Batura II (7.782 Meter)
Sonntag, 5. Juni 2005 startet Simone vom Flughafen Mailand Malpensa um die Erstbesteigung des Batura II zu versuchen. Dabei handelt es sich um den höchsten unbestiegenen Berg auf der Erde. Er befindet sich in Pakistan im östlichem Karakorum in der Batura Muztagh Gruppe.
Der Bergamasker wird sich, gmeinsam mit dem Amerikaner Joby Ogwyn, der auch Kameramann ist, von der meridionalen Seite aus versuchen. Die Expedition wird ultraleicht unterwegs sein und wird weder Höhenträger noch künstlichen Sauerstoff verwenden. Die beiden Freunde werden im Karakorum nur von einem pakistanischem Koch im Basislager unterstützt.
Dank der modernen Technologien wird es möglich sein täglich die Fortschritte via Internet unter www.simonemoro.com zu verfolgen. Ein Satellitentelefon Thuraya, ein tragbarer Computer, Fotoapparat und digitale Kamera werden es ermöglichen Worte und Bilder zu senden. Sonnenpanelle und ein kleiner tragbarer Generator werden die notwendige Energie liefern um die Geräte zu betreiben.
Überlegungen von Simone über „seinen“ Alpinismus und dem bevorstehendem pakistanischem Projekt
Simone Moro:
„Höhen“-Überlegungen
Zu viele Menschen auf den Achttausendern, mit dem einzigen Ziel vor Augen, die Sammlung der 14 Kolosse zu vervollständigen, die diese magische Zahl überschreiten. Wer nicht die Ambition der „Sammlung“ in sich trägt, möchte den Gipfel erreichen ohne sich dabei viele Gedanken über die Aufstiegsroute zu machen, da es sich bei 95% der Fälle um die „Normalroute“ handelt, die, auch wenn nicht immer leicht, doch meistens die Route der Erstbegeher vor fast einem halben Jahrhundert ist. Eine weitere Modeerscheinung ist die, der Erstbesteiger eines Gipfels „X“ in der „eigenen Kategorie“ zu sein: der erste Italiener, der erste Amerikaner, der erste Senegalese, die erste Taube, die erste Frau, der erste Weiße, der erste Schwarze, Rote, Gelbe, der Schnellste, der Schönste, Reichste, der....Dümmste.
Ich selbst bin solchen Leuten begegnet und habe selbst „gesündigt“, indem ich mich ebenfalls Normalrouten gewidmet habe. Mir wurde aber schon vor einiger Zeit bewusst, dass sich der echte Alpinismus mit anderen physischen und mentalen Kriterien der Vertikalen nähert.
Deshalb habe ich mich, manchmal gezeichnet von Erfolg, aber andere Male auch von Niederlagen und Aufgabe gedämpft, an Winterbegehungen, neue Routen und Überschreitungen gewagt, und versuchte dabei das Erbe der großen Bergsteiger der Vergangenheit weiter zu tragen.
Ich wollte meinen eigenen Weg gehen und nicht einfach die einstigen, grandiosen Taten klonen. Der gegenwärtige extraeuropäische Alpinismus ist kurzsichtig und fantasielos geworden (damit meine ich die Expeditionen). Die Bergsteiger haben sich, mit wenigen erfreulichen Ausnahmen, mit ihrem Denken, ihrer Art des Kletterns, sich zu erzählen, wie sie die eigene bergsteigerische „Karriere“ sehen, selbst homologiert. Noch nie bestiegene Berge, neue Routen auf unbekannte oder wenig begangene Flanken, Wiederholungen von Erstbegehungen, Winterbegehungen, Überschreitungen und viele andere Formen des Bergsteigens, fehlen im Strom der Tendenz.
Nur sehr wenige wagen sich an diese neue Grenzen des Abenteuers heran. Oft kommen sie aus dem Osten Europas, begleitet von Einzelgängern aus der nationalen und internationalen Szene. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, Hauptgrund die Angst vor dem Versagen und die Angst davor, mit den klassischen 8000er Begehungen vom medialen Interesse her nicht mithalten zu können, falls man sich für einen 6-7000er entscheidet.
