Der Fall (Aufprall)
"Der Kläger, ein Rechtsanwalt [...] stürzte am [...] im hochalpinen Gelände mit einem Paragleiter ab. Um [...] Uhr landete ein Rettungshubschrauber des Bundesministeriums für Inneres bei der Unfallstelle. Der Notarzt stellte als Erstdiagnose am Unfallort eine Wirbelfraktur im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule fest. Der Zustand des Klägers war am Unfallort hinsichtlich der Bewußtseinslage unauffällig, hinsichtlich der Atmung suffizient, hinsichtlich des Kreislaufes unauffällig. Bezüglich der Atmung wurden am Unfallsort keine Maßnahmen getroffen. Es erfolgte nur eine spezielle Lagerung/Schienung und eine Überwachung während des Transportes. Die Bergung erfolgte in 2100 m Seehöhe in unwegsamem Gelände; von der Talstation des Sesselliftes, der auf den Berg führt, auf dem sich der Unfall ereignete, steht keine Straße zur Verfügung. In die Nähe der Absturzstelle führt eine Hochstraße, auf der bis zum Verlassen des Talbodens vom Rettungsfahrzeug eine Strecke von 14 km zurückzulegen gewesen wäre. Die Unfallstelle kann von einem Fahrzeug auf dieser Straße aus jedoch nicht erreicht werden. Die Bergung mit dem Hubschrauber war aufgrund des Verletzungsgrades notwendig." (Sachverhalt aus OGH 10 ObS 2415/96m)
Es kam wie es kommen musste: Die Hubschrauberbergung verursachte erhebliche Kosten, die dem verunfallten Rechtsanwalt in Rechnung gestellt wurden. Nach seiner Genesung hat dieser versucht, die erheblichen Kosten der zuständigen Gebietskrankenkasse weiterzuverrechnen. Ein kleiner Teil der Kosten wurde von der Gebietskrankenkasse beglichen, die Übernahme des Restbetrags wurde abgelehnt.
ASVG trägt keine Bergungskosten
Die Gebietskrankenkasse und in der Folge alle Gerichtsinstanzen bis zum Obersten Gerichtshof verweigerten die (vollständige) Kostenübernahme unter Hinweis auf die strengen Bestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG): Bergungskosten und die Kosten der Beförderung bis ins Tal werden bei Unfällen in Ausübung von Sport und Touristik [von den Sozialversicherungsträgern] nicht ersetzt (§ 131 Abs 4 ASVG). Diese Regelung ist nach Auffassung des OGH und zum Leidwesen der Bergsportbegeisterten auch verfassungsrechtlich in Ordnung, weil „bei Bergunfällen, schon bedingt durch die Situation im Gelände, regelmäßig unverhältnismäßig hohe Bergekosten auftreten [....].“
Derjenige, der sich in Ausübung seines Sports, sei es Schifahren, Schitourengehen, Bergsteigen, Klettern, etc. verletzt hat, muss daher auch die Bergungskosten tragen, die bei komplizierten Bergungen bzw. Bergungen im Ausland sehr hoch sein werden. Zu den körperlichen kommen dann noch die finanziellen Schmerzen, und die können abhängig vom Einzelfall durchaus ein paar tausend Euro ausmachen.
Der Ersatz der Bergungskosten lässt sich durch den Abschluss einer zusätzlichen privaten Unfallversicherung vermeiden, die den Ersatz der Bergungskosten infolge Sportausübung übernimmt. Alpenvereinsmitglieder müssen sich darüber keine Gedanken machen, eine solche Versicherung ist bei der Mitgliedschaft inkludiert.
Versichern beruhigt, aber nur in Notsituationen
Die private Unfallversicherung ersetzt gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1995) die Bergungskosten, die notwendig werden, wenn der Versicherte einen Unfall erlitten hat oder in Berg- oder Wassernot geraten ist und verletzt oder unverletzt geborgen werden muss. Die Bergungskosten werden auch dann ersetzt, wenn der Versicherte durch einen Unfall oder infolge Berg- oder Wassernot den Tod erleidet und seine Bergung erfolgen muss.
