Das Team von Laserer-alpin in Patriot Hills Das Team von Laserer-alpin in Patriot Hills
17 Januar 2008

Antarktisexpedition Dez. 2007

Walter Laserer berichtet über die diesjährige Antarktisexpedition von Laserer-Alpin...

Der elitäre Charakter der Antarktis

Die Antarktis hat nicht nur wegen des finanziellen Aufwandes einer Expedition ins Landesinnere einen stark elitären Charakter, dies liegt auch einfach in den klimatischen Rahmenbedingungen einer Expedition ins Landesinnere dieses dreimal so großen Kontinentes wie Europa. Extreme Temperaturunterschiede zwischen Licht und Schatten, zwischen Sonnenschein und Nebel, prägen das Wetter ebenso wie die extremen katabiatischen Stürme, die vom Südpol zu den Küsten dieses riesigen einzigartigen Kontinentes von Zeit zu Zeit wüten.

Neue Route zum Gipfel

Die übliche Route für eine Besteigung des höchsten Berges dieses Kontinentes, dem Mt. Vinson, wurde heuer verlegt, da die alte Route aufgrund von Seracs und Eislawinen einfach zu stark gefährdet wurde, ebenso hat sich die Situation in der Spaltenzone am oberen Ende der Headwall dramatisch verschlechtert.

Aus diesem Grund wurde eine Ausweichroute („Pillar of Impression“) mit 1200 m Fixseilen versehen und das Highcamp, von welchem üblicherweise zum Gipfel gestartet wird, auf rund 4500 m Höhe verlegt.

Die 4 strahlige Iljuschin

Wir hatten Glück – charakteristisch für den abenteuerlichen Flug ins Landesinnere dieses so faszinierenden Kontinentes sind die nicht kalkulierbaren Wartezeiten auf bestes Flugwetter. Nur bei vorherrschen von nahezu Windstille und exzellenter Sicht ist es den russischen Piloten möglich, die 4 strahlige Iljuschin 76 auf dem blanken Eisfeld von Patriot Hills zu landen. Beim Flug vor uns mussten die Piloten 7 Tage auf geeignetes Flugwetter warten, beim Flug nach uns 8 Tage, wir warteten nur 1 Tag und konnten unseren Flug wie geplant gleich am nächsten Tag vom Camp in Patriot Hills in die Ellsworth Mountains zum Basislager des Mt. Vinsons fortsetzen.

Gute Stimmung im Basislager

Die Stimmung unter den 10 Teilnehmern war bestens, getrübt eigentlich nur dadurch, dass einer bei der Anreise erkrankte und nicht in die Antarktis mitreisen konnte. Wir errichteten unser Basislager mit bequemen Kochzelt und den einzelnen Schlafzelten. Besonders freute es mich, dass auch mein Freund Dave Hahn, den ich von vielen Everestexpeditionen kenne, mit einer kleinen Gruppe Gäste zeitgleich am Berg unterwegs war. Ebenso kannte ich David Hamilton aus England schon seit einigen Jahren von großen Expeditionen.

Mit kleinen Plastikschlitten zu Camp 1

Da das Wetter so „halb halb“ war, beschlossen wir erst mal das übliche Camp 1 auf dem oberen Branscomb glacier zu errichten. Also zogen wir in 2 Seilschaften zu je 5 Teilnehmern mit unseren kleinen Plastikschlitten und großen, dafür relativ leichten, Rucksäcken los. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass Chri Stangl für die gesamte Gruppe das Hochlageressen für eine Woche ins Camp 1 geschleppt hat – danke Chri.

Wir richteten es uns gemütlich ein und bauten auch mit dem mitgebrachten Holzbrett ein bequemes Klo, während Chri mit den Schiern ins Basislager abfuhr. Spät aber zufrieden landeten wir an diesem Tag in unseren Schlafsäcken.

Aufstehen bei – 31 Grad

Der nächste Morgen sah mich mit Hans bereits vor Sonnenaufgang mit der Filmkamera in eisiger Kälte (das Thermometer zeigte – 31 Grad C) nervös herumfilmen. Und tatsächlich, wie erwartet kam Chri gegen 10 Uhr vollständig vereist angelaufen. Nur 2 Stunden hatte er vom Basislager herauf gebraucht und uns noch einig Schneeharinge mitgebracht, damit wir die Zelte besser verankern konnten. Nach kurzer Zeit und ohne von der bereitgestellten Thermosflasche zu trinken, setzte er seinen Rekordlauf auf den Gipfel des Mt. Vinson fort.

