David Lama und Conrad Anker in "Latent Core" (c) James Q Martin / Red Bull Content Pool David Lama und Conrad Anker in "Latent Core" (c) James Q Martin / Red Bull Content Pool
18 Juli 2015

Auf einer Linie

Neutour "Latend Core" von David Lama und Conrad Anker in Zion - Bericht - Fotostrecke + Video!

David Lama steckt noch in den Windeln als sich Conrad Anker im Zion Nationalpark im US Bundesstaat Utah, erstmals an einer Wand am Temple of Sinawava versucht. Die Route wird nicht vollendet und bleibt beinahe zweieinhalb Jahrzehnte ein unbeschriebenes Blatt.

Ein hängendes Seil mitten in der Wand ist Sinnbild dafür. Jetzt hat der österreichische Ausnahme-Alpinist gemeinsam mit der amerikanischen Bergsteiger-Legende die Linie erstmalig fertig gezeichnet. Sauber im Stil, respektvoll im Miteinander und voller Freude in der Wand – so verläuft das erste Aufeinandertreffen der Klettergenerationen.

Seit einigen Jahren waren sie immer wieder in Kontakt, das erste persönliche Aufeinandertreffen von David Lama und Conrad Anker verläuft definitiv intensiv. Vom ersten Händeschütteln am Flughafen von Las Vegas bis zum Einstieg in die Wand vergehen keine 48 Stunden. Die Erstbegehung beginnt dort, wo der Nationalpark Shuttlebus endet – am Temple of Sinawava.

„Eine beeindruckende, steile Wand, an deren rechter Seite ein Wasserfall in die Tiefe rauscht,“ beschreibt der Tiroler David Lama, der den Versuch einer Erstbegehung anderen lohnenden Routen in Zion vorzog. „Es ist dieser kreative Prozess, eine noch ungekletterte Linie zu sehen, sie zu versuchen und vielleicht zu schaffen.“ So, wie es sich der 25-Jährige beispielsweise mit dem in Alpinkreisen als ‚unmöglich’ geltenden Cerro Torre in Patagonien schon – erfolgreich – in den Kopf gesetzt hat.

„Ich war mir damals sicher, dass ich zurückkommen würde. Doch aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate, aus Monaten Jahre und aus Jahren Jahrzehnte,” so Conrad Anker, jener Mann, der 1999 im Zuge einer Suchaktion nach Georg Mallory die Leiche des legendären britischen Bergsteigers am Everest entdeckte, über seinen ersten, gescheiterten Erstbegehungsversuch. Dass er gerade mit dem einer komplett anderen Klettergeneration entstammenden Lama beim ersten Zusammentreffen die Route vollenden würde, hatte er sich wohl nicht gedacht. „David und ich waren uns hinsichtlich der Linienwahl sofort einig und auch was die Motivation für Erstbegehungen betrifft sind wir auf einer Linie.“

10 Seillängen glatter, steiler und oft auch brüchiger Sandstein, verteilt auf 450m, erwarten das Duo, das vier Tage lang von 5 Uhr morgens bis zum letzten Bus in der Wand verbringt. Die ersten fünf Seillängen, bis zu dem Punkt, den Conrad Anker vor knapp 25 Jahren erreichte, fordern eine Mischung aus anspruchsvoller Freikletterei, beherzter Aid Climbing (Schwierigkeiten werden mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln überwunden) und einen imposanten Pendelquergang. Von da an brechen die beiden in Neuland auf.

Über Leisten und Schuppen steigt David Lama über den jungfräulichen Sandstein zum nächsten Stand und übergibt an seinen Partner, der die darauf folgende überhängende Wandpassage mit einer kurzen Bohrhakenleiter überwindet, um ins nächste Risssystem zu gelangen. Am dritten Tag schlägt das Wetter um, doch die Steilheit der Wand ermöglicht ein trockenes Vorankommen. Die achte Seillänge, eine glatte Verschneidung, bietet den Kletterern lediglich einen seichten Riss, über den sich der jüngste Kletter-Weltcupsieger aller Zeiten technisch hocharbeiten muss.

Sein Kletterpartner, der 52-jährige Amerikaner mit Deutschen Wurzeln zeichnet die Linie am nächsten Tag noch mit Pendelquerungen weiter hoch. Am vierten und letzten Tag in der Wand führt David Lama das Team im Regen über zwei weitere Seillängen zum Ausstieg. „Wir waren tatsächlich die ersten, die diese Wand geschafft haben,“ freut sich Anker, der im Heiligtum von Utah – ‚Zion’ ist ein altes hebräisches Wort für Heiligtum – eine Ära abschließt. Die beiden Kletterer nennen ihre Route „Latent Core“ und bewerten sie mit 5.11, A1.

„Diese Freude, mit der Conrad auf den Berg geht und neue Dinge in Angriff nimmt, werde ich hoffentlich auch immer empfinden,“ weiß Lama um den ungebrochenen Reiz und die Anziehungskraft der Berge. „Am Spannendsten finde ich es, eine Vision im Kopf zu haben und diese dann in die Realität umzusetzen.“ Dass die beiden Bergspezialisten damit auf gleicher Linie sind, haben sie sich mit diesem Big Wall Abenteuer als Kennenlerntour bereits bewiesen. Es soll allerdings nicht die letzte gemeinsame Route gewesen sein, Lama und Anker planen bereits eine gemeinsame Expedition nach Nepal.

Quelle: Red Bull, Fotos: James Q Martin/Red Bull Content Pool



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