Gerhard und Roli im untern Teil Gerhard und Roli im untern Teil
03 Oktober 2005

Am Ziel einer Reise - „The Nose“ am El Capitan!

Gerhard Schaar schickte uns einen Bericht über seine Erlebnisse an der "Nose" aus den USA...

Am Ziel einer Reise - „The Nose“ am El Capitan!

Nach anstrengenden 2 ½ Tagen stehe ich mit Roli genau an meinem 31. Geburtstag auf der Spitze des El Cap. Mit der Besteigung „DER“ Linie am El Capitan haben wir beide einen großen Traum realisiert. Das Hauptprojekt des America Trip ist gelungen!

Am Samstag steigen wir inklusive Haulbag um fünf Uhr morgens – wie mit unseren Spanischen Kollegen vereinbart - an deren Fixseil zum „Sickle Ledge“ hinauf. Als uns die Sonne an diesem Tag erstmals anstrahlt, befindet sich Roli unter den Stoveleg Cracks. Dort übernehme ich das scharfe Ende und klettere fünf Längen bis zum Dolt Tower. Ich kann zwar weniger frei klettern wie erhofft, aber es gelingt mir immer wieder einmal Passagen frei zu klettern, was wichtige Meter sind und vor allem schnell ist. Das Wetter ist super und wir kommen zügig weiter. Und das ist auch gut so. Schließlich wollen wir am ersten Tag bis auf den El Cap Tower.

Roli steigt dann vom Dolt Tower die nächste Länge vor, fühlt sich aber nicht richtig gut, weshalb wir beschließen dass ich wieder vorsteige. In diesem Moment zeigt sich für mich, dass ich den richtigen Partner habe, da er nicht lange herumredet, und für uns beide das gemeinsame Ziel über irgendwelchen persönlichen Eitelkeiten steht.

Texas Chimney - eine wahre Genusskletterei

Ich bin richtiggehend geladen und komme zügig weiter. Um etwa 18 Uhr stehen wir dann bereits am El Cap Tower, und uns bleibt noch etwa eine Stunde Sonnenlicht. Also steige ich auch noch die Länge auf die Texas Flake vor. Der sogenannte Texas Chimney, von dem wir irre Schauergeschichten gehört hatten, stellt sich als eine wahre Genuss Kletterei heraus. Ich schiebe mich den Kamin 15 Meter hinauf, und sehe dabei nicht einmal den einzigen Bolt, da es schon recht finster ist und sich der Bolt nicht vor mir an der Wand, sondern hinter mir „im Rücken“ befindet.

Als ich 10 Minuten später wieder am El Cap Tower bin beginnen wir unser Biwak vorzubereiten, und etwas zu essen. Doch wir haben beide keinen rechten Hunger, und bringen gerade ein Salamibrot hinunter. Gegen 20 Uhr schlummern wir bereits in unseren Schlafsäcken. 15 der 31 Längen sind geschafft, wir sind gut unterwegs.

Tag 2. - Tagwache ist um 5 Uhr

Am zweiten Tag stehen wir um fünf Uhr auf, und bereiten in völliger Dunkelheit alles zum weiterklettern vor. Es ist ungewöhnlich windig für diese Tageszeit, und uns ist ordentlich kalt. Nachdem wir aber die erste Länge hinauf gejumart sind, ist uns bereits richtig heiß.

Der zweite Tag ist ein sehr sehr langer und anstrengender Tag für uns. Neben dem King Swing wartet die Traverse hinüber zum Camp 4, welche mit dem Haulbag sehr umständlich ist. Zudem wartet dann das „Great Roof“ auf uns, und nach der „Pancake Flake“ eine anstrengende 1C+ Länge (offwith).

Ich mache den King Swing und klettere hinauf bis auf die „terraces“, wo Roli übernimmt und bis unter das Great Roof klettert. Obwohl wir das „Great Roof“, den markantesten Punkt der Route ständig zum Greifen nahe haben, dauert es doch ganz schön lange bis wir die umständliche Querung und die zwei Seillängen bis unter das „Great Roof“ hinter uns bringen.

Dort übernehme ich wieder und klettere in einer Stunde diese Traumlänge. Es gelingt mir sogar das gesamte Dach „back zu cleanen“, und Roli kann sich in die Falllinie unter den Standplatz hineinseilen. Das spart Zeit, die uns nun schön langsam knapp wird. Wir haben noch zwei Längen bis ins Camp 5, wo wir das nächste Biwak geplant haben, als meine Uhr bereits 17.30 Uhr anzeigt.

Bei Dunkelheit erreichen wir Camp 5

In der Pancake Flake spüre ich dann die Müdigkeit in meinen Knochen, und komme nur langsam vorwärts. Als ich in die letzte Länge zum Camp 5 hinauf starte, beginnt es bereits finster zu werden. Ich schaffe es aber nochmals alle meine Reserven zu aktivieren und „fliege“ die technisch umständlich zu kletternde 1C+ Länge in 30 Minuten hinauf. Als Roli im Camp 5 ankommt, ist es bereits stockdunkel.

