Camp bei Mitternachts- sonne und Minus 25 Grad, Querung Rasmussens Camp bei Mitternachts- sonne und Minus 25 Grad, Querung Rasmussens
15 Juni 2008

Arctic Summits Expedition Ost Grönland 2008

Nach 38 Tagen im ewigen Eis sind die beiden Bergsteiger und Grönland Abenteurer Georg Csak und Dominik Rind von ihrer Arctic Summits Expedition erfolgreich zurückgekehrt.

Die Anreise von München über Island nach Ost Grönland verlief problemlos. In Constabel Point (Nerlerit Inaat) fanden wir unsere Expeditionsausrüstung zwar tiefgefroren aber in tadellosem Zustand vor. Am folgenden Tag setzte uns der Helikopter bei stabilem Hochdruckwetter auf dem Inlandeis bei der Koordinate 69:30N 28:00W ab. Nun brach es also an, unser fünfeinhalb-wöchiges Abenteuer, währenddem wir niemanden außer uns selbst sehen sollten.

Erste Erfolgserlebnisse

Zunächst kamen wir auf hartgeblasenem Untergrund mit unseren 115 kg schweren Pulkas zügig voran. Dies sollte sich jedoch bald ändern. Sastrugis (Windgangeln) erschwerten uns zunehmend das Vorwärtskommen. Wir dehnten unsere Marschzeiten daraufhin bis weit in die Nacht aus und erreichten so dennoch nach wenigen Tagen die ersten Gebirgszüge in Knud Rasmussens Land. Wie geplant, gelangen uns hier drei Erstbesteigungen: Vollmondspitze (2793m), Peak Leni (2554m), und Geodom Pyramide (2823m). Die bergsteigerischen Schwierigkeiten lagen im mittleren Bereich (PD+ bis D-), mittelsteiles Eis (meist 40 Grad, Stellen 60 Grad), einmal kombiniert mit Felspassagen im II. Grad. Fehler hätte einem das ausgesetzte Gelände nicht verziehen. Besonders tückisch stellten sich die verdeckten überwehten Spalten dar. Wir brachen mehrfach mit einem Fuß ein, ohne jedoch komplett hineinzufallen - anseilen lohnt sich!

Watkins Mountains

Nach diesen ersten Erfolgserlebnissen setzten wir unseren Marsch in Richtung der Watkins Mountains fort und erreichten das höchste Gebirge Grönlands am 14. Tag unserer Expedition. Die Besteigungen der drei höchsten Gipfel - Gunnbjørn Fjeld (3693m), Dome

(3683m) und Cone (3669m) - gelang relativ einfach (PD, Eis bis 40 Grad). Die Touren waren jedoch allesamt extrem lang und anstrengend, die Eisverhältnisse nicht die besten. Häufig trafen wir auf blankes Eis, was in diesen Höhen in Grönland untypisch ist und vermutlich auf einen extrem heißen Sommer letztes Jahr zurückzuführen ist. Entsprechend heikel gestalteten sich die Skiabfahrten in den Gipfelbereichen. Der Eispickel blieb stets in der Hand. Der Schnee der sich diesen Winter in den Eisflanken nicht halten konnte, lag in den niedrigeren Bereichen dafür um so tiefer. Dies bescherte uns zwar so manche Pulverschneeabfahrt erschwerte aber den An- und Abmarsch mit den schweren Pulkas enorm.

Die Nummer Vier Grönlands

Die Besteigung des Paul Emile Victor (3609m) - der Nummer Vier Grönlands - war eines der Highlights der Expedition. Die Erstbegehung von Westen sollte die bisher anspruchsvollste Route auf den erst 5-mal bestiegenen Berg werden. Etwa 16 Stunden hatten wir dafür veranschlagt – es sollten einige mehr werden! Es begann mit einem traumhaften Anstieg auf den Punkt 3526 (Deception Dome). Ein Eisbruch, ein Labyrinth aus gigantischen Seracs, eine steile Flanke … alles was das Herz begehrt. Die Route erforderte in der Folge die Erstbegehung eines 5km langen und sehr ausgesetzten Grates, den wir in Anlehnung an das Wetterstein „Jubiläumsgrat” tauften. Der Abstieg von diesem zum Fuß des PEV und die PEV Westflanke selbst stellten mit ihren steilen, teils blanken Eispassagen die Schlüsselstellen dar (bis D-, 60 Grad). Wir erreichten den Gipfel um 2310 Uhr Ortszeit. Kein Problem bei Hochdruckwetter und atemberaubender Mitternachtssonne. Jedoch erlebten wir auf dem Rückweg einen Wettereinbruch, wie wir ihn noch nie gesehen hatten. Innerhalb einer Stunde trübte sich gegen 0200 Uhr der wolkenlose Himmel ein. Wie aus dem Nichts zog Sturm auf und Schneefall setzte ein. Wir befanden uns im totalen Whiteout, sahen kaum mehr den Partner am kurzen Seil. Selbst offene Spalten wurden jetzt zur Gefahr, denn man sah sie selbst einen Meter vor sich noch nicht. So tasteten wir uns zentimeterweise abwärts, mit Stöcken und Eispickeln sondierend nach Spalten, 1300 Höhenmeter galt es noch abzusteigen, Kompass, Hangneigung, und unsere Erinnerung an den Aufstieg waren die einzigen Navigationshilfen. Der wieder zu durchsteigende Gletscherbruch kostete viel Zeit und Kraft. Im Aufstieg hatten wir es nicht für nötig gehalten, die Route durch das Labyrinth aus Eis zu markieren. Schade, aber auch fast egal, wir hätten die Fähnchen sowieso nicht mehr sehen können. Unten angekommen waren wir froh, dass wir zumindest die Zeltposition im GPS gespeichert hatten. Ansonsten wäre eine Schneehöhle unsere einzige Alternative gewesen. Das Schlechtwetter hielt noch eineinhalb Tage an, die wir zur benötigten Erholung im Zelt nutzten. Die Besteigung des vierthöchsten Berges nördlich des Polarkreises hatte 28 Stunden gedauert!

