Volldampf auf über 6000 m Volldampf auf über 6000 m
16 März 2006

Interview mit Skyrunner Christian Stangl

Interview mit Skyrunner Christian Stangl über O2, die Jung Face, Cho Oyo, seine Andentraverse und Trainingsmethoden.

Was genau ist Skyrunning?

Skyrunning ist Schnellbergsteigen an den höchsten Bergen der Welt. Ausdauer und Akklimatisation sind im Skyrunning die maßgeblichen Faktoren:

Der Faktor Akklimatisation trennt den Begriff „Skyrunning“ vom Begriff „Berglauf“, den der Faktor Akklimatisation hat bei Bergläufen die zumeist in Höhenlagen bis etwa 4.000m stattfinden kaum bis überhaupt keine Bedeutung.

Für die Begriffsabgrenzung zum Höhenbergsteigen hin ist zusätzlich der Faktor Zeit notwendig.

Gilt für einen Höhenbergsteiger das Erreichen eines Gipfels bereits als Erfolg ist für einen Skyrunner die dafür benötigte Zeit das Wesentliche.

Ein echter „Skyrun“ wird auch immer ohne „resupplies“ durchgeführt, das heißt keine Hilfestellung durch Dritte (Reichen von Getränken, Schuh- oder Kleiderwechsel etc.) während des Laufes, sonst wird meiner Meinung nach ein Berg wirklich nur zur „präparierten Laufstrecke“ degradiert.

Ein Skyrun kann deswegen auch nur im Alpinstil durchgeführt werden, bei eingerichteten Lagern müsste man von einem Skyrun im Expeditionsstil sprechen. O2 ist in jedem Fall verpönt, dass gehört eher schon in die Rubrik Doping. Im Prinzip kann jeder machen was er will, aber ich bleibe bei meinem fairen puristischen Stil.

Wie wurdest du zum Skyrunner?

Ende der `90er Jahre hieß meine Passion „Solo im Alpinstil durch die Achttausenderwände“

1998 war es die Südwand der Shisha Pangma (Britenroute), 1999 scheiterte ich an einem Erstbegehungsprojekt am Gasherbrum 1 und im Jahr 2001 gelang mir eine neue Routenvariation durch die Felsdurchsetzte „Junge Face“ am Cho Oyu.

Ich kletterte 17 Stunden lang nonstop, seilfrei mit einem nur 8kg schweren Rucksack im Alpinstil durch die Wand ehe ich erkannte dass die Kletterschwierigkeiten auf meiner geplanten Route zu hoch für mich waren.

Ich war gezwungen auf die Normalroute auszuqueren, biwakierte dort und stieg dann über diese zum Gipfel. Das war sehr einfach und ich fühlte mich am Gipfel noch sehr fit.

Die Erfahrung in großer Höhe besonders leistungsfähig zu sein, führte mich zu meinen ersten Skyrun.

Sechs Monate später war ich bereits im Basislager „Plaza de Mulas“ am Aconcagua.

Am 28.Februar 2002 lief ich vom Basislager in 4Std.37min zum Gipfel, nach ein paar Rasttagen dann am 4.März nochmals in 4Std.25min.

Was war die Motivation für deine Andentraverse?

Pure Lust am Abenteuer. Einfach etwas Neues ausprobieren. Ich war zuvor schon viermal in Teilgebieten der „Puna de Atacama“ gewesen. Die Idee ist schön langsam gewachsen.

Die endgültige Entscheidung fiel dann im Basislager des 8.167m hohen Dhaulagiri. Ich war „umgeben“ von lauter Achttausender Sammlern. Das Abenteuer war weit weg, genauso wie die Koreaner vom Höchsten Punkt des Dhaulagiri. Als ich über das Web auch noch erfuhr dass die Koreaner das Erreichen des Gipfelgrates in Kathmandu bereits als erfolgreiche Gipfelbesteigung veröffentlichen, war mir klar dass bei diesem 8.000er Bergsteigen etwas schief läuft.

Umso erfreulicher entwickelte sich mein Gefühlszustand nach 34 Tagen allein entlang des Andenhauptkammes. Ein sehr „alternatives“ Bergabenteuer, aber ich spüre jedes Mal nach meinen Vorträgen dass die Eindrücke der Bilder und Filmausschnitte auch etwas in den Emotion der Zuschauer bewegen.

Wie trainierst du und wie sieht deine spezielle Vorbereitung auf deine Rekordjagten aus?

