17 Februar 2018

Den Gipfel um jeden Preis?

Gedanken zum Nanga Parbat Drama um die tragische Seilschaft Revol – Mackiewicz

Die Wogen um das Nanga Parbat Drama und um die tragische Seilschaft Revol – Mackiewicz haben sich nun geglättet und bald schon wird auch dieses Ereignis „Schnee von gestern“ sein. Viel wurde berichtet über die spektakuläre Rettungsaktion und auch darüber wie die rekonvaleszente Elisabeth Revol von ihrem Krankenbett aus die pakistanischen Behörden kritisierte, diese fast für den Tod von Tomasz Mackiewicz verantwortlich machte. Wenig Berichterstattung gab es darüber, was es eigentlich bedeutet im Winter einen 8.000er im Alpinstil zu besteigen. Ist doch dies die Grundlage dafür zu verstehen, was eigentlich wirklich passiert ist.

Für Tomasz „Tomek“ Mackiewicz war es bereits der 7. Versuch den Nanga Parbat, den 9. höchsten Berg der Erde, im Winter zu besteigen. Der Nanga Parbat ist kein ungefährlicher Berg, ist er doch mit einer Todesrate von insgesamt 22.3% nach der Annapurna und dem K2 der „dritttödlichste“  8000er. Dazu kommen im Winter Temperaturen von – 30 bis – 50 Grad Celsius und Stürme. Eli und Tomek wollten den Berg auf der unvollendeten Messner-Eisendle Route im Alpinstil besteigen – einer Route die Messner und Eisendle im Jahr 2000 nicht beenden konnten – da war es allerdings Sommer. Alpinstil bedeutet: keine Fixseile, keine Träger, nur das Essentielle selbst tragen und natürlich kein Sauerstoff. Dass bei einer solchen Besteigung nicht viel Raum für Fehler bleibt, liegt auf der Hand.

Bereits 3x zuvor hatten Eli und Tomek versucht, den Berg gemeinsam im Winter zu bezwingen, jedes Mal ohne Erfolg. Diesmal sollte es klappen. Eigentlich hatte Eli keinen weiteren Versuch mehr wagen wollen, aber der charismatische Tomek konnte sie doch noch davon überzeugen, denn es scheint, er war besessen davon, sein grosses Ziel zu erreichen.

Eine fast unwahrscheinliche Seilschaft

Elisabeth Revol und Tomek Machiewiecz bildeten eine fast unwahrscheinliche Seilschaft. Sehr unterschiedlich im Charakter und im Auftreten, sind beide doch sehr bekannte Namen unter Alpinisten. Sie standen nicht so in der breiten Öffentlichkeit wie manch andere, die sich einfach besser vermarkten, aber wer sich in der Bergsteigerszene auskennt, weiss, was diese beiden an Leistungen vollbringen konnten. Eli, eine von der Statur her kleine und unscheinbare Turnlehrerin aus der französischen Region Drome, konnte zum Beispiel 2008 von innerhalb nur 16 Tagen die Gipfel des Broad Peak, des Gasherbrum I und II alleine und ohne Sauerstoff erreichen. Dabei bestieg sie den G1 und G2 in einem Zug, einem unter Bergsteigern genannten „enchainement“ innerhalb von 52 Stunden ohne dazwischen wieder ins Basecamp zurückzukehren. Eine Rekordleistung!

Während Eli die Öffentlichkeit eher mied, war Tomek vor allem in den polnischen Medien ziemlich präsent. Er war sicher eine sehr schillernde Persönlichkeit, der das Bergsteigen ursprünglich als Therapie für seine Heroinsucht und andere persönliche Probleme benutzte. Er wurde wieder süchtig – süchtig nach dem Gefühl ganz oben zu stehen unter den widrigsten Umständen. Dies erklärt auch ein wenig, warum er trotz aller bekannter Gefahren sein Leben immer wieder aufs Spiel setzte, wissend, dass seine Frau Anna und seine drei Kinder ihn vielleicht nie wieder sehen würden. Zu seinen alpinistischen Leistungen zählten u.a. die 40-Tage Überschreitung von Ost nach West des Mount Logan in Kanada und 2009 schaffte er eine Solobegehung des 7010m hohen Khan Tengri, der nördlichste 7000er der Erde.

Am 25. Jänner 2018 um 18:00 (eigentlich viel zu spät am Tag) war es nun endlich soweit. Das grosse Ziel war erreicht. Eli und Tomek standen endlich am Gipfel des Nanga Parbat, allein, im Alpinstil. Sie hatten somit die Messner-Eisendle Route vollendet. Dass das Wetterfenster für die Besteigung eigentlich nur sehr (zu) klein war und dass Tomek im Abstieg schneeblind und höhenkrank wurde, ist aus der medialen Berichterstattung bestens bekannt.

Ethische Ausnahmesituation

Ethisch ist es natürlich eine absolute Ausnahmesituation einen anderen Menschen zurückzulassen, wissend, dass dieser eventuell stirbt. Laut Elisabeth Revols Aussagen dachte sie offenbar aber wirklich, dass auch Tomek gerettet werden könne. Hätte sie Tomek nicht zurückgelassen und wäre sie nicht weiter abgestiegen, wäre auch sie am Berg zurückgeblieben. Wären auch Denis Urubko und Adam Bielecki nicht gewesen, die ihr in der Nacht mit schwerem Gepäck über die technisch anspruchsvolle Kienshofer-Route mit für diese Höhen enormer Geschwindigkeit entgegengekommen waren, hätte es Eli ebenso nicht geschafft. War es also wirklich der Gipfel um jeden Preis?

Ein bekannter italienischer Bergsteiger, der selbst alle 14 Achtausender ohne Sauerstoff bestiegen hat, meinte letzte Woche dazu:

„Diese Besteigung in diesem Stil zu dieser Jahreszeit ist einfach ein verrücktes Himmelfahrtskommando.“

Dass man von so etwas nicht mehr lebend zurückkehren würde, müsse man einkalkulieren. So gesehen wurde Tomek letztendlich doch noch das Opfer seiner Sucht!

Text: Lisa-Maria Laserer



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