Voraussetzung ist also zunächst einmal ein Unfall oder Bergnot. Liegt keine der beiden Voraussetzungen vor, dann greift auch die private Unfallversicherung nicht. Der Hubschrauber sollte also nicht sofort dann gerufen werden, wenn man sich – überspitzt formuliert – einmal im Wald nicht auskennt, sondern nur dann, wenn wirklich Bergnot vorliegt. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Es sollte aber für die Inanspruchnahme der Unfallversicherung nicht erforderlich sein, den Helden zu spielen und die Gefahrensituation noch zu vergrößern.
Unter den ersatzfähigen Bergungskosten werden die nachgewiesenen Kosten des Suchens nach dem Versicherten und sein Transport bis zur nächsten befahrbaren Straße oder bis zum, dem Unfallort nächstgelegenen Spital, verstanden. Die Bergungskosten sind mit EUR 22.000,-- pro Versicherungsfall und pro Person limitiert, diese werden aber weltweit ersetzt. Ersetzt werden bei der Versicherung des Alpenvereins auch noch die Rückhol-, Verlegungs- und medizinischen Heilbehandlungskosten, diese aber nur unter der Voraussetzung, dass bestimmte Unternehmen verwendet werden und die Auslandsreise nicht länger als sechs Wochen dauert. Für längere Auslandsaufenthalte lohnt sich daher der Abschluss einer Sonderversicherung.
Mitglieder Alpiner Vereine sind versichert, aber nicht gegen alles…
Der Versicherungsschutz bei Alpinen Vereinen ist gewährleistet, wenn der laufende Mitgliedsbeitrag vor dem Schadensereignis bezahlt worden ist. Bei der Abwicklung empfiehlt es sich, zunächst die Rechnung der Bergrettung bzw. des Betreibers des Hubschraubers beim zuständigen Sozialversicherungsträger und die dann noch bestehende Differenz bei der Versicherung einzureichen.
Selbst die private Unfallversicherung ersetzt nicht alle Kosten: Erst bei genauer Kenntnis der Versicherungsbedingungen kann man das verbleibende Restrisiko entweder in Kauf nehmen oder muss sich um einen weiteren Versicherungsschutz umsehen. So erstreckt sich der Versicherungsschutz unter anderem nicht auf Unfälle oder Krankheiten bei einer berufsmäßigen oder sonstigen entgeltlich ausgeführten Tätigkeit; davon ist wiederum die entgeltliche Tätigkeit als geprüfter Berg- und Schiführer und als geprüfter Wanderführer ausgenommen. Weiters sind – abgesehen von Kfz-Unfällen auf dem Weg zu und von Veranstaltungen des ÖAV – Unfälle bei der Benützung von Kraftfahrzeugen ausgenommen. Generell ausgenommen sind auch Unfälle bei der Benützung von Flugdrachen, Paragleitern, Luftfahrzeugen und beim Fallschirmspringen.
Abgesehen vom Ersatz der Bergungs- und Transportkosten stellt sich bei Freizeitunfällen auch noch ein anderes Problem: Freizeitunfälle werden von den Sozialversicherungsträgern grundsätzlich nicht abgedeckt. Dazu ein anderes Mal mehr.
Dr. Thomas Zivny
anwalt§bergsteigen.at
Der Bergsport in all seinen Facetten hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Breitensport entwickelt, der nach wie vor eine unglaubliche Anziehungskraft ausübt. Die Zahl der Akteure steigt beständig, das Platzangebot in den Bergen ist allerdings von Natur aus beschränkt. Daraus ergibt sich ein gesteigertes Konfliktpotential, das nicht selten "im Tal", nämlich vor den Gerichten, ausgestritten wird.
In den ab 2004 auf bergsteigen.at erscheinenden juristischen Kurzbeiträgen sollen auf anschauliche Art und Weise mehr oder weniger alltägliche Rechtsprobleme anlässlich der Sportausübung in den Bergen (Wandern, Bergsteigen, Klettern, Schifahren, Schitourengehen) dargestellt werden.
Diese Beiträge erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Einzelfall ist eine Besprechung mit einem juristischen Experten nicht nur ratsam, sondern auch erforderlich.
Service
Für eine kostenlose Erstberatung steht
Dr. Thomas Zivny$ unter [email protected] zur Verfügung.
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