Mit uns befinden sich auch noch zwei Iren im Camp 5. Leider ist es sehr schwierig, mit ihnen die Aufteilung der schlechten drei Ledges auszureden. Letztlich bleibt Roli im Camp 5, wo er am untersten Ende des abschüssigen Ledge verbleibt. Ich muss bei völliger Dunkelheit zehn Meter auf ein mieses, kleines, und abschüssiges Ledge abseilen, wo ich es mir irgendwie halbwegs bequem einzurichten versuche.

Für Roli und mich ist die zweite Nacht eine schlaflose. Beide hängen wir in unseren Daisy Chains, kauern uns von eine Seite auf die andere und rutschen permanent abwärts. An Schlaf ist nicht zu denken.

Regen zieht auf

Allerdings beginnt uns das Wetter mehr Sorgen zu machen als das Schlafmanko. Immer wieder beginnt es in der Nacht zu regnen, und der Himmel färbt sich beängstigend schwarz. Als wir um fünf Uhr morgens endlich mit den Vorbereitungen für den Tag beginnen, zieht bereits ein Sturm auf. Nun heißt es nix wie raus aus der Wand, denn wir können schon den Schneefall auf den Tuolumne Meadows sehen und es wird empfindlich kalt.

Ich steige wieder vor, und bin beflügelt von der Sorge, dass der Sturm nun völlig über uns hereinbricht. So komme ich recht flott weiter und bin bald im Camp 6. Dort treffen wir auf Thommy Cadwell und seine Freundin Beth Rodden, welche beide für eine freie Begehung der Nose gerade die obersten Seillängen auschecken.

Als ich parallel zu ihnen die „Changing Corner“ Länge vorsteige, bricht der Sturm mit aller Gewalt über uns herein. Als ich von der wettergeschützten großen Verschneidung um die Kante komme, trifft mich der Sturm mit voller Wucht. Der Regen kommt horizontal auf mich zu, und ich sehe nicht einmal mehr den Half Dome, der hinter einer Wand aus Regen und Schneetreiben verschwunden ist.

Als Roli nachgekommen ist, beschließen wir an den Fixseilen von Thommy und Beth auszusteigen. So reden wir uns mit ihnen kurz ab und alle vier Suchen wir so schnell es nur geht das Weite.

$Jumarn bei Sturm und 1000 Metern Luft unterm Hintern$

Der Aufstieg an den Fixseilen im Sturm ist wild und extrem ausgesetzt. Bei mehr als 1000 Meter Luft unter dem Hintern jumarn wir frei hängend hinauf. Dabei pendelt uns der Wind hin und her, was das umhängen der Jumars bei den Knoten, mitten im überhängenden Gelände, schwierig macht. Doch das „rettende“ Top motiviert uns mehr als uns die Höhe und Ausgesetztheit irritieret, und so stehen wir bereits um 13.00 Uhr am Gipfel. Glücklich fallen Roli und ich uns in die Arme. Wir haben uns als ein gutes Team, gemeinsam, einen riesigen Traum erfüllt. Und ohne es geplant zu haben, stehe ich genau an meinem 31. Geburtstag am Gipfel des El Cap.

Doch leider währt die Gipfelfreude nur sehr kurz. Obwohl der Sturm etwas an Kraft verloren hat, pfeift uns der Wind kalt um die Ohren, und es steht uns noch der Abstieg über die „East Ledges“ bevor. Der Himmel ist nach wie vor voll von schwarze Wolken und so schauen wir, dass wir an Boden gewinnen.

Der Abstieg ist nicht so schwer wie befürchtet, aber anstrengend und anspruchsvoll. Immer wieder geht es über Absätze und wir müssen mit dem schweren Haulbag kurze Passagen abklettern. Als wir die vier Abseillängen hinter uns gebracht haben, wissen wir dass wir es geschafft haben.

Als wir um 16 Uhr erschöpft aber glücklich wieder im Tal sind, öffnet der Himmel seine Pforten und es beginnt wieder zu stürmen. Heil froh, dem Wetter davon gekommen zu sein torkeln wir noch ins Curry Village, wo wir bei unserer Pizza fast einschlafen.

Später regt sich aber doch noch Leben in unseren müden Knochen und wir feiern mit unseren Freunden im Camp 4 die geglückte Besteigung und meinen Geburtstag.

Das schönste Geschenk ist für mich jedoch, das gemeinsame Abenteuer mit einem wahren Freund gemeinsam durchgestanden zu haben. Wir sind zwar schon als gute Freunde gestartet, aber während dieser drei Tage sind wir uns nochmals näher gekommen, näher als diese Freundschaft zuvor je gereicht hat. Der gegenseitige Respekt und die Achtung, die Tatsache dass wir alles sofort und unkompliziert ausreden konnten, dass wir beide die Rolle des anderen völlig natürlich akzeptiert haben und uns immer unterstützt und aufgebaut haben, ist für uns eine große Erfahrung. Im Nachhinein betrachtet, ist sie weit mehr wert als die reine klettertechnische Errungenschaft.

Berichte Gerhard Schaar:

Der längste Tage - Erstbegeheung Grüblwand

Text und Fotos: Gerhard Schaar

Webtipp: www.gerhardschaar.com

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