Im Rahmen einer achtwöchigen Expedition zum Nanga Parbat, 8125 m, dem neunthöchsten Berg unserer Erde, macht Luis Stitzinger aus Höhenkirchen bei München das Unmögliche möglich.
DER NANGA PARBAT – „SCHICKSALBERG DER DEUTSCHEN“
Der Nanga Parbat, der neunthöchste Berg unserer Erde, befindet sich in Pakistans „Northern Areas", unweit der Landesgrenzen zu Afghanistan im Westen und China im Norden. Allein stehend, thront er nahezu siebentausend Meter über dem Industal und bildet die westlichste Bastion des Himalaya-Gebirges. Aufgrund seiner von tragischem Unglücksgeschehen geprägten Historie wird er vielfach als „Schicksalsberg der Deutschen“ oder „Killer Mountain“ bezeichnet. Erst in diesen Tagen wurde er seinem düsteren Ruf wieder gerecht, als er das Leben Karl Unterkirchers (Südtirol) und Saman Nemati (Iran) forderte. 1990 glückte dem Südtiroler Hans Kammerlander und dem Schweizer Diego Wellig die erste und bislang einzige Skiabfahrt vom Nordgipfel (8070 m) des Achttausenders, wobei sie aufgrund ihrer Routenführung, die sich im wesentlichen an der klassischen Aufstiegsroute (Kinshofer Route) orientierte, an einigen Stellen ihre Abfahrt unterbrechen und über einige Felsbänder und kombinierte Gratstellen abklettern oder abseilen mussten. Das Ziel Luis Stitzingers war es, auf einer neuen und direkten Linie eine vollständige Skibefahrung der Diamirflanke zu versuchen.
NACH VIER WOCHEN AM GIPFEL
Bereits vier Wochen nach Expeditionsbeginn, am 21. Juni 2008, stand Dynafit Teammitglied Luis Stitzinger als Leiter einer DAV Summit Club Expedition mit allen fünf Teilnehmern – darunter auch seine Lebensgefährtin Alix von Melle – das erste Mal auf dem Gipfel des Nanga Parbat. Auf der klassischen Kinshofer Route durch die Diamirflanke des Berges mit ihren vier Hochlagern (4900 m, 6070 m, 6800 m, 7100 m) machte sich das Team nach einer sturmtosenden Nacht auf die 20-stündige Gipfeletappe und erreichte mit sechs weiteren Bergsteigern aus Deutschland, Italien und Pakistan den Gipfel. Als „Warm Up“ hatte Stitzinger während der Zeit des Routen- und Lageraufbaus bereits die Schlüsselstellen der von Kammerlander und Wellig befahrenen Linie zwischen Lager 3 und 1 befahren können, ohne die Ski abschnallen zu müssen. Nach einem raschen Abstieg ins Basislager und einigen Erholungstagen stellten sich jedoch nicht die erforderlichen Verhältnisse für eine neuerliche Skibefahrung ein. Im Gegenteil, die Diamirwand aperte immer stärker aus, Blankeis erschien dort, wo Schnee sein sollte. So brach Stitzinger zusammen mit seinem Partner Josef Lunger zu „Plan B“ auf.
MAZENO RIDGE – ZEHN KILOMETER GRAT AUF EINEN ACHTTAUSENDER
Zwei Zustiegstage, sieben Klettertage, die Zweitbegehung des Mazeno Peak, 7145 m, und mehrerer seiner über siebentausend Meter hohen unbenannten Trabanten – das ist die Bilanz einer Überschreitung der „Mazeno Ridge“, des mit über 10 Kilometer Ausdehnung längsten Grates an einem Achttausender. Ihr Ziel, den Gipfel des Nanga Parbat erneut auf diesem Weg zu erreichen, konnten Lunger und Stitzinger jedoch nicht ganz verwirklichen. Zu viel Schnee, der während der vergangenen Tage immer wieder gefallen war, machte ihnen den Weg schwer. Die schwere Spurarbeit, das schlechte Wetter und der andauernde Aufenthalt über 7000 Meter Meereshöhe forderten schließlich ihren Tribut, zudem ging ihnen die Verpflegung aus. So entschlossen sich die beide Bergsteiger nach der Überschreitung des Kammes über eine von Reinhold Messner im Jahre 1978 im Alleingang bestiegene Routenführung wieder ins Basislager abzusteigen.
SPEKTAKULÄRE SKIABFAHRT VOM NANGA PARBAT - 8125m
Zurück im Basislager, bot sich plötzlich nach einigen Tagen noch unverhofft eine Chance für das Skiprojekt: Karl Gabl, Expeditions-Meteorologe aus Innsbruck, prognostizierte für die letzten Tage ihres Aufenthalts ein Schönwetter-Fenster von drei Tagen. Am 15.7. brach Stitzinger um 4.30 Uhr erneut im Basislager auf, um eine Schnellbesteigung über die Kinshofer Route zu versuchen. Nach 1,5 Stunden erreichte er Lager 1, nach weiteren 4,5 Stunden Lager 2, wo er nach der frühmorgendlichen Begehung der Löw-Eisrinne (Eis-, Steinschlaggefahr) einige Stunden abwarten musste, um wieder in den Zeitplan zu kommen und den restlichen Anstieg ohne weitere Verzögerungen über Camp 3 und 4 durch die Nacht hinweg fortsetzen zu können. Um 18.00 Uhr setzte Stitzinger seinen Weg fort und stieg bei aufziehender Abendstimmung die Eishänge zu Camp 3, 6800 m, hinauf. Dort traf er auf die Mitglieder der iranischen Expedition, die sich auf ihren Gipfelgang am 17.7. vorbereiteten.
Um 21.30 Uhr, nach 3,5 Stunden Aufstieg, wurde er von den Bergsteigern mit Tee und Schokolade begrüßt. Nach einer Pause, in der wärmere Socken, Overboots und Daunenbekleidung angezogen wurden, ging es weiter. Nun hieß es selbst Spuren, da seit mehr als zwei Wochen niemand mehr über Lager 3 aufgestiegen war. Die Fixseile waren tief verschneit, der tiefe Bruchharsch erforderte allein extreme Anstrengungen beim Spuren. Dazu blies ein schneidend kalter Wind, Stitzingers Zehen waren seit Stunden taub, dauernd musste er sie bewegen, um nicht komplett das Gefühl zu verlieren. Bis die wärmenden Strahlen der Sonne die schattige Nordwestseite erreicht hatten, war der Alpinist bereits im Gipfeltrapez unterwegs. Doch auch dort hatte er nicht mehr Glück, dreißig Zentimeter Neuschnee mit Harschdeckel kosteten nach über dreitausend Meter Anstieg seine letzten Reserven, immer öfter musste er stehen bleiben, um Kraft zu schöpfen.
Den Gipfel bereits in greifbarer Nähe, musste er gegen Mittag eine schwere Entscheidung treffen: Setzte er den Aufstieg zum Gipfel fort, wäre es für eine Skiabfahrt zu spät und zu gefährlich. Träte er die Skiabfahrt noch zur richtigen Zeit an, könnte er den Gipfel – vielleicht 300 Meter entfernt – nicht mehr erreichen. Kurz entschlossen schnallte er nach 3500 Metern Aufstieg und 21 Stunden Gehzeit vom Basislager, seine extra für die Expedition entwickelten Dynafit Nanga Parbat Ski an und begab sich auf die Sturzfahrt die Diamirflanke hinab. Dreitausend Höhenmeter komplexes Gletscherlabyrinth galt es zu durchfahren, in dem unzählige Gletscherspalten den Weg versperrten und dessen Steilabbrüche über 50 Grad Steilheit erreichten. Die größte Gefahr lag allerdings in den zahlreichen Hängegletschern, aus denen jederzeit eine Eisschlag oder eine Lawine abgehen konnte. Nach nur knapp 2 Stunden Abfahrt erreichte Stitzinger das Gletscherende, der Weg zum Basislager nur wenige Meter entfernt. Die Dynafit Ski auf den Rucksack geschnallt, war der Abstieg schnell angetreten, eine Stunde später war der Alpinsportler nach insgesamt 24,5 Stunden Geh- und Abfahrtszeit im Basislager angekommen. Damit hatte der Nanga Parbat eine spektakuläre Abfahrtslinie hinzugewonnen und Luis Stitzinger mit Sicherheit eine der schnellsten Begehungszeiten des Berges erreicht – wenn auch dieses Mal, knapp, ohne Gipfel.
Webtipps
www.arcteryx.com - Hauptsponsor der Expedition
www.dynafit.de - die leichtesten Ski und Bindungen
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