Martin Feistl bei der clean Begehung der Route Massive Attak (8a+(b) in Konstein (c) Lukas Neugebauer Martin Feistl bei der clean Begehung der Route Massive Attak (8a+(b) in Konstein (c) Lukas Neugebauer
23 Mai 2024

Martin Feistl tödlich verunglückt

Martin Feistl gehörte zu den besten deutschen Allround-Kletterern, er zeichnete sich durch Erstbegehungen und Wiederholungen schwierigster und sehr anspruchsvoller Alpenrouten aus. Ein kurzer Nachruf.

Am vergangenen Samstag ist Martin Feistl bei einem Bergunfall im Wettersteingebirge ums Leben gekommen. Der 27-Jährige stürzte aus bislang ungeklärten Gründen in der Südwand der Scharnitzspitze ab, wo er free solo im Bereich der  Spitzenstätter Route unterwegs war. Mit Martin Feistl verliert die Bergsportszene einen der besten deutschen Alpinisten der Gegenwart!

Martin wurde am 17.08.1996 geboren und stammt aus einer Bergsteigerfamilie. Er hat mit seinen Eltern in Klettergärten angefangen zu klettern, bereits mit 10 Jahren bestieg er den Gipfel des 5652 m hohen Elbrus. An seinem 14. Geburtstag im Jahr 2010 bestieg er in Ladakh einen unbekannten 6.000er. Von 2016 bis 2018 war Martin Mitglied im DAV-Expeditionskader und begann vermehrt seine Erfahrungen und sein Können aus dem Sportklettern in die großen Wände zu übertragen.

Abenteuergefühl in den Alpen

Das Klettern war für Martin eine der beiden Säulen des Alpinismus, zusammen mit einer entsprechend hohen Leidensfähigkeit. Martins Stärken lagen im schwierigen, kombinierten Gelände an großen Wänden in den Alpen, wobei er zuletzt auch auf die ökologische Anreise zu seinen Routen sehr großen Wert legte. In den schwierigen Alpenwänden sah Martin die Zukunft des Alpinismus. Nach einem Ausflug ins Expeditionsbergsteigen 2018 am Shivling (6543 m), den Martin mit seinen Gefährten über den Westgrat bestieg, fokussierte sich Martin Feistl darauf, das gleiche Abenteuergefühl in den Alpen zu finden, ohne aber dafür um die halbe Welt fliegen zu müssen.

Das Ergebnis waren schwierigste Erstbegehungen und Wiederholungen mit Kletterpartner wie Martin Sieberer, Simon Gietl, Silvan Metz, Sven Brand, David Bruder und seinem Vater Stefan Feistl. Von jeder Erstbegehung und Wiederholung brachte Martin auch ein genaues Topo und eine gute Routenbeschreibung mit, die er auf seiner Alpinfabrik oder bergsteigen.com veröffentlichte. 

Im Jahr 2023 zog es Martin aber noch einmal in die Ferne zum sogenannten Mythic Cirque in Grönland, wo ihm gemeinsam mit Felix Bub 3000 Meter Erstbegehungen bis 7b+ im Alpinstil, 8 Gipfel und Gendarme und eine Wiederholung der 840 Meter langen "Forum" (7c) gelang.

Sauberer Stil

Für Martin war bei seinen Erstbegehungen der Begehungsstil besonders wichtig: „Das heißt für mich, von unten kommend, frei klettern, in großen Wänden im alpinen Stil und im Granit grundsätzlich ohne Bohrhaken. Im Kalkstein ist das leider oft unmöglich, obwohl ich in den letzten Jahren einige Kalkstein-Sportkletterrouten bis zum Grad 8a+/b trad klettern konnte.“ Seine Erstbegehungen wie Flugmeilengenerator – Schwarze Wand (500m, 7a, solo, FA) oder Stalingrad – Grubenkarspitze (1000m, M8, WI 7, onsight) gehören zu den schwierigsten, modernen Alpenrouten. Auch hat sich nach der Shivling Expedition Martins Vorstellung von einem nachhaltigen Alpinismus, der oftmals durch Verzicht geprägt sein sollte und so noch vielen Generationen Platz zur Entfaltung lässt, weiter verfestigt.

Grenzverschiebungen

Auch die Auseinandersetzung mit der Angst war für Martin, der in den letzten Jahren auch vermehrt Routen free solo kletterte, immer ein wichtiges Thema: „Ängste sind oft vergleichbar, aber im Alpinismus sind sie oft noch existenzieller, was zu Leistungen führen kann, die man hinterher nüchtern, wenn der Endorphinspiegel abgesunken ist, nicht mehr nachvollziehen kann. Es sind diese Grenzverschiebungen, die mich immer wieder antreiben. Mit wachsender Erfahrung merke ich aber auch sehr eindrücklich, wie einerseits der Drang, an die Grenzen zu gehen, ähnlich stark bleibt, gleichzeitig aber das Ziel, ein alter Bergsteiger zu werden, eine immer größere Rolle spielt. Hier eine Balance zur inneren Zufriedenheit zu finden, wird immer mehr zur Hauptaufgabe in meinem Bergsteigerleben.“ Letzteres hat Martin leider nicht erreicht.

Vor allem für junge, herangehende Alpinisten war Martin Feistl mit seinen modernen, schwierigsten Erstbegehungen ein großes Vorbild, zu dem die junge Alpinkletterszene mit Bewunderung aufblickte. Seine Leistungen wurden von vielen in den sozialen Medien und auf diversen Bergsteiger-Portalen mit höchstem Interesse verfolgt. Seine erfrischende Art, die vollbrachten Leistungen zu kommunizieren und natürlich auch die von Martin eröffneten Touren an sich, prägen nachhaltig die junge Bergsteigergeneration!


RIP Martin!


Einige Highlights aus Martins Tourenbuch

2016 Rumeni strah - Paklenica (315m, 9, onsight Wiederholung)

2019 Flugmeilengenerator – Schwarze Wand (Solo EB, 400 m, 8, solo)

2019 Pandora – Pordoi Westwand (3. Beghung mit David Bruder, 600 m, WI6, M5, 5)

2020 24 hours of freedom – Sagzahn (EB, 950 m, M6, WI4)

2021 Stalingrad – Grubenkarspitze (EB 1000 m, M8, WI 7, onsight)

2022 Die Kohlebagger von Lützerath - Maningkogel (EB mit Silvan Metz, 520 m, M8, 50°)

2023 Massive Attack - Konsteiner Wand (20 m, 10-/10, 1.Trad-Begehung)

2024 Aura - Langkofel Nordostwand (EB mit Simon Gietl 1200 m, M6 AI 5)

2024 Daily loose of Luck – Pinnistal (free solo EB, 400 m, WI5 M4)


Text: Andreas Jentzsch (Anm.: Die beiden Zitate stammen von einem Bericht auf Mountain Equipment, einem Partner von Martin) 

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