Man braucht sich nur in irgendeine Internetseite einzuklicken: in den Perioden vor und nach der Regenzeit häufen sich die Meldungen über Gipfelsiege an den höchsten Bergen der Welt.... alle gleich, alle schön aneinandergereiht...
Auf einen Berg zu klettern ist schwierig und von Ungewissheit geprägt, das weiß ich, aber außer der körperlichen Belastung bräuchte es ein wenig Fantasie, Erfindungsgeist, Hunger nach dem Unerforschten und nach Abenteuer, egal ob man ein GPS oder ein Satellitentelefon bei sich hat. Mit den Möglichkeiten der Kommunikation können wir über neue, reizvolle und abenteuerliche Taten berichten, wir können aber auch über langweilige, titanische körperliche Belastungen auf einer schon hundert Male und im gleichen Stil begangene Routen melden.
Aber auch ein Misserfolg hat einen anderen Beigeschmack, wenn er auf einem etwas „anderem“ Weg, entfernt vom Üblichen, erlebt wurde...
Die häufigsten Fragen, die einem von anderen Bergsteigern und Bergbegeisterten gestellt werden, sind: wie viele 8000er hast du bestiegen und: wie oft warst du auf dem Everest? Ist das die aktuelle Maßeinheit um einen Bergsteiger einzustufen?? Wenn du versuchst „anders“ bergzusteigen, dich in mehreren Sprachen ausdrückst, selbst Bücher schreibst (und sie nicht schreiben lässt), wenn du auf jedem Terrain zu Hause bist (Fels, Eis, Mixed) und du Erfolge und Niederlagen mit dem gleichen Tonfall wiedergibst, dann wirst du von den Hauptdarstellern der alpinen Szene schlecht angesehen und wirst nur toleriert. Hat man diese Eigenschaften, so wird man kritisiert und mit Misstrauen behandelt.
Reinhold Messner, die ewige Nummer Eins sollte doch in Sachen Vielfältigkeit, wie es körperliche, geistige, sportliche und unternehmerische Fähigkeiten sind, Schule gemacht haben....
Das Projekt Batura II
Es entsteht eigentlich aus meiner Analyse, die kritisch, hart und ein wenig unbequem der Welt gegenüber steht, aus der ich stamme (ich werde mir sicher wieder neue Feindschaften einhandeln) und gerade aus meinem etwas eigenen alpinistischen Werdegang entwickelt sich mein neues Projekt.
Ich habe versucht, das Konzept von extremer Höhe, Schwierigkeit, Einsamkeit, Ungewissheit, Abenteuer und Unbekanntheit in ein einziges alpinistisches Projekt zu vereinen. Ich habe mich gefragt, wo der höchste, noch unbestiegene Berg der Erde sein würde und welcher es wohl ist.
Es sind wohl noch einige hundert dieser Berge und Gipfel auf unserem Planeten, die noch unerforscht sind, und ich wollte die Identität des Höchsten davon suchen.
Er heißt Batura II, ist 7762 Meter hoch, liegt in Pakistan und zwar in der östlichen Region des Karakorum und ist Teil der Batura-Muztagh-Kette. Der Batura II wird auch Point 314 oder Hunza Kunji genannt und es war schon schwer genug ihn zu finden und genauere Informationen über seine Geschichte in Erfahrung zu bringen. Viele Web Seiten und einige Veröffentlichungen betrachteten den Gipfel als schon bestiegen und zwar von einer japanischen Expedition im Jahre 1978. Dank der kostbaren, wissenschaftlichen Informationen des deutschen Wolfgang Heichel habe ich entdeckt, dass dieser Gipfel noch NIE erreicht wurde, obwohl es schon vier Versuche gab. Der erste Versuch wurde von einer englisch-deutschen Expedition im Jahre 1959 unternommen, der Zweite 1978 von den Japanern, bei dem Ishikawa Ito und Makoto Ohkubo jedoch den Gipfel des Batura IV erreichten. Nach dieser Expedition versuchten sie, den Gipfel des Batura II von der Südseite aus zu erreichen.
Ito selbst gab dann Einzelheiten über den Aufstieg bekannt und verdeutlichte somit deren Aufstieg zum Batura IV. 1983 versuchten es dann die Polen, die sich schlussendlich dem Batura I widmeten, nachdem sie sich zuvor am Batura II versucht hatten. Schließlich versuchte es 2002 eine deutsche Seilschaft. Markus Walter, Mitglied dieser Expedition, war es, der mir Informationen und Aufnahmen, die er vor Ort machte, zukommen ließ.
