enthusiastischen Vorstoß ab und verschanzten uns in meinem neuen Boulderkammerl in Salzburg. Völlig schockiert lauschte ich den Meldungen im Radio: Etliche Murenabgänge in Tirol und in der östlichen Schweiz fährt man mit dem Ruderboot zur Arbeit! Wer schon einmal die 14km von Schiers über Schuders zur Grüscher Alp hochgefahren ist, kann erahnen, welche Alpträume mich zu diesem Zeitpunkt heimgesucht haben.
Am 27. August trieb mich dann doch der Lagerkoller wieder gegen Westen. Flo hatte sich inzwischen in sichere Gefilde zurückgezogen. Er hatte etwas Persönliches mit einer gewissen „Femme Blanch“ in Ceúze zu klären.
Auf dem Weg nach Schuders versuchte ich liebevoll meinem VW Golf zu erklären, sich doch auf seine alten Tage hin nochmals wie ein Touarek zu fühlen. Wenn er auch (unbeabsichtigt) ein wenig tiefer gelegt ist, kämpfte er sich treu wie immer durch die halb vermurrte Strasse, die für wenige Stunden geöffnet war. Etwas später rächte er sich nochmals gleich mit zwei „Potschn“! Das ist aber eine andere Geschichte...
Flo und ich hatten schon ein paar Fixseile installiert, an denen gesichert ich noch am selbigen Tag mit dem Ausbouldern beginnen wollte. Jedoch nachdem ich mühevoll Zelt und Proviant (und meine Bettmatratze) die letzten 500m des völlig vermurrten Weges hochgeschleppt hatte, fing es zum Regnen an. Kein Problem, denn der Wetterbericht für den folgenden Tag war gut und ich konnte ein paar Stunden Schlaf gebrauchen und meinen Schlachtplan nochmals durchgehen. Meine Motivation am nächsten Tag hielt sich aber in Grenzen, denn es schüttete was das Zeug hielt.
Am Tag darauf war es dann endlich soweit, ich durfte endlich an die Front. Doch musste ich mit Entsetzten aufs neue feststellen, dass Alpinklettern und Indoorbouldern zwei völlig unterschiedliche paar Schuhe sind. Schon nach wenigen Stunden musste ich mich geschlagen geben und ohne großen Triumphe zum Rückzug blasen.
Am nächsten Tag konzentrierte ich mich auf die zweite Zehnerlänge (5.SL), wo ich schon ein Monat zuvor einen wichtigen Untergriff ausgerissen hatte. Ich durfte zu meiner besondern Aufbauung feststellen, dass ich es hiermit geschafft hatte, aus keiner Schlüsselstelle, die nun eigentliche Schlüsselstelle gebastelt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt rückte mein Ziel in weite, weite Ferne.
Glücklicherweise traf ich beim Abstieg Beat und Christine, die auch nahe der Grüscher Alp nächtigen wollten. Wir widmeten uns diesen Abend einem köstlichen Abendessen, ein paar Flaschen Rotwein, ein Haufen guter alter Kletterstories und was sonst noch so dazu gehört..
Ein Rasttag war die natürliche Konsequenz und ich konnte mir eine neue Angriffstakitk für mein Silbervogerl überlegen.
Mittwoch konnte ich zum ersten mal richtige Erfolgserlebnisse verzeichnen, welche auch die entscheidende Wende in der Langatmigkeit brachten. Die List für den fehlenden Untergriffzug war gefunden!
Jetzt musste ich eigentlich nur mehr meinem Körper beibringen, nicht gleich nach der ersten SL schlapp zu machen, meiner Haut gut zuzureden sich am besten schon während dem Klettern zu erneuern und meinen Lace ups verklickern auch bei +40° „einen auf Hochspannung“ zu machen.
Körper sind erfahrungsgemäß sehr anpassungsfähig und ich war nach weiteren 3 Tagen bereit für den ersten „scharfen“ Versuch.
Durch eine glücklichen Zufall traf ich auf der Patuzhütte genau zum richtigen Zeitpunkt einen (ziemlich überqualifizierten) Kletterpartner namens David Lama.
Mit der Sicherheit auch jede noch so spektakuläre Brezn weich im Seil zu landen, meisterte ich alle SL bis zur 5., die nach dem Griffausbruch über Sieg oder Niederlage entscheidet. Damit es aber nicht zu glatt läuft, durfte ich am letzten schweren Zug (diesbezüglich scheint sich in schweren Längen eine gewisse Regelmäßigkeit einzuschleichen), quasi in Zeitlupe beobachten, wie sich mein linker Fuß langsam von ein kleinen Delle verabschiedete. Nach einen schönen 10m Brezn realisierte ich wie nah ich dem Ziel schon war und wie fern es jetzt gerückt war.
Eine Stunde Pause in der prallen Sonne dieser Südwand brachte mir nur mäßig Erholung und ich stieg mit diesem unangenehmen Schmerz in meinen Unterarmen eine zweites und auch sicher letztes Mal ein. Obwohl ich schon nicht mehr daran glaubte, hatte ich aus irgend einem glückliche Zufall heraus plötzlich den entscheidenden Griff in der Hand und mein Schuh blieb auf der besagten Delle picken. Weitere und bisherige Begeher dieser Route werden mit absoluter Sicherheit jeden Quadratmillimeter dieser Delle kennen bzw. kennen lernen.
Die letzte Länge ist zwar noch 8a, hat aber Gott sei Dank nur einen wackeligen Zug, den ich gut drauf hatte.
Begeistert war ich aber nicht nur auf dem Gipfel zu stehen, sondern auch wie David sich souverän durch die Route flashte. Mit fünf kurzen Hängern tänzelte er im Nachstieg durch das Ziervogerl.
Natürlich auch Hut ab vor Beat, der ja –nicht zu vergessen- mit der „Unendlichen Geschichte“ schon 1991 (!) den oberen zehnten Grad ins Gebirge brachte.
Mein Bewertungsvorschlag nach dem Griffausbruch 8b, 7c+, 8a+, 7a+, 8b+, 7c+/8a
Fotos von Hermann Erber: www.outdoor-foto.at
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