Vergangenes Jahr entging Extrembergsteiger Christian Stangl nur knapp der Bergtragödie am K2: Elf Bergsteiger fanden den Tod durch eine Eislawine. Auf 8.100 Meter brach Stangl den Gipfelversuch knapp unterhalb der tödlichen Eislawine ab. Stangl hatte enormes Glück. Eine halbe Stunde früher aufgestiegen und ihn hätte dasselbe Schicksal gedroht wie den elf tödlich verunglückten Bergsteigern.
Der 8.611 Meter hohe K2 soll der dritte Achttausender sein, den Stangl als „Tagestour“ machen will. Für den 8.848 Meter hohen Everest brauchte Stangl 17 Stunden zum Gipfel, den 8.188 Meter hohen Cho Oyu erklomm der Steirer in 15 Stunden nonstop vom Basislager aus. Bei beiden Bergen war er unter 24 Stunden Skyrunzeit unterwegs vom Basislager zum Gipfel und retour.
Interview:
Warum zieht es dich nach dem knapp entgangenen Unfall im letzten Jahr wieder
an den K2?
Die K2 Speedgeschichte hatte mich letztes Jahr schon gereizt. Den K2 als Tagestour zu machen, ist eine noch „ungelöste Aufgabe“, nicht nur für mich persönlich.
Wie wirst du die Route angehen, um sicher rauf und runter zu kommen.
Ich lege keine Route an, ich nehme eine der zwei Standardrouten von der Südseite. Entweder die Cesen Route (auch Baskenroute oder SSO Sporn) oder die Abruzzi Route (SO Sporn). Hängt vom Ausaperungszustand (Steinschlag) beider Routen ab. Beide Routen treffen sich auf der Schulter.
Wie bereitest du dich vor Ort vor? Trainierst und akklimatisierst du dich am K2 oder an den umliegenden Bergen? Checkst du die Route vorher aus oder Trainierst sie gar?
Sorgen bereitet mir der Serac über dem Bottleneck. Ich gehe wahrscheinlich die Abruzzi Route hoch und check erstmal den Zustand des Seracs. Dazu muss ich aber bis auf 7.950m hoch, sonst sieht man ihn nicht. Ich denke auch daran, in der Nordflanke des Broad Peak Nordgipfel hochzuklettern und zwar so hoch bis man den Serac sieht. Sieht der Serac ähnlich bedrohlich wie letztes Jahr aus, denke ich daran die unvollendete „Wiessner“ Route (Links vom Bottleneck; Fels; außerhalb der Schusslinie des Seracs) von 1939 zu nehmen. Wie schwierig der Fels dort ist, weiß niemand. Wahrscheinlich wird man dort auch nicht so schnell sein, aber Sicherheit geht einfach vor.
Welche Zeit schwebt dir für den K2 vor und wer hält dzt. den Rekord.
Der Franzose Benoit Chamoux ist 1986 vom ABC (Lager am Fuß des Abruzzisporn) in 23 Stunden bis zum Gipfel. Er verwendete aber bemannte Lager als Zwischenstopps. Trotzdem ist die Zeit bis heute ungebrochen.
Am Everest hast du ja mit 17 Stunden eine Fabelzeit hingelegt, den "Speedrekord" hält aber ein lokaler Sherpa. Haben sie uns gegenüber einen Vorteil?
Ja, weil sie ohne „moralische Bedenken“ künstlichen Sauerstoff in rauen Mengen benutzen und dies auch nicht gleich in Schlagzeile veröffentlichen!
Sicher weiß ich vom Sherpa „Speedrekord“ an der Südseite (ich war allerdings an der Nordseite und ohne O2!). Bemannte Depots zu haben, wo man leere O2 Flaschen nach Herzenslust gegen Volle umtauschen kann mag eine komplett normale Angelegenheit für die Mehrheit aller Everest Bezwinger gelten. Ich sehe es als legales Doping. Wozu auf den höchsten Berg der Welt gehen, um „atmosphärisch“ gesehen doch nur wieder einen niedrigen 7.000er zu besteigen?
Du bist ja immer ohne Sauerstoff und Hilfsmannschaft unterwegs. Gab es schon mal eine Situation in der es echt brenzlig war und du um dein Leben zittern musstest?
Ja, Shisha Pangma Südwand-Britenroute. Der Abstieg über die Slowenenroute war verdammt hart. Mein Stil war immer schon spartanisch. Ich hatte damals noch nicht die entsprechende Erfahrung mit dem Ballaststoffanteil in der Nahrung und ich bekam Magenprobleme, was natürlich zu einem erheblichen Leistungsabfall führte. Ich wurde langsamer und die zwei Gaskartuschen wurden leer. So kam es, dass ich die drei Tage für den Abstieg nichts zu trinken hatte. Zuletzt hatte ich schon fantasiert.
Du hast ja vor 2 Jahren dein großes Seven Summits Speed Projekt erfolgreich abgeschlossen, gibt es, von Einzel- besteigungen abgesehen, neue große Projekte?
Ja! Leider muss ich sagen dass ich momentan mein „Alle 102 Andensechstausender“ Projekt auf die lange Bank schieben muss. Da gab es mal einen großen Interessenten (Sponsor). Dann gab es letztes Jahr eine Börsencrash und heuer kämpft der Konzern ums Überleben. ?
Gott sei Dank kam dann Mammut - Schweiz. Nicht in dieser Größenordnung, aber ich habe ein neues Projekt. Mit Knauf und Paltentaler Minerals als Sponsoren kann ich schon wieder planen.