Größter fließgletscher Grönlands

Unsere wichtigsten Expeditionsziele waren damit erreicht. Mit einem Gefühl tiefer innerer Zufriedenheit verließen wir nach einer Woche die Watkins Mountains und traten den langen Weg in Richtung Paul Stern Land an. 200 km lagen vor uns, und sicherlich würde noch die eine oder andere Überraschung auf uns warten. Unsere Route führte uns über einen der größten Fließgletscher Grönlands, den Christian IV. Mehrere Tage dauerte die Querung. Auf der anderen Seite erwartete uns die Gebirgskette der Gronau Nunatakker, die seit ihrer Entdeckung durch den deutschen Piloten Wolfgang von Gronau im Jahre 1930 erst vier Mal von Menschen besucht worden ist. Die immer noch schweren Pulkas 1000 Höhenmeter in unser nächstes Base Camp hinaufzuziehen war übelste Schinderei. Die Belohnung folgte aber prompt. In den Gronau Nunatakkern gelang uns die Erstbesteigungen dreier sehr markanter Gipfel mittlerer Schwierigkeit: Pilotsbjerg (2805m), Wörthseespitze (2762m) und Kirchl (2772m).

Weiter nach Norden

Der Weiterweg nach Norden war geprägt von wechselhaftem Wetter. Straffer Wind aus West ermöglichte uns, endlich unsere Snowkites (Windsegel) einzusetzen. In den Randgebieten des Inlandeises muss man dabei höchste Vorsicht walten lassen, denn es gibt hier noch genug auch offene Spalten, die bei schneller Fahrt rechtzeitig erkannt werden müssen. Mit fahradtypischen Geschwindigkeiten ging es über das Eis. Nur selten war es eine sanfte Fahrt, meist ein anstrengendes Geholper über ausgedehnte Sastrugifelder, aber das rasche Vorwärtskommen versetzte uns in wahre Hochstimmung. Ein einsetzender Piteraq (grönländischer Fallwind, der extreme Windgeschwindigkeiten erreicht) brachte uns jedoch ein weiteres Mal in eine heikle Lage. Eine plötzlich auftretende Sturmböe hob uns beide vom Boden und ließ uns äußerst unsanft wieder hinab. Bei diesem Sturz klinkte Dominik vorsichtshalber den Kite aus. Die außerordentliche Kraft es Sturmes zerriss die angebrachte Sicherheitsleine und der Kite flog auf und davon. Gott sei Dank konnte Dominik den Kite zwei Kilometer weiter wieder finden, er hatte sich an einem Sastrugi verhakt. Trotz aller Schwierigkeiten legten wir in nur zwei Tagen 80 km zurück.

Im schlechten Wetter gefangen

Den so herausgefahrenen Vorsprung gegenüber unserem Zeitplan konnten wir bis zu unserem Zielpunkt in Paul Stern Land halten. Statt jedoch die gewonnene Zeit für weitere Erstbesteigungen nutzen zu können, waren wir nun im schlechten Wetter gefangen. Ein Spaziergang auf einen 2048m hohen Nunatakker (grönl: Felsen der aus dem Eis ragt) war alles was die folgenden Tage uns boten. Heulender Sturm und Whiteout Bedingungen zwangen uns im Zelt zu verweilen. Der Tag der geplanten Abholung kam, doch daran war unter diesen Bedingungen nicht zu denken, und wir begannen unsere Notreserven zu verzehren. Erst nach einer vollen Woche riss der Himmel wieder auf und ließ die Landung einer Twin Otter zu. Um Haaresbreite hätten wir unseren Rückflug nach Island verpasst, wenn die Linienmaschine in Constabel Point nicht auf uns gewartet hätte. Ungeduscht seit sechs Wochen und immer noch mit Skistiefen an den Füßen gingen wir an Bord und wurden von der Besatzung mit dreifachen Portionen verpflegt. Unser erster Kontakt mit der Zivilisation fühlte sich sehr gut an.

Text: Georg Csak und Dominik Rind

Fotos: Georg Csak

Webtipp:

www.ArcticSummits.de



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