Manchmal lohnt sichs nochmal etwas genauer hinzuschauen – dachte sich Markus Bock, als er letzten Herbst sich die erste Wiederholung von „Kawaschuwu“ 8c+ sicherte, ein altes Projekt von Andy Hofmann welches dieser an Manuel Brunn abgegeben hatte und im Herbst 2008 erstbeging.
Doch fangen wir am Anfang an: Wieder einmal war es Milan Sykora, der Anfang der 90er Visionsarbeit leistete und eine Linie durch die steilste Stelle der „Grünen Hölle“ im Frankenjura einbohrte. Nach einiger Zeit probieren gab Milan die Linie an Andy Hofmann ab, welcher Mitte bis Ende der 90er einige Jahre intensiv versuchte die Tour zu knacken, jedoch ohne den originalen geraden Einstieg zu wählen, sondern über die benachbarte Route „Spiderman“ einsteigend. Andy scheiterte nur denkbar knapp am letzten schweren Zug (auf den kommen wir später nochmal zu sprechen) und trat Anfang 2000 das Projekt an seinen Freund Manuel Brunn ab. Auch Manu biss sich einige Jahre die Zähne daran aus die Route erstzubegehen, blieb jedoch beeindruckend hartnäckig und kletterte die Tour schließlich am 5.Oktober 2008. Er bewertete sie mit 8c+ und gab ihr den Namen „Kawaschuwu“, eine Insider-Wittmung an Andy. Kurz darauf bekam die Route 2 Wiederholungen, durch Markus Bock und Dai Koyamada, welche die Schwierigkeit bestätigten. Auch Adam Ondra, der sich 2009 die 3.Wiederholung sicherte, bestätigte den Grad 8c+.
Originaleinstieg
Nun aber zum entscheidenden Schritt: Markus wollte eigentlich nur die alten verrosteten Laschen aus Milans direktem Einstieg, welcher Allen bislang als nicht kletterbar erschien, entfernen. Dabei merkte er dass es vielleicht doch eine Möglichkeit gibt die originale Linie von Milan zu klettern. Anstatt die Laschen zu entfernen, tauschte er sie gegen neue Bühler aus und machte sich im Frühling 2009 an die Arbeit, den extrem boulderlastigen 3 Zug Einstieg auszubouldern. Die Crux dabei: Ein sehr enges Seitloch weit überstecht so einzusortieren, dass man etwas Klemmwirkung erreicht, um die Füsse in den Überhang stellen zu können. Ohne den Finger zu tapen würde man sich aufgrund des enormen Drucks des Fingers auf den Lochrand sofort einen blutigen Fladen ziehen. Ein abschüssiges Zweifingerkuppenloch als Zwischengriff stellt die einzige Möglichkeit dar das Seitloch ein letztes Mal ruckartig nachzustopfen bevor der eigentlich schwerste Einzelzug kommt – ein weiter Zug nach links in ein enges Zweifingerloch (genau hier beginnt übrigens die Schwierigkeit von „Kawaschuwu“) welches es gilt genau zu treffen. Unzählige Versuche scheiterten für Markus an genau diesem Zug. Minimale Korrekturen an Fusstellung und vor Allem wie man eben dieses Seitloch davor bekommt, führen zu Erfolg oder Misserfolg. Ein Einziges Mal kam Markus im Frühjahr über diesen Zug um dann in Wandmitte zu scheitern, doch dieses einzige Mal genügte um Ihm klarzumachen „Dass ist, wenn auch am Limit, im machbaren Bereich“.
Höchstmarke
Der Sommer macht jegliches Probieren unmöglich. Markus Ziel für den Herbst stand somit fest. Doch der September ging mit mässigen Bedingungen Woche für Woche ins Land. Mal warm, mal Regen und schwül. Von Wind keine Spur. Der lässt sich in der „Grünen Hölle“ eh selten mal blicken. Das immer kleiner wertende Zeitfenster (Ende Oktober ist normalerweise Schluss hier im Frankenjura für die ganz schweren Touren) und die bereits im Einstieg scheiternden Versuche zerrten an Nerven und Psyche. Wind, Wind, Wind musste her. Einfach Herbst musste es werden. Und wurde es am ersten Oktoberwochenende.
Bis zu dem Zeitpunkt hatte Markus’ bereits mindestens 15 mal die Route ohne Ihre ersten beiden Züge geklettert, also sogar mit dem weiten Zug ins enge Zweifingerloch welches den Start der Schwierigkeit in „Kawaschuwu“ darstellt. Obwohl er immer und immer wieder die oberen 2/3 der Route geklettert war, wusste er dass von unten kommenend jeder der oberen Züge ein Scheitern bedeuten kann. Am Samstag den 3.Oktober scheiterte Markus’ denkbar knapp – und zwar an Andy Hofmann’s damaliger Höchstmarke. Dem letzten schweren Zug.
Die Nerven lagen blank – „dauert es nun wieder Tage um über den Boulder zu kommen? – hält die kühle Wetterphase an? – kann ich all die Energie nochmals aufbringen und wieder von vorn anfangen wenn ich heuer nicht hochkomm?“. Markus entschied sich den noch kühleren windigen Sonntag zu nutzen, trotz Plättung vom Vortag, und nochmal alles zugeben.
2x „Fight Grafity“ zu Aufwärmen und los
2x „Fight Grafity“ am „Richard-Wagner-Fels“ zum aufwärmen, einmal durchbouldern durchs Projekt und es konnte losgehen.
Bereits im ersten Versuch kam Markus über den Einstieg, fightete sich durch bis zu seiner Höchstmarke vom Vortag, blieb sogar kurzzeitig am 2Fingerloch hängen – doch konnte den Schwung nicht abfangen. „Wieder am letzten schweren Zug!“ Weitere 6 Fehl-Versuche am Einstieg scheiternd, die Haut mehr als mitgenommen ausschauend, entschied er sich für einen letzten Versuch.
Den Einstiegs-Boulder hinter sich lassend kletterte Markus entschlossen seiner vorigen Höchtmarke entgegen. Haken klippen, ein kurzes Nachchalken und letztes Mal konzentrieren – Zangengriff mit rechts, Microsteller mit links, 2 Fingerloch anvisieren und jetzt bloß nicht nachdenken! Mit aller noch zur Verfügung stehenden Energie ins Loch schnappend bleibt Markus diesmal hängen – 2 weitere Züge noch dranbleiben - die letzten Meter zum Ausstieg sind verhältnismässig leicht.
„Einer meiner glücklichsten Momente meiner Kletterkarriere“ – geht Markus durch den Kopf als er wieder am Boden steht.
Markus nennt die Route „The Man That Follows Hell“, als Anspielung dass dieser Platz ihn unzählige Tage so in seinen Bann zog. „16 Züge – genauso viele wie „Action Directe“ 9a – vergleichbare Kletterei und Steilheit - jedoch einige Züge deutlich schwerer“, meint Markus und schlägt somit ein 2tes Mal nach „Corona“ aus dem Jahr 2006 den Grad 9a+ für eine seiner vielen Erstbegungen im Frankenjura vor.
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