Mein "Haus" im Basecamp Mein "Haus" im Basecamp
02 Mai 2008

Stephan Keck vom Everest

Wegen des Olympischen Fackellaufes ist der Berg ab Camp II bis zum 6. Mai gesperrt...

Da der Berg jetzt erst mal bis zum 6. Mai komplett gesperrt ist (d.h. alle Bergsteiger müssen im Basislager bleiben und dürfen nicht mehr weiter ins Camp I oder II), ist Stephan ins nächste Dorf mit Internet-Anschluss abgestiegen, um uns mit News zu versorgen (1 h im Internet-Cafe kostet ihn €100.--!).

Übrigens sind bis zum 6. Mai auch keine Wanderungen mehr ins Basislager erlaubt. Anscheinend sind dadurch zu viele Berichte nach aussen gedrungen. Ein Wunder ist’s, dass die Bergsteiger überhaupt absteigen dürfen, aber es hat geklappt.

19.04.08 Everest BC 5364m – Kalla Patthar 5600m (Nachtrag)

Der Tag ist ganz gemütlich verlaufen. Elise hat leichte Verdauungsprobleme und entschliesst sich, den 5600m hohen Kalla Patthar auszulassen. Sie bricht gegen 13:00 h mit Dawa in Richtung Lobuche auf. Wir, Norbert und ich, machen uns um 14:30 h auf den Weg. Zuerst wollen wir noch einmal bei den Militär-Offizieren vorbeischauen und nachfragen, ob es möglich ist, das Satphone mit aus dem Tal zum Kalla Patthar zu nehmen. Das ist, wie es sich nach 1,5 Std. Verhandlung herausstellt, für die Katze. Nachdem ein grosser Schweizer Veranstalter sein Satelliten-Telefon seit 24 Std. wegen eines Notfalles nicht zurück gebracht hat, sind die voll ausgezuckt. Ab morgen gibt es scheinbar bis zur offiziellen Freigabe der Chinesen überhaupt keine Telefonate mehr. Finito, meinte der Mister Officer. Das ganze ist scheinbar von der Willkür einer Person abhängig. Was soll’s, nachdem er unsere Daten aufgenommen hat, machen wir uns auf den Weg zum Fotografieren. Ganz nebenbei haben wir noch erfahren, dass ein russischer Transporthubschrauber am Makalu abgestürzt sein soll. Es gibt verschiedene Angaben von 20 bis 0 Toten und nur Totalschaden an der Maschine. Aber so wie hier überall kann man niemanden etwas glauben, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Wenn man an irgendeiner offiziellen Stelle oder bei einer Agentur in Nepal bei drei Personen dieselbe Frage stellt, kriegt man 3 100% verschiedene Antworten. Die kleine Akklimatisationstour auf den Kalla Patthar war ganz gut. Wir erreichten knapp vor Sonnenuntergang den Gipfel und wir können bei einer Saukälte ziemlich viele gute Bilder von Nuptse, Everest, Bumo Ri, Ama Dablam usw. machen. Wir sind nicht die einzigen am Gipfel, auch ein Österreicher aus Linz, ein Sherpa, der im Stubaital arbeitet und sonst noch ein paar Touris waren da. Im Anschluss machen wir uns im Dunklen auf den Weg retour ins BC, das wir um 20:30 h erreichten. Purna serviert uns noch etwas Tee mit Schüttelbrot und Käse und dann geht es ab in den Schlafsack.

20.04.08 Everest BC 5364m

Nachdem wir gestern ein bisschen mehr Gas gegeben haben als geplant, bin ich froh, dass heute nur Ruhetag und die Zeremonie angesagt sind. Purna hat heute frisches Hüttenbrot gebacken und so gab es zuerst einmal ein ausgezeichnetes Frühstück. Im Anschluss will ich noch einmal ein Meeting mit dem Militär und meinem Officer haben, was auch tatsächlich klappt. Da ich bis heute weder mein Permit noch den Officer gesehen habe, ist es für mich ziemlich wichtig, Klarheit zu schaffen. Nun ist tatsächlich alles geklärt und ich soll mein Permit morgen von einem Mitarbeiter Thamserkus erhalten. We will see. Die 2 Schweizer haben ihre Zeremonie auch heute und so haben wir uns mit Filmen und Fotografieren abgewechselt. Die Zeremonie dauert ca. 1 Std. gedauert und im Anschluss folgt ein fauler Nachmittag im Zelt. Zum Abendessen kommen dann die 2 Urschweizer zu mir und Purna hat eine perfekte Pizza gemacht. Es treffen immer noch täglich neue Expeditionen ein und der Platz wird immer voller und voller. Doch was soll’s, schon bald geht es ab in den Stau Richtung Hochlager.

