Patagonien 2008. Es war eine besondere Saison, das Wetter eine Sensation! Stephan Siegrist, Alexander und ich hatten auch dieses mal wieder das große Ziel vor Augen, die Überschreitung der Cerro-Torre-Gruppe. Allerdings waren wir nicht alleine mit dieser Idee. Rolando Garibotti, ein Argentinier, der mittlerweile in Amerika lebt, hatte ebenfalls das Bestreben, als Erster diese Herausforderung zu verwirklichen.
Hohe Eisschlaggefahr
Schon nach der ersten Woche kam das gute Wetter. Genau das Zeitfenster, das wir zur Überschreitung brauchen. Das einzige Problem, die Temperaturen waren zu hoch. Das bedeutet in diesen Tagen an den vereisten Torres eine extrem hohe Eisschlaggefahr – Bedingungen, unter denen wir die Überschreitung garantiert nicht versuchen werden... Was aber nicht heißen soll, dass wir diese drei Tage Schönwetter ungenutzt verstreichen lassen! Im Gegensatz zu den Torres, stehen die Berge der Fitz-Roy-Gruppe erst in der zweiten Reihe – die vom Pazifik übers Inlandeis kommenden Winde entladen ihre Feuchtigkeit in der Hauptsache an der ersten großen Barriere, den Torres. Das dahinterliegende Massiv des Fitz Roy bekommt somit nur noch einen Bruchteil der Schnee- und Eismengen ab. Deswegen bilden sich hier auch nicht die riesigen Eispilze und der berüchtigte Anraum – das lose Eis, das das Klettern an den Torres so gefährlich macht. Und tatsächlich finden wir in der Fitz-Roy-Gruppe sogar noch ein ideales Ziel: die undurchstiegene Westwand der „Silla“.
Wir waren zu viert: Mario Walder aus Ostirol, Stephan Siegrist, Alexander und ich.
Monolithische Headwall
Das Wetter ist perfekt und wir starten durch. Am ersten Tag durchsteigen wir den unteren Teil der Wand: 800 Meter, meist im 3. Schwierigkeitsgrad, mit paar eindrucksvollen siebener Längen. Am Ende dieser schroffen Wandpassage erreichen wir das Col zwischen Desmochada und Silla. Von hier ragt die monolithische Headwall in den patagonischen Himmel, an deren Fuß wir die Nacht verbringen. Am nächsten Morgen geht es hinein in die steile Welt der Headwall, deren Kletterei in erster Linie von großen Verschneidungen und den gefürchteten weiten Rissen (Offwidth…) charakterisiert wird. Perfekter Fels, mit einem perfekten Team, in machen diese Unternehmung zu einem besonderen Erlebnis. Nach insgesamt zwölf meist sehr langen Seillängen in bestem Granit erreichen wir den markanten Doppelgipfel der „Silla“. Ein bergsteigerisches Geschenk!
Zwei Tage später dann, in El Chaltén, kommt die Nachricht, auf die zu diesem Zeitpunkt alle warten: Garibotti und Haley haben es geschafft! Sie waren in den Tagen der Überschreitung ein hohes Risiko eingegangen, hatten alles gegeben, sind gut geklettert: Vier Tage Kampf, aber geschafft und das zählt. Sie haben sich diesen Erfolg verdient!
Routeninfo: El Bastardo
Wandhöhe & Schwierigkeiten: 800 Meter bis ins Col zwischen Desmochada und Silla, VII
Headwall der Silla Westwand: 600 Meter, 12 SL, VIII/A1
Dauer Erstbegehung: 2 Tage
Mehr infos unter: www.huberbuam.de und www.stephan-siegrist.ch
Webtipps
"Golden Eagle" - Neutour in Patagonien von Alex Huber und Stephan Siegrist
„Lightning Strike“ - Arwa Tower
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