Nachdem die junge Garde mir Gott sei Dank meine Defizite in Sachen Boulderschmalz und Bewertungstalent aufzeigte, war es mir nur recht, dass meine neuen Projekte eher in der Kategorie "technisch, ausdauernd, kleingriffig" zu finden waren. Ich wollte mich eine Zeit lang so intensiv wie möglich mit dem Klettern befassen, herausgekommen sind viele schöne Tage mit loggeren Typen und 4 komplett verschiedene Routen. Jede Route hat ihren eigenen Charakter und jede steht für mein derzeitiges Limit.
Zuvor waren wir noch ein paar mal in den etwas längeren Routen unterwegs und nutzten die Schönwetterphasen voll aus. Bei den Wetterstürzen verzogen wir uns in den Süden zum Sportklettern. Ein kleiner Auszug der lässigsten Linien! Eine namenlose Route am Bila Pec – Italien onsight 7 SL 8a . Der Alpengeier an der Waidringer Steinplatte zog seine Krallen im 2. Versuch ein, 6 SL 8a (auf onsight in der 8a Länge keine Chance), sowie die 45 m lange Wahnsinnskante "Menhir 8b/b+" Mesules – Sellagruppe im 2. Versuch. Die "Kante, 4 SL 8a+" am Traumpfeiler - Sella im 2. Versuch und die Route X-File 8a+/8b in Gemona – Italien onsight .
Ruhe und Privilegien
Und mit Verwunderung stellte ich fest, dass ich mittlerweile auch die Ruhe habe, mit jemanden leichte, lange Routen zu klettern und das Ganze auch noch genießen kann!
Ich habe schon lange nicht mehr das Gefühl diese und jene schwere Route klettern zu müssen,
sondern denke, es ist eher ein Geschenk, so manch leichte schöne Linie klettern zu dürfen!
Ich sehe es auch als Privileg, dass ich trotz Familie immer noch relativ viel Zeit dem Klettern widmen kann. Das klappt nur weil meine Frau Rosi zu Hause alles managt! Und wenn’s dann nicht mehr geht, kein Problem. Dann muss man sagen es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut - so sehe ich das, fertig! Die Kletterer die mich faszinieren sind jene, die den Spagat
zwischen Familie und dem Klettern schaffen und Prioritäten setzen! OK, genug mit schlauen Sprüchen und Lebensweisheiten, so alt bin ich nun auch wieder nicht und das einzige, was schön langsam weiß wird, sind die Haare.
Komplettprogramm der Lienzer Dolomiten
Bei einem relaxten Klettertag mit Maria am Roten Turm - Lienzer Dolomiten entschloss ich mich im zentralen Wandteil eine neue Linie einzubohren. Die Route verläuft links von "Keine Angst vorm Fliegen", ist ca.45 Meter lang und wohl eine der schönsten am Turm. Ausdauernd, wenig Rastpunkte, genau wie es mir taugt. Bewertungsvorschlag für die Route "Neidfaktor 10" 8b+.
Auch die Jungen holen sich derzeit dicke Unterarme am Roten Turm, besonders Roli Rauchenbacher, der sich gerade an seinem Projekt aufarbeitet und seinen Körper nur noch im Muskelkaterzustand kennt. Auch bekannte Namen der Szene wie ein Bendler Markus oder Astner Kurt genossen mit mir das Komplettprogramm der Lienzer Dolomiten (Sonne, Klettern, Hütte, Bier, Kaffee und Kuchen).
Weiters konnte ich im Felbertal - Salzburg die Route ,,Rechtsdrall ’’ klettern .Die Route beginnt als abschüssige Kante, die dann senkrecht nach oben zieht. Die Linie befindet sich 10 Meter rechts von Hadaxl und die Gesamtschwierigkeiten sind auch um einiges höher als bei Hadaxl, bei der es eigentlich nur um einen weiten Dynamo geht! Pumpige Züge an Zangengriffen , schlechte Hook’s, und der Kopf sagt dir permanent, das geht nicht!
Anfangs fehlte mir komplett der Plan ,doch ein paar kalte Tage brachten den nötigen Gripp und schließlich die Lösung. Bewertungsvorschlag 8b+.
Super , einen Kaffee und Abflug
Danach war ich mit Kirchner Martin in Südtirol unterwegs. 3 Uhr Tagwache, auf geht’s, was längeres im Sellamassiv. Noch halb im Koma realisieren wir das wohl die Regenmenge von einem Monat genau hier in einer Nacht niedergegangen ist, super, einen Kaffee und Abflug. Beim nach Hause fahren machten wir einen Abstecher zu einer Granitwand oberhalb des Elisabethsees im Felbertal. Martin bohrte in den vergangenen Monaten mehrere Linien ein und erkannte als erster das große Routenpotential. Er zeigte mir eine Rissverschneidung die sich noch im Urzustand befand und wo man hinter Moos und Flechten einen Riss nur mit einem sehr gutem Vorstellungsvermögen erahnen konnte. Am nächsten Tag sind wir beide beim Einbohren und Putzen. Eines ist klar, wenn du von deinem Chef den Auftrag bekommst, einen Tag lang 20 Meter Granit aus der Botanik frei zu putzen, der Typ würde dich volle anzipf`n .Wenn man es aber freiwillig macht ist das ganze fast so wie ein Geschenk auspacken, nur eben mit der Drahtbürste in der Hand und die Sauerei ist dementsprechend größer. !
Ka Riß ma
Die nächsten Tage verbrachte ich mit ausbouldern, markieren und Finger tapen.
Teils komplizierte Bewegungen, ein viel zu kleiner Riss, in dem man irgendwie versucht ,die Finger reinzustopfen und zu verdrehen und ein ständiges stemmen und pressen auf Gegendruck , eben eine Rissverschneidung. Bei einem Zweifingerklemmer waren mir endlich einmal meine dicken Pfoten ein Vorteil, reinstecken, rumdrehen, schmerzhaft aber hält! Wahrscheinlich habe ich mir noch nie zuvor in einer Route so die Finger und Knöchel zerschunden und wurde ganzkörperlich so gefordert. Zwei mal machte ich noch einen Abflug beim letzten Zug, bis es schließlich klappte. Eine Linie die dir einfach ihre brachiale Lösung aufzwingt. Sie heißt"Karißma", Bewertungsvorschlag 8c. Karißma deshalb, weil oft fast ka Riß ma, also kein Riss mehr vorhanden ist und auch weil diese Linie ohne Zweifel Charisma hat. Ein witziges Detail am Rande: Nachdem ich mir in der Vergangenheit in so mancher Route gewisse Stellen zu schwer ausboulderte, träumte ich einen Tag nach dem Durchstieg von der Begehung der Route. Nur dass ich im Traum eine Stelle anders löste! Gleich am nächsten Tag wieder rein in die Route um die fragliche Stelle zu probieren, um dann zur Erkenntnis zu gelangen, die Traumlösung geht nicht! Christian der auch vor Ort war hatte wohl seine Bedenken was meinen Geisteszustand anbelangte und sein breites Grinsen sagte mehr als jeder Kommentar! Fazit, ich muss einfach aufhören, so viel Kaffee zu trinken und weniger mit meinem Buam Biene Maja schauen, sonst geht’s bergab mit mir, sinnlos!
Wo endet die Reibung deiner Patschen
Nachdem ich schon vor Jahren die Route "Braveheart 8a" im Maltatal onsight klettern konnte, versuche ich mich immer wieder in dieser Spielform des Klettern’s. Nämlich die Platten und Wandkletterei , die vor mehr als 20 Jahre ihre Spezialisten
hervorbrachte. Man braucht nur zum Traumpfeiler in Südtirol oder zur Steinplatte fahren um die Route Spätlese zu klettern und man weiß wieder, wie schwer der achte Grad sein kann!
Die Suche nach dem "wo endet die Reibung deiner Patschen" und was ist "der kleinste für mich haltbare Griff" ist manchmal ganz lässig, muss ich aber nicht immer haben! Ich begann
in Krimml – Salzburg mit dem Klettern, daher sind mir kleine Griffe nicht unbekannt.
Die für mich derzeit absolute Grenze des machbaren fand ich ebenfalls im Granit des Felbertals – Elisabethsee. Eine ca. 17 Meter hohe senkrechte Route die mit Rissen und Schuppen beginnt und mit kleinsten Griffen und Tritten endet.(Die markante Schuppe 2 Meter rechts der Route wird dabei nicht verwendet!) Die Temperaturstürze des Sommers haben auch ihre Vorteile, denn ein guter Gripp ist Voraussetzung. Auf Durchstieg war für mich der letzte Bolt nicht zu klinken, das heißt unangenehme Züge 5 Meter über dem letzten Haken und einen hoffentlich guten Sicherungsmann, der es versteht eine gewisse Dynamik in die Stürze zu bringen. Bewertungsvorschlag der Route "Sepp moch’s guat" 8b+. Ich widme die Route meinem Großvater der 2 Tage nach dem Durchstieg verstarb.
Deshalb mache ich und gehe meinen Weg
Die komplette Oberpinzgauer Szene scheint derzeit im Felbertal aktiv zu sein, ob mit Bouldermatte oder Seil. Es tut auch gut zu sehen, dass in diesem Haufen von Mädels und Burschen keinerlei Konkurenzdenken zu finden ist, jeder freut sich für den anderen. Das Schlimmste, was es für mich als Mensch und Kletterer geben kann ist, alt zu werden und irgendwann zu sagen "ich hätte machen können". Deshalb mache ich und gehe meinen Weg .Ein bekannter Kletterer antwortete einmal auf die Frage: Warum klettern sie, steigen auf Berge und gehen an Ihre Grenzen, wo liegt die Faszination? Antwort: Ich bin lieber draußen als drinnen, Punkt! Warum kompliziert wenn’s auch einfach geht.
Text: Ranggetiner, Fotos: Rieder , Göberl , Volgger
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