Nachdem die Sonne unser Camp erreicht hatte, erwachte unser Lager zum Leben. Rasch wurde es in den Zelten so warm, dass man ins freie Flüchten musste. Wir packten unsere Rucksäcke um ein erstes Mal über die neuen Fixseile im neuen Highcamp ein Lebensmittel und Kocherdepot zu errichten. Je höher wir auf dem schwach ausgeprägten Schneepfeiler kamen, umso spektakulärer wurde die Aussicht. Wir genossen besonders die Sicht vom „lunch ledge“ auf die Schatz ridge, einer regelmäßigen Pyramide aus Fels, die das Eis in seiner spektakulären Form durchstieß.

Christian Stangl kommt schon vom Gipfel

Nachdem wir unser Depot errichtet hatten, kam uns Chri vom Gipfel mit den Schiern entgegen, und wir konnten ihm zu seinen letzten der „Seven Summits“ gratulieren, er hatte den Gipfel in der Zeit von etwas über 9 Stunden erreicht. Chri fuhr ins Basislager ab um sich von seiner Rekordbesteigung zu erholen, während wir uns im Camp 1 eine wunderbare Mahlzeit kochten und als Nachspeise Südtiroler Speck mit Schüttelbrot vernaschten.

Der nächste Morgen brachte einen jener Tage, die du als Bergführer verfluchst. Das Wetter war so richtig durchwachsen, also nach dem Motto wie du es machst, machst du es falsch. Bleibst du unten wird es endgültig schön, gehst du hinauf, besteht die Gefahr einer Schlechtwetterperiode. Ich wollte wieder mal nicht aufsteigen, zögerte. Die Gruppe wurde unruhig, ich vertröstete die Teilnehmer auf einen Zeitpunkt am frühen Nachmittag, bis dahin wollte ich das Wetter noch beobachten. Und tatsächlich, die Windfahnen legten sich, das Lenticular über dem Mt. Shinn verschwand und das Wetter schien sich tatsächlich zu verbessern. Wir packten Schlafsäcke und Zelte ein und stiegen auf.

Nachdem wir das Highcamp erreicht hatten, hieß es zuerst mal die Plätze für die Zelte ein zu ebnen, danach unser Depot zu holen und bis zur Erschöpfung Windschutzmauern aus Schneeziegeln errichten, was bei 5 Zelten eine ganz schöne Arbeit darstellt. Müde, aber wirklich sehr zufrieden landeten wir an diesem Abend in den Schlafsäcken.

Extremer Sturm kommt auf...

In der Nacht kam Sturm auf. Am nächsten Morgen stürmte es, was mich nicht weiter beunruhigte. Wir hatten die besten, nagelneuen Zelte von Mountain Hardware und für 3 – 4 Tage zu Essen und Sprit für die Kocher heroben. Nach der Anstrengung von gestern würde die Gruppe nach einem Rast/Sturmtag den Gipfel leichter erreichen können.

Leider stürmte es am nächsten Tag noch immer, ebenso am übernächsten. Nach der vierten Sturmnacht machte ich mir Sorgen um Essen und Sprit für die Kocher, beides ging langsam zur Neige. Nun bewährte es sich, dass ich mit Dave Hahn einen wirklich erstklassigen Profibergführer und Freund im Camp 1 hatte. Über Funk machte ich mit ihm aus, dass er alles was er benötigen würde von unserem Depot in C 1 nehmen könne, wenn wir dafür im Gegenzug sein Depot im C 2 haben könnten.

In der Nacht steigerte sich der Sturm zum Orkan. Jetzt wurde es brenzlig, was mache ich, wenn die Zelte platzen? Wenn ich der Gruppe Anweisung gebe angezogen in den Zelten zu bleiben, vermittle ich die Botschaft, dass ich meinen eigenen Zelten nicht mehr trauen würde. Es war aber unbedingt notwendig den Gästen Vertrauen und Zuversicht einzuflößen.

Ich zog mir meinen Daunenoverall an, bedeckte mein Gesicht mit der Maske, sodass kein Fleckchen bloße Haut dem Sturm ausgesetzt war und krabbelte aus dem Zelt. Der Orkan war gewaltig, neben den Schutzmauern aus den Schneeziegeln war es unmöglich im Wind aufrecht zu stehen – immer wenn eine Böe kam musste man einige side steps machen, bzw wurde ich umgeweht.

Von Daves Depot holte ich einen Kanister mit Kochersprit und krabbelte dann auf allen Vieren von Zelt zu Zelt um unsere Kocher auf zu Tanken. Dabei konnte ich feststellen, dass alle Teilnehmer so schlau waren, und sowieso komplett angezogen in den Zelten waren. Falls die Zelte platzen würden, vereinbarten wir mit den Schneeziegeln einen Windschutz zu bauen und dann ab zu steigen.

Am Nachmittag ließ der Orkan deutlich nach. Plötzlich bekam ich Besuch von unseren Nachbarn, einem amerikanischen „Führer“ aus Kalifornien. Er erzählte mir, dass er vom Basecamp eine Orkanwarnung erhalten habe. Wir bekamen die ganze Woche keinen Wetterbericht, aber nun teilte man uns vom Basislager aus mit, dass das Nachlassen des Sturmes nur vorübergehend sei, und der Orkan morgen umso heftiger weitergehen würde. Diese Botschaft hieß übersetzt sofortiger Abstieg um niemand in der Gruppe zu gefährden.

Rettungsaktion im Orkan

Rasch waren alle Teilnehmer informiert, dass es das Beste sei, so schnell wie möglich ins Camp 1 abzusteigen. Nur das allernötigste einpacken, heiße Getränke bzw. ein paar Riegel und dann die Zelte flachlegen, in einer Stunde wollten wir starten.

Pünktlich begannen wir unseren Abstieg ins Camp 1, dazu mussten wir einige weite Gletscherhänge hinunter bis zum oberen Ende der Fixseile überwinden. Der Wind war in der Zwischenzeit immer stärker geworden und plötzlich entdeckte ich zwei Gestalten am Boden, rund 50 m seitlich unseres Weges. Wir querten hinüber und ich fragte die beiden ob sie Hilfe benötigen würden. Es stellte sich heraus, dass einer der beiden ein Amerikaner aus Kalifornien war und der andere Richard L. ebenfalls aus Amerika. Beide hatten keine Brille auf und keinerlei Gesichtsschutz vor der mörderischen Kälte in diesem Sturm. Ich gab Richard etwas zu Trinken aus meiner Thermosflasche und auf die Frage wie es ihm gehe antwortete er, dass er nur noch „white spots“ sehen könne. Ich redete ihm gut zu und gab ihm auch noch einen Müsliriegel zu essen. Schließlich gelang es mir ihn soweit zu motivieren, dass er aufstand und zum Beginn der Fixseile hinuntergehen wollte. Nach drei, vier Schritten brach er aber wieder zusammen. Wir nahmen ihn also in die Mitte und stützten ihn so gut es ging zu zweit zum Beginn der Seile. Dort delegierte ich die Leitung meiner Gruppe an Helmut und Hans, zwei Bergführer und Mitglieder unseres Teams.

Ich selbst machte mich daran, Richard und Chris über die 1200 m langen Fixseile mit einem zusätzlichen Seil abzuseilen. Leider war unser Seil nur 40 m lang und der Abstand der Firnanker der Fixseile jedoch 50 m. Ich war also gezwungen immer 10 m vor einer Verankerung die Sicherung auszuhängen und nach zu gehen. Da das Gelände nicht all zu steil war, gelang dies relativ problemlos, sofern die zwei Amerikaner es schafften das Seil zu entlasten, leider war dies eher selten der Fall und so musste ich immer wieder mit aller Kraft die Seildehnung einziehen um aushängen zu können.

In manchen Sturmpausen konnte ich meine Gruppe geschlossen tief unten erkennen. Immer wieder stürzten die zwei Amerikaner, es gelang mir aber sie immer wieder zu halten. Schließlich verlor Richard noch sein Steigeisen und viel bis zum Bauch in eine Gletscherspalte, aber das alles konnte unser langsames aber stetiges Tieferkommen nicht verhindern. Ich gab Richard noch einige Male was zu trinken bevor wir ziemlich müde das untere Ende der 1200 m langen Fixseilstrecke erreichen konnten. Wieder nahmen wir uns Richard in die Mitte und stützten ihn, so dass wir die rund 1 km lange Strecke bis ins Camp 1 halbwegs zurücklegen konnten.

Camp 1 war komplett verwüstet

Irgendwas stimmte da nicht, die Zelte sahen anders aus und je näher wir kamen umso größer wurde die Gewissheit, dass da einige „Zeltleichen“ herumstanden. Meine Gruppe war emsig dabei, die Schlitten zu bepacken und Dave Hahn kam uns entgegen und kümmerte sich um den Verletzten.