In der Süddeutschen meint Gerlinde Kaltenbrunner, dass du bei deinen Bergsprints wie beispielsweise auf den Mount Everest von der Arbeit anderer Bergsteiger profitierst (mehr). Ist das nicht eine genau jene Fremdhilfe, die du grundsätzlich ablehnst?
Ich kann mir echt nicht vorstellen dass gerade Gerlinde das gesagt haben soll, wo sie doch die Situation an den Achttausender wohl am besten kennt.
Wie soll ich in der Gegenwart, gerade wo das Achttausender Bergsteigen so „in“ ist wie das Klettersteig gehen, KEINE Spur an den Bergen wie Everest oder Cho Oyu vorfinden? Pro Saison (Vor-Nachmonsun)gibt es dort Hunderte Bewerber, einen unberührten Berg wird man gerade unter den Achttausendern nicht mehr finden. Soll ich die Hundertschaften an Bergsteigern und Sherpas bitten, den Berg bitte eine Woche nicht zu betreten dass möglichst alle Spuren weg sind? Und eines ist wohl auch klar: Ich such mir nicht den schlechtesten Tag aus. Und auch keine ungeeigneten Berge. Cho Oyu 2007 (15h06min vom Basecamp 5.600m) hatte ich allerdings ab 7.000 zu spuren. Wenn auch nicht allzu viel, den der Jetstream die Woche zuvor (letzte Septemberwoche 2007)blies den Neuschneeweg am elend langen Gipfel Plateau fast zur Gänze weg.
Geht es dir als professioneller Bergsteiger nach deinen jüngsten Erfolgen jetzt auch finanziell besser bzw. kannst du vom Bergsteigen leben?
Projektkosten kann ich großteils mit meinen Sponsoren Mammut, Knauf und Paltentaler Minerals decken. Meine Lebenskosten bestreite ich durch Vorträge und gelegentliches Bergführen.
Vortragsanfragen kommen vermehrt aus der Wirtschaft. Für solches Publikum habe ich auch eine klare Botschaft. „Entwicklung passiert immer.“ Ich kann heute in einem 45-minütigem Vortrag beweisen, dass ein einzelner Mensch das ganze „Regelwerk“ von gut fünfzig Jahren Alpingeschichte im Bereich des Höhenbergsteigens in Frage stellen kann. Alpintechnisch sowie Höhenmedizinisch. Ganz nach meinem Motto: „Seien wir realistisch, fordern wir das Unmögliche.“ Das macht auch Spaß, den Leuten vor Augen zu führen dass es selbst nach dem „Erreichen des höchsten Gipfels der Welt“ noch unzählige bislang ungelöste Herausforderungen gibt. Den „Achttausender als Tagestour“ betrachte ich dabei schon als Realität.
In deinem im Oktober erscheinenden Buch wird man auch über deine Alpine Welt- anschauung lesen können. Wie sieht die aus?
Ja, da müsste ich jetzt 240 Seiten auf einen Satz runter brechen. Prinzipiell ging es mir bei dem Buch darum, meinen Sport als eigenständige Disziplin im Bergsteigen zu betrachten. Die Entwicklung dieser „Skyrunning“ Speed Disziplin ist zum Einen analog zu dem was in anderen alpinen Disziplinen passiert, (Hubers / Nose ; Steck / Eiger…etc) und zum Anderen ist sie die logische Antwort auf die begrenzte Anzahl unserer „hohen“ Berge. Fast alle sind schon bestiegen, immer nur das zu machen, was Generationen vor uns schon gemacht haben, macht einfach keinen Spaß.
Parallelitäten gibt es in meinem Sport zur Sportkletterbewegung vor 30 Jahren. Man wusste dass man IRGENDWIE schon rauf kommt, es entstand der Rotpunktgedanke. Man weiß seit mehr als 50 Jahren, dass man auf die höchsten Berge IRGENDWIE rauf kommt, so entstand mein „Skyrunning“ Gedanke. Sportklettern hatte eine Menge Kritiker in den Anfangsjahren, heute hat es Breitensportcharakter und kein Sportkletterer betrachtet eine Tour als geklettert wenn er sich an den Expressen hochgezogen hat.
bersteigen.at dankt für das Gespräch und wünscht
dir viel Erfolg am K2!
Highligts Christian Stangl:
2007 Mt. Vinson, 4.892m, 9 Std.
2007 Carstensz Pyramide 4.884 m in 49 Min.
2006 In 16 Stunden auf den Mount Everest
2006 Speed Rekord am Mt. Elbrus, 5642 m
2005 900 Kilometer zu Fuß entlang des Andenhauptkammes
2005 „Zehn 6.000er in Sieben Tagen“
Argentinisch/Chilenischen Anden
2004 Kilimanjaro 5.895 m in 5 Std. 36 Min. 38 Sek.
2003 „Neun 6.000er in Achtzehn Tagen“ –
Filmdokumentation
2002 Aconcagua in 4 Stunden 25 Minuten
2002 Khan Tengri 7.010m Südwand via „Marble Rib“
2001 Cho Oyu 8.201m; Solo, Alpinstil über neue Route in
der „Junge Face“
2001 Palung Ri 7.012m; Südwand, Solo
1998 Shisha Pangma 8.046m; Südwand, Solo, Alpinstil über
die Britenroute
Webtipps
www.skyrunning.at die Hompage von Christian Stangl
Sponsoren:
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