21.04.08 Everest BC 5364m

Da es bis heute nicht klar war, ob Lager II nun schon offen ist oder nicht, habe ich beschlossen, noch einen Tag im BC zu verbringen mit Tagebuch schreiben, lesen, Sachen fürs Hochlager packen, ….. Sonst gibt es nicht viel Neues hier. Ausser dass man wirklich aufpassen muss, was man hier macht – denn man wird tatsächlich dauernd bewacht. In kleineren Gruppen schwirren die zivil angezogenen Militärtruppen durchs Lager und kontrollieren, ob alles den Regeln entspricht. Auch im Lager I und II ist das so, selbst wenn es so mache Expeditionsteilnehmer nicht wahr haben will. So wie heute ein Teilnehmer einer amerikanischen Expedition – der hat versucht, eine Fahne mit Free Tibet und den Worten FUCK CHINA im Lager I zu hissen. Das hat er auch geschafft, doch das war seine letzte Aktion auf diesem Berg in dieser Saison. Er musste unverzüglich seine Sachen packen und abreisen. Also die Jungs hier machen tatsächlich Ernst bei gewissen Dingen. Gröbere Verstösse gegen Regeln können auch zur Folge haben, dass das gesamte Team, das auf einem Permit zusammengefasst ist, abreisen muss. Also wie auch immer, man muss auf der Hut sein, wenn man illegal handelt. Auch wenn man nur sein Satellitentelefon nicht abgibt und mal schaut, was weiter passiert – ich würde mich da nicht erwischen lassen wollen. Aber wer wird schon gegen Regeln verstossen, so etwas macht man doch als ehrenhafter Sportler nicht und natürlich darf man sich als Sportler auch kein Gewissen in Menschenrechtsfragen oder gar eine politische Meinung bilden. Das gehört sich einfach nicht - Augen zu und ab ans Ziel, egal ob feig, menschenunwürdig oder was auch immer. Alle, die wie wir hier im Lager des Everest sitzen, müssen den Schwanz einziehen und die Schnauze halten, sonst können wir nach Hause gehen. Es geht ja nur um Sport. Und bei den Nepalis geht es eben nur um Kohle. 51 Mio. US $ von den Chinesen und noch einmal soviel von den Expeditionen, die hier im BC herumhängen und warten müssen, bis China gnädigst weitere Besteigungen in einem Land, das nicht China heisst, zulässt. Morgen geht es ab ins Lager I oder II und eventuell werde ich da oben einmal übernachten. Scheinbar haben die grossen Expeditionen ihre Träger schon vorausgeschickt, um die besten Plätze zu reservieren, bzw. um die Zelte für ihre Teilnehmer aufstellen zu lassen. Bin schon gespannt. Übrigens, heute ist tatsächlich eine Kopie meines Permits bei mir angekommen – unglaublich!