Es nützte alles nichts, aufgrund der vom Sturm zerstörten Zelte waren wir nun gezwungen bis ins Basislager ab zu steigen. Der Sturm steigerte sich jedoch zum Orkan, was sich dadurch unangenehm für uns bemerkbar machte, dass die schwer beladenen Schlitten plötzlich durch die Luft flogen, und Menschen vom Wind einfach davon geweht wurden. Jetzt wurde es dramatisch, ich gab die Anweisung die Schlitten weg zu packen und versuchte Ruhe und Ordnung wieder in die Gruppe zu bringen, aber immer wieder wurde einer der Teilnehmer von einer Windböe erfasst und einfach durch die Luft geschleudert. So einen extremen Orkan habe ich erst einmal erlebt: Bei einer Winterbesteigung des Mt. McKinleys in Alaska.

Verwirrter wurde eingefangen

Plötzlich konnte ich am oberen Branscomb glacier einen Mann im roten Daunenanzug erkennen. Er lief völlig verwirrt ziellos zig Meter auf dem Gletscher hin und her und schrie irgendwas völlig unverständliches. Dave Hahn fing ihn ein und konnte in Erfahrung bringen, dass eine Gruppe aus der Schweiz über die Fixseile unterwegs war. Ein weiteres Mitglied dieser Gruppe hatte sich alle Finger erfroren und der dritte hatte eine Knieverletzung. Unter diesen Umständen schien es wirklich eine super Leistung des Bergführers, alle 3 seiner Gäste noch ins Basislager bringen zu können.

Schließlich gelang es uns doch einen geordneten Abstieg ins Basislager anzutreten. Immer wieder mussten wir stehen bleiben und uns mit aller Kraft gegen den Sturm stemmen um nicht umgeweht zu werden. Je tiefer wir kamen umso ruhiger wurde es, und nach rund 2 Stunden erreichten wir das „half camp“ wo wir eine gemütliche Pause einlegten. Hier konnte man es sich gar nicht mehr vorstellen was für ein Orkan uns vor nur wenigen Stunden „erwischt“ hatte.

Nur noch wenige Tage Zeit

Uns blieben noch einige Tage Zeit und das Wetter schien sich endlich zu bessern. Mit einer Flasche Whisky weniger und dafür leihweise mit neuen Zelten versorgt, machten wir uns am 15. 12. 2007 am Nachmittag wieder auf in Richtung Lowcamp. Rasch waren die Zelte aufgestellt, das Wetter gab sich friedlich und wir hofften am nächsten Morgen gleich bis zum Gipfel aufsteigen zu können. Als ich um 06 00 Uhr früh das Wetter checkte, zog ich mich sogleich wieder frustriert in den Schlafsack zurück, der Nebel von Gestern war zwar verschwunden, an seiner Stelle jedoch wieder dichte hohe Wolken um den Gipfel. Um 10 Uhr weckte mich Chri dann mit der Mitteilung, dass das Wetter viel versprechend aussehen würde. Bereits um 11 Uhr waren wir dann unterwegs und stiegen zum dritten Mal die mit Fixseilen versehene Flanke auf.

Um Mitternacht auf dem höchsten Punkt

Im Highcamp machten wir Rast, bargen die Reste unserer Zelte und kochten eine heiße Suppe, bevor wir gleich weiter zum Gipfel aufbrachen. Auf dem großen Gipfelplateau kam uns David Hamilton mit seinen 2 Gästen entgegen. Sie hatten einen perfekten Gipfeltag gehabt und wünschten uns alles Gute. Als wir den letzten Steilhang erreichten, war es schon 22 00 Uhr abends und ausgerechnet jetzt begann sich der Gipfel wieder in Nebel zu hüllen. Wir hatten aber hauptsächlich mit der enormen Kälte zu kämpfen, die uns in der Gipfelregion wirklich das Leben schwer machte. Sogar der Schnaps in der kleinen Plastikflasche ist gefroren. Um 23 30 waren wir dann mit allen Teilnehmern am Gipfel. Nach Westen hatten wir sogar eine wunderbare Aussicht.

Noch am selben Tag stiegen wir bis ins low Camp ab und schliefen erst mal bis in den Nachmittag. Über Funk konnte ich erfahren, dass heute Abend eigens für uns eine Twin Otter von Patriot Hills kommen würde und wir mit Glück morgen bereits in Punta Arenas sein könnten. Der Wettergott meinte es gut mit uns, und wir konnten die geplanten Flüge tatsächlich wie geplant durchführen.

Fazit: Letztendlich alle Teilnehmer am Gipfel und keine Verletzten, dafür einige Zelte verloren.

Nächste Mt. Vinsonexpedition von Laserer-alpin: Nov.- Dez 2008

Webtipp: Laserer-Alpin



Kommentare

Neuer Kommentar
Zum Verfassen von Kommentaren bitte anmelden oder registrieren.