Gott sei Dank ist der Alpinismus noch nicht gestorben. Es gibt noch jemand der versucht ihn aus der Versteinerung zu ziehen, in der er sich gejagt hat und ich versuche einen kleinen Beitrag zu leisten.
Der Batura II mit seinen 7762 Metern ist also der höchste noch unbestiegene Berg unserer Erde. Auch wenn es einige Vorgipfel (oder sogenannte Satellitengipfel) gibt, die höher sind und noch auf eine Erstbesteigung warten wie z.B. der Lhotse Middle East 8376 m oder der Nuptse Central 7815 m, die jedoch nicht als eigenständige, unabhängige Gipfel gelten, wie es bei dem Batura II der Fall ist. Schon der Name (Batura II, und nicht Batura East, West oder Central) weist auf einen eigenständigen Gipfel der Batura-Mutzagh-Kette hin, wie es bei der Annapurna-Gruppe mit der Benennung I, II, III, IV, der verschiedenen Quoten und Standorte der Fall ist.
Die Südseite des Batura II, die ich für meinen Versuch gewählt habe ist zwar schwieriger als die westliche, dafür aber nicht so gefährlich. Auch alle bisherigen Versuche wurden auf der Südseite getätigt, ich werde aber einer anderen, neuen Linie folgen.
Mein Seilpartner wird der amerikanische Bergsteiger und Kameramann Joby Ogwyn sein. Wir werden absolut die einzigen in der Bergregion des Batura Mutztagh sein, und diese Tatsache wird uns die Einsamkeit und komplette Unabhängigkeit garantieren, die der Grundstein unserer Philosophie ist. Wenn wir diese Faktoren mit der extremen Höhe des Gipfels, der unbekannten Route und der totalen „Jungfräulichkeit“ der oberen Hälfte des Berges und dessen Gipfels addieren, kann man sagen, dass dieses Projekt gleichsam reizvoll, schwierig und abenteuerlich ist. Genau so etwas habe ich gesucht, denn gerade diese Komponenten findet man sonst nur im echten Winter oder in wenig anderen Situationen und Ausrichtungen auf den 8000ern.
Timing der Expedition und Kommunikationsplan
Die Abfahrt wurde für Sonntag den 05. Juni 2005 von Mailand-Malpensa festgelegt. Wir werden am 06. Juni in Islamabad ankommen. Nachdem alle bürokratischen Formalitäten erledigt sein werden und wir das Briefing im pakistanischen Amt für Tourismus hinter uns haben, alles Nötige für die nächsten zwei Monate eingekauft haben und das gesamte alpinistische Material gecheckt sein wird, beginnt die Fahrt zum Batura.
Chilas, Aliabad und am dritten Tag Hassanabad werden unsere Etappen sein, die wir mit dem Jeep zurücklegen, werden. Von Hassanabad werden wir nach vier Tagen Trekking das Basislager am Batokshi Gletscher, auf etwa 3900 Metern Höhe errichten. Wir werden fast zwei Monate unterwegs sein, um den Gipfel zu versuchen und das Gebiet zu erkunden.
Außer einem pakistanischen Koch, der uns im Basislager zur Seite stehen wird, werden wir keine Höhenträger in Anspruch nehmen, so wie wir auch keinen zusätzlichen Sauerstoff für unseren Aufstieg benutzen werden. Ein ultraleichter Stil also, der täglich mittels Satellitenübertragung erzählt wird.
Die Satellitentechnologie „Thuraya“ (von Intermatica srl. zur Übermittlung des Audios zur Verfügung gestellt) und der Modem „Regional B-Gan“ (von Telemar für den Datenkanal) werden es also ermöglichen, unsere Fortschritte täglich im Internet, sechssprachig, unter www.simonemoro.com zu verfolgen. Solarzellen und ein kleiner Stromgenerator werden für die nötige Stromversorgung der einzelnen Geräte verantwortlich sein.
Simone Moro
Webtipp:
www.simonemoro.com - die Webpage von Simone mit allen Infos, auch über seine bisherigen Expeditionen.
Kommentare