22.04.08 Everest BC 5364m – Lager I 5975m

„Morning“ - 3:30 h ein Schrei von Noppi und alle sind wach. Ich drehe mich noch bis 4:00 h hin und her und beginne mich dann im gefrorenen Zelt langsam anzuziehen. Nachdem ich alle Sachen schon gestern gepackt habe, ist das Aufstehen trotz Kälte und Eis im Zelt schnell erledigt. Ich gehe noch schnell ins Esszelt. Zum Frühstück gibt es eine Tasse Tee und ein paar Stück Schüttelbrot. Gurt und Steigeisen werden angezogen und dann geht es um 5:00 h los. Das erste Stück durch den Eisbruch gehe ich mit Köbi und Noppi neben vielen anderen Aufsteigenden gemeinsam. Nach einer Stunde auf und ab im Eis beginnt sich der Khumbu Eisbruch langsam aufzusteilen und auch die Leute und Träger, die unterwegs sind, beginnen sich langsam zu verteilen. Die Spalten werden immer grösser und das Eis immer undurchdringlicher. Doch der Weg durch den Eisbruch wurde von den Sherpas im Grossen und Ganzen sehr gut angelegt. Es gibt nur ein bis 2 Stellen auf dem Auf- und Abstiegsweg durch den Eisbruch, die meines Erachtens sehr bedenklich sind. Diese muss man dann so schnell wie möglich hinter sich lassen und schauen, dass man nicht zu viel darüber nachdenkt. Riesige Spalten können wir über Leitern überwinden und fast der gesamte Eisbruch ist mit Fixseilen versichert. 4 Std. geht es quer durch Spalten und Seraks, bis ich das obere Ende des Eisbruches erreiche. Zu dieser Zeit kommt dann auch die Sonne durch. Der Gletscher wird dann flach, doch die Spalten werden nicht wirklich weniger. Es ist ein ständiges auf und ab im Eis. Nach 4,5 Std. erreiche ich Lager I. Es stehen schon zahlreiche Zelte der anderen Expeditionen da. Nach einer kurzen Pause beginne ich bei schönstem Wetter und Windstille meinen Lagerplatz herzurichten. Da ich alles selber trage und keine Sherpas habe, wäre es für mich nicht heute nicht möglich gewesen, Lager I auszulassen und gleich Lager II einzurichten. Ich bin froh, dass ich mit den 18 Kg gut im Lager I angekommen bin. Der Aufbau des Zeltes geht schnell voran, doch die Verankerung gestaltet sich etwas schwieriger, da ich vergessen habe, Bambus Anker mitzunehmen. So muss ich 6 Löcher graben und mit Schnee gefüllte Säcke als Anker vergraben. Doch nach 1 1/2 Stunden Arbeit steht Lager I auf 5975m. Ich probiere noch kurz das illegale Telefon aus, und muss feststellen, dass der Empfang perfekt ist. Nach einer halben Stunde Pause geht es wieder durch den Eisbruch retour ins Basislager. Der Abstieg in der Mittagssonne ist nicht nur bedenklich, sondern auch unerträglich heiss. Allerdings hört man es den ganzen Tag und auch in der Nacht krachen und so kann man nie genau sagen, wann der nächste Eisturm in sich zusammenfällt. Schnelles Gehen und keine Pausen im Eisbruch verringern das Risiko ein wenig. Um 13:30 h erreiche ich wieder das Basislager. Purna hat schon Eistee für mich parat und nach einigen Tassen Tee und einem Stück Speck bin ich schon wieder ein neuer Mensch. Lager I ist nun mit einem grossen Vaude Zelt, Leicht-Schlafsack, Isomatte, Kocher, Gas, Futter und Feuer ausgestattet. Nach 2-3 Tagen Ruhepause im BC werde ich dann alles für Lager II und Essen für 3-4 Tage raufbringen und dann auch 4 Tage oben bleiben. Aber im Moment ist wieder einmal ausruhen und langsames Akklimatisieren angesagt. Die Schneeverhältnisse am Berg sind sehr schlecht. Die Lhotse Flanke ist im Moment fast schneefrei und der Gletscher ist blankes Eis. So wie es zurzeit ausschaut, besteht keine Chance Schi zu fahren. Vielleicht gibt es ja in den nächsten Wochen noch etwas Schnee ab. Was die Chinesen auf der Nordseite betrifft, sind die scheinbar noch nicht höher als 7000m – widersprüchlich dazu wollen sie aber schon am 28.04 einen Gipfelversuch starten – bzw. ist dieser Tag laut Auskunft everest.net und Anita als Gipfeltag geplant. We will see wie. Nach einer kurzen Pause im Zelt kann ich auch heute wieder perfekt illegal mit Anita und Tom telefonieren. Es folgt ein gemütlicher Nachmittag und ich bin dann schon um 19:00 h im Schlafsack verkrochen und weggeschlafen.

23.04.08 Everest BC 5364m

Ruhe und Waschtag im BC. Nach einem Frühstück bei den Schweizern mit frisch gebackenen Nussgipferln aus der Basislager Bäckerei habe ich mir eine Dusche mit Haarwaschen – zum 1. Mal Haar waschen seit ich von zu Hause weg bin - gegönnt. Im Anschluss kommt die Wäsche dran. Zu Mittag hat Purna dann Speckknödel mit Krautsalat als Probedurchgang gekocht – ausgezeichnet. So kommen heute Abend wieder einmal die Schweizer zu mir auf Knödel und Kaiserschmarrn – sieht fast so aus, als würden wir nur faul herumhängen und futtern – doch der Körper braucht es und in dieser Höhe gibt es auch wenn man faul herumhängt fast keine Erholung für den Organismus. Jetzt ist endlich wieder alles sauber, inkl. mir. Ausser meiner Familie – meine Frau und die beiden 2 kleinen Saubären - fehlt mir eigentlich fast nichts im Moment.

24.04.08 Everest BC 5364m

Ein chinesischer Besuch und 3-tägiges nepalesisches Militärkasperltheater ist vorbei. Seit 3 Tagen warten nun die ca. 60-80 Soldaten, bzw. Polizisten auf hohen Besuch aus Kathmandu. Täglich bereiten sie den Landplatz für einen Hubschrauber vor. Die letzten 2 Tage wurden Tee, Stühle, Tische usw. zum Landeplatz gebracht und zu Mittag wieder abtransportiert. Das nennt man effektive Planung bzw. perfekte Organisation, so wie man es gewohnt ist von Nepal und China. Doch heute hat es Tatsächlich geklappt und gegen 10 Uhr landet eine MI17 des nepalesischen Militärs knapp 50 m vor unseren Zelten. Die Maschine setzt nur kurz ab und lässt 4 Chinesen aussteigen, die vom hiesigen Militär freudig empfangen werden. Es folgt ein Foto Shooting für die Herren Chinesen im BC. Es wird gefilmt und in verschiedensten Posen fotografiert. Nach ca. 10 min kommt die Maschine noch einmal und bring ranghohe Offiziere des nepalesischen Militärs sowie den Tourismus Minister von Nepal. Die Maschine verlässt auch dieses Mal das BC wieder ohne abzustellen. Es befinden sich nun sicher an die 100 Personen in der Nähe des Helilandeplatzes und es wird eifrig gestikuliert und diskutiert – oder soll man sagen, es wird den Chinesen fleissig in den Arsch gekrochen. Nach einer halben Stunde ist der ganze Zauber vorbei, die Maschine kommt wieder, die alten Männer werden verladen und Ende der Sightseeing Tour. Ich kann wieder einmal viele Fotos machen und im Anschluss geht es ab zum verspäteten Frühstück mit Hüttenbrot, Speck, Käse usw. Purna meint, dass die Verhandlung eventuell eine Öffnung bis Lager III ergeben könnte, doch wie immer ist es auch möglich, dass der Berg bis 10.5. fix geschlossen bleibt. So wie es aussieht, haben die Herrn BC Officer nun erst einmal einen Tag Arbeit mit der Nachbesprechung, eventuell kriegen wir ja morgen Bescheid. Ich sitze nun bei Noppi im Zelt, da meine Solaranlage irgendwie ein bisschen spinnt. Einen Tag geht sie, am nächsten Tag geht wieder gar nichts – ist mir irgendwie unerklärlich. Doch solange ich irgendwie irgendwoher Strom kriege, ist alles ok. Telefon und E-mail gibt es ja nach wie vor offiziell nicht. E-mail gibt es sowieso nur, wenn ich es schaffe, einen Touristen mit Speicherstick mitzugeben bzw. im BC eine leere CD zu finden, die ich dann rausschicke und von Namche oder Lukla verschicken lasse. Der Rest des heutigen Tages dient wieder einmal der passiven Akklimatisation. Ausserdem packe ich alles für Lager II, sodass ich 4 Tage oben bleiben kann. Eventuell mache ich mich morgen wieder auf den langen Weg durch den Eisbruch. Ich werde Purna bitten, dass er für mich bis Tenboche geht und das aktuelle Tagebuch inkl. Bilder nach Hause schickt. Da ich vorhabe, 4 Tage am Berg zu bleiben, sollte das für Purna kein grosses Problem sein. Hoffe, dass alles klappt und endlich wieder einmal News zu Hause ankommen.

25.04.08 Everest BC 5364m – Lager I 5975m

Heute habe ich einen kapitalen Fehler gemacht – ich war zu faul zum Aufstehen. Am Anfang ist das ganz angenehm, wenn man liegen bleibt bis das Eis im Zelt weg ist und die Sonne so heiss wird, dass man gerne aus dem Schlafsack kriecht. Dann folgt ein gemütliches Frühstück, die restlichen Sachen werden gepackt und schliesslich schaffe ich es tatsächlich, um 10 Uhr bei schönstem Sonnenschein und voll bepackt mit 20 kg Material für Lager II aufzubrechen. Der gesamte Eisbruch liegt inzwischen in der Sonne und es hat bestimmt 20 °C + und zu meinem Glück geht absolut kein Wind. Also schwitze ich mich im Schneckentempo ca. 4 Std. durch Seraks und Gletscherspalten bis Lager I. Im Lager I angekommen beschliesse ich, eine oder zwei Nächte hier zu bleiben. Es folgen die üblichen Lagertätigkeiten wie Schnee schmelzen, Tee und Suppe kochen und bei 30 °C im Zelt zu schwitzen. Während meines Aufstieges wurde heute ein Expeditionsteilnehmer einer anderen Gruppe ausgeflogen. Auch Noppi und Köbi sind heute bis Lager II aufgestiegen. Es ist gut zu wissen, dass Menschen unterwegs sind, mit denen ich gut auskomme. So können wir uns zumindest gelegentlich gegenseitig kontrollieren, bzw. darauf achten, dass keiner fehlt. Da ich meine schwarze Jacke mit den Notfallmedikamenten im BC vergessen habe, folgt eine etwas unangenehme Nacht. Nach dem Aufstieg in der vollen Mittagssonne hat mein Körper wohl einen leichten Sonnenstich davon getragen. Ich war schon eingeschlafen als ich gegen 22:00 h wegen extrem starker Kopfschmerzen und Übelkeit wieder aufgewacht bin. Zuerst bin ich mir nicht ganz sicher, ob es an der Höhe liegt. Zur Vorsicht habe ich versucht, sitzend weiterzuschlafen. Mit einem Aspirin wäre das eine ganz ordentliche Nacht geworden. Später habe zum Glück noch an meine 4 Tagesrationen von Flavanol gedacht. Ich habe mir die max. Dosis von 750mg eingeworfen und nach einer Stunde bis zum Morgen durchgeschlafen.

26.04.08 Lager I 5975m – Lager II 6500m

Das Erwachen am Morgen war nicht viel besser als das Einschlafen. Zwar waren die Kopfschmerzen und die Übelkeit weg, dafür habe ich eine riesige Fieberblase bekommen, die ganz schön bis auf die Zähne und das rechte Auge ausstrahlt. Ich habe mich gleich wieder umgedreht und weitergeschlafen – selber Fehler wie gestern. Um 12:00 h bin ich dann los mit wieder einmal 20 Kg am Rücken Richtung Lager II. Der Aufstieg ist recht angenehm und ich komme auf dem mässig steilen Gletscher gut voran. Nach 2 Std. erreiche ich das untere Ende vom Lager II. Da ich mit Noppi abgemacht habe, dass ich mein Material bei ihm im Zelt deponieren darf, habe ich mich auf die Suche nach diesem einen Zelt zwischen 150 Zelten gemacht. Nach 1,5 Std. habe ich die Suche aufgegeben, quer durch riesige Mannschaftszelte mit Stromaggregaten, Solaranlagen, Heizung usw. erreiche ich irgendwann den höchsten Punkt, wo mich dann das Militär daran hindert, weiterzugehen. Ab 6540m ist Sperrgebiet. Auf dem Retourweg entdecke ich die Zelte von Kari Kobler. Auch Kari selber ist da und ich kann mein Material problemlos bei ihm deponieren. Nach einem kurzen Plausch und einem Tee im Küchenzelt machte ich mich wieder auf den Weg ins Lager I runter. Bei schönster Abendstimmung erreiche ich mein Zelt gegen 17:30 h. Wieder gibt es Tee und Suppe. Und dann folgt eine gemütliche Nacht ohne irgendwelche Beschwerden.

27.04.08 Lager I 5975m – Lager II 6500m

Heute habe ich es tatsächlich schon kapiert und bin etwas früher aus dem Zelt, um der Hitze zu entgehen. Es ist wirklich angenehmer, nicht in der Mittagssonne aufzusteigen. Nachdem ich das Zelt abgebaut habe und der Schlafsack, Isomatte, Kocher usw. verpackt ist, geht es wieder los Richtung Lager II. Da stehen ja immer noch die ca. 150 Zelte. Gegen Mittag finde ich einen Platz in der Moräne, wo ich mit etwas Arbeit mein Zelt aufstellen kann. Noppi habe ich auch bei diesem Aufstieg nicht gesehen. So mache ich mich an die Arbeit, meinen Zeltplatz aus dem Eis zu schlagen. Nach 2 Std. steht das geräumige Space K2 Zelt von Vaude wie auf einem Adlerhorst in der Moräne. Es folgt wie üblich eine Pause, bis ich mich aufraffe das deponierte Material bei Kari abzuholen. Um 17 Uhr krieche ich dann ins Zelt und beginne wie üblich mit dem Schnee schmelzen. Doch der Schnee ist voll Staub und Schmutz und das geschmolzene Resultat zum Kotzen. Ich kann mich nicht überwinden, das Zeugs zu trinken oder eine Suppe zu kochen. Mit Verachtung würge ich eine Dose Fisch hinunter und verkrieche mich in meinem Schlafsack. Die Nacht verläuft trotz Flüssigkeitsmangel recht komfortabel.

28.04.08– Lager II 6500m

Erst als die Sonne zu heiss wird, bewege ich mich langsam in meinem Schlafsack. Ich muss Trinken, ist meine erster Gedanke. Ich habe zwar keine Kopfschmerzen, fühle mich aber total ausgetrocknet. Was soll’s, ich würge das Schmelzwasser mit Riccola Kräutertee hinunter und lümmle weiter im Zelt herum. Irgendwann kommt dann ein anderer Druck und ich muss aus dem Zelt. Drückende Hitze im Zelt und akute Verbrennungsgefahr. Vor allem für meine Fieberblase ist es besser, wenn ich im Zelt bleibe. So kriege ich fast einen Hitzeschlag. Ans Essen brauche ich auch nicht zu denken. Es graust mich einfach von jeder Art Essen und Trinken. Und was noch dazu kommt ist, dass man alleine ist, niemand da ist, der einem zu irgendwas motiviert – weder zum früh Aufstehen noch zum Kochen oder zum Essen. Ich esse und trinke also wieder den ganzen Tag fast nichts. Gegen 16 Uhr, als ich zufällig aus dem Zelt schaue, geht tatsächlich die nepalesische Form von Rambo an mir vorbei. Ein Soldat mit einem höchst modernen Schussgerät, mega Objektiv und Nachtsichtgerät – und das im Lager II. Das kenne ich nicht einmal von Pakistan. China macht’s möglich! Wie ist es etwa, wenn man in der nepalesischen Regierung sitzt und einem bewusst wird, dass man die kleine Hure Chinas ist? Vielleicht müssen wir das nächste Mal schon Free Nepal Fahnen mitbringen. Da ich mich nicht mehr zum Kochen motivieren kann, folgt wieder einmal eine unruhige Nacht. Jede Stunde ein Blick auf die Uhr – so etwas gibt es bei mir normalerweise überhaupt nicht. Ich muss darauf achten, dass ich beim nächsten Aufstieg anderes Essen und Verdünnungssaft mitnehme.

29.04.08– Lager II 6500m – BC 5364m

Gegen 5:00 h beginne ich mich vollkommen ausgetrocknet im Schlafsack hin und her zu wälzen. Nicht lange dauert es, bis ich meinen Rucksack gepackt habe und um 6:00 h geht’s abwärts Richtung BC. Unerwartet kalt geht es vorbei an der noch schlafenden Zeltstadt, sehr schnell spüre ich die Folgen der Entwässerung meines Körpers. Kalte Zehen und Finger, die ich nicht mehr spüre. Wieder wird mir bewusst, dass ich mich mehr unter Kontrolle haben muss und konsequent zumindest trinken muss. Ich komme schnell voran und mache noch einige Bilder der ersten Sonnenstrahlen am Pumori. Aber auch das lasse ich schnell wieder, denn auch dem Akku meiner Kamera ist zu kalt. Im Lager I setze ich mich kurz hin, um auszurasten. Doch ein leichter Wind und eine Saukälte treiben mich schnell weiter nach unten. Es begegnen mir im Abstieg durch den Khumbu Eisbruch ca. 60 Sherpa Träger, aber zu meiner Überraschung nur 3 ausländische Bergsteiger. Um 9 h erreiche ich das Basislager zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen. Die letzten Tage haben mir ziemlich zugesetzt. Ich habe sicher 5 kg verloren. Aber ich bin nun auch sicher gut an Lager II, sprich eine Höhe von 6500m angepasst. D.h. es gibt für mich nun kein Lager I mehr, da ich sonst zu viel Material am Berg hätte. Ich habe einfach das Zelt Lager I nach oben verschoben und muss von nun an immer direkt ins Lager II aufsteigen. Im BC angekommen mache ich mich sofort auf die Suche nach etwas Trinkbarem. Das gelingt mir sehr schnell, denn wie immer hat Purna einen Krug kalten Tee für mich im Esszelt parat. Ich trinke sicher 3 Liter und mein Erschöpfungszustand verbessert sich schnell. Purna taucht in der Zwischenzeit auch auf und klärt mich über die neuesten BC News auf. Gestern hatten alle ein Meeting im BC, dabei wurde festgelegt, wer die weitere Route am Berg versichert. Die Sherpas aus den 5 grössten Teams werden diese Arbeit verrichten. Dabei wurden auch wieder einmal Zahlen bekannt gegeben. Es befinden sich zurzeit 279 ausländische Bergsteiger im BC, davon wollen ca. 60 auf den Lhotse und der Rest auf den Everest. Die Teams werden von ca. 400 Einheimischen unterstützt – Köche, Träger, etc. Der Berg ist nun offiziell von 1. – 6. Mai geschlossen, d.h. wenn die Chinesen ihr Feuerspielchen bis 6. nicht geschafft haben, bleibt der Berg bis auf weiteres geschlossen. Geschlossen heisst, dass niemand über das BC hinaus darf. Ausgenommen Träger in Begleitung eines Offices. Wie sind die Aussichten eines Gipfelerfolges der Chinesen im vorgegebnen Zeitfenster? Das wissen wir leider nicht. Der Wetterbericht für 1. und 2. Mai ist perfekt, doch die Tatsache, dass 1000 Chinesen nicht in der Lage sind, Lager 4 einzurichten ist sehr ernüchternd. Laut Infos eines Liaison Offices mussten gestern 2 Nepali Climbing Sherpas nach China gebracht werden, um Lager 4 einzurichten. Das nennt man dann wahrscheinlich nationalen Erfolg und nationalen Stolz. Bei uns im BC sind inzwischen weitere 15 schwer bewaffnete nepalesische Soldaten eingetroffen, wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast glauben, wir sind hier im Krieg irgendwo in Afghanistan oder im Irak und das alles nur wegen des Olympischen Feuers???? Was müssen die Chinesen so verbissen verstecken? Einen vorprogrammierten Misserfolg oder das verheizen von Menschen oder……? Da es für uns nun sowieso nichts zu tun gibt, werden wir morgen nach Tengboche gehen und endlich mal wieder neue Bilder nach Hause schicken. Heute Abend gibt es wieder einmal Fondue bei meinen Schweizer Kollegen. So werde ich die verlorenen Kilos schnell wieder draufhaben. In Tengboche werde ich die Gelegenheit einer heissen Dusche, rasieren, E-Mail und den Genuss einer Bäckerei auf mich zukommen lassen. Nach einem Ruhetag in tiefen Lagen machen wir uns dann wieder auf den Weg ins BC. Da bin ich übrigens nicht der einzige, der das macht. Einige Expeditionen haben das BC bereits verlassen. Ich hoffe, bald wieder Neues senden zu können und bin in der Zwischenzeit - so China will - auf dem Weg Richtung Gipfel.

Schöne Grüsse aus Nepal - Stephan

Text und Fotos: Stephan Keck

Powered by

Masterfood und Cocoavia

Ausgestattet von:

Vaude, Völkl, Leki, Black Diamond, La Sportiva, Marker

Logistic und Technical Support:

Kühne und Nagel, Siko Solar, Sport Eybl

Weiter News zur bevorstehenden Expedition folgen in Kürze, mehr zu Stephan Keck gibt es unter www.stephan-keck.at oder unter www.alpinist.at

Webtipp:

www.alpinist.at

www.stephan-keck.at



Kommentare

Neuer Kommentar
Zum Verfassen von Kommentaren bitte anmelden oder registrieren.