Steht ein Ziel fest, beginne ich im Schnitt sechs Monate vorher. Zuerst immer wieder Grundlagenausdauer-großer Belastungsumfang, wenig Intensität. Ein Monat mit dem Fahrrad durch Europa oder sonst wo beispielsweise. Danach Grundlagentraining mit der zu erwartenden Technik, das ja nicht immer Laufen sein muss. Steiles Bergaufgehen, schnelles, sicheres Gehen mit Steigeisen im Auf und Abstieg etc.

Danach kommt die spezielle „Anpassung“ an die Distanz bzw. Höhenmeter.

Für Kilimanscharo „Skyrun“ versuchte ich einerseits 4.500 Höhenmeter möglichst schnell und ökonomisch hinter mich zu bringen. Da man aber 4.500 Höhenmeter am Stück in Österreich (Europa) nirgendwo trainieren kann versuchte ich deswegen auch in 5h 30min (diese Zeit war absehbar und darauf trainierte ich hin) das Maximum aus mir herauszuholen.

Dieses Training bezieht sich nur auf die „physiologische“ Leistungsfähigkeit, landläufig und unprofessionell auch einfach nur schlicht als „Ausdauer“ bezeichnet.

Der Faktor der Akklimatisation hat neben dieser speziellen „Ausdauer“ bei einem Skyrun fast den höheren Stellenwert. Akklimatisation kann man nicht trainieren, dennoch verhalten sich einige Prinzipien während des Anpassungsvorgangs ähnlich wie in der Belastungs-/ Erholungsrythmik im sportlichen Training.

Wie gehst du die Sache dann vor Ort an? (Mehrmalige Versuche etc....)

Ist die Akklimatisationsphase abgeschlossen studiere ich den Wetterbericht. Was in manchen Ländern ohnehin schwierig genug ist…

Abhängig von der Höhe des Basislagers mache ich dann zwischen ein oder mehr Rasttagen an denen ich mich fast ausschließlich und reichlich mit Kohlehydraten voll schlage. Die Höhe des Basislagers hat etwas mit der Erholungsfähigkeit zu tun. Grundsätzlich gilt: Je höher das Basislager desto schlechter die Regeneration, desto mehr Tage zur Erholung vor dem Skyrun.

Letzte taktische Überlegungen (Wie viele Kleidungsschichten, welche Schuhe, wie viele Kohlehydratgel`s, wie viel Flüssigkeit, wo trinken, etc.) und dann geht`s los!

In der Regel gibt es nur einen Lauf. Im Falle Dhaulagiri 8.167m benötigte ich vom Basislager (4.600m) bis auf 7.850m 18 Stunden. Die Rekordmarke von Anatoli Boukreev war verfehlt (er benötigte 17Std.15min zum Gipfel). Nach einem solchen Versuch ist meist die „Power“ heraus, für einen ernsthaften zweiten Versuch reicht es nicht mehr.

Deine nächsten Ziele?

Im April geht es wieder als Reiseleiter zum Elbrus. Im Anschluss mach ich eine Schnellbesteigung vom Talort Azau (2.180m ü.d.Meer) zum Gipfel. Verifizieren werde ich den Lauf wieder mittels registriertem GPS (Trackaufzeichnung).

Die Lhotse - Everestüberschreitung steht auch noch ganz vorne auf meinem Wunschprogramm, aber die Kosten für dieses Projekt sind enorm. Ich habe ehrlich gesagt wenig Interesse daran meine ganze Energie für das Rekrutieren von neuen Sponsoren zu verwenden, da geh ich lieber zum Bergsteigen. Im August gönn ich mir einen Klettertrip in das Aksu (Kyrgistan).

Und einen 8.000er innerhalb von 24 Stunden (Basislager-Gipfel-Basislager) ohne Versorgung durch Dritte - das mach ich auch noch!

Highligts Christian Stangl:

2007 Mt. Vinson, 4.892m, 9 Std.

2007 Carstensz Pyramide 4.884 m in 49 Min.

2006 In 16 Stunden auf den Mount Everest

2006 Speed Rekord am Mt. Elbrus, 5642 m

2005 900 Kilometer zu Fuß entlang des Andenhauptkammes

2005 „Zehn 6.000er in Sieben Tagen“

Argentinisch/Chilenischen Anden

2004 Kilimanjaro 5.895 m in 5 Std. 36 Min. 38 Sek.

2003 „Neun 6.000er in Achtzehn Tagen“ –

Filmdokumentation

2002 Aconcagua in 4 Stunden 25 Minuten

2002 Khan Tengri 7.010m Südwand via „Marble Rib“

2001 Cho Oyu 8.201m; Solo, Alpinstil über neue Route in

der „Junge Face“

2001 Palung Ri 7.012m; Südwand, Solo

1998 Shisha Pangma 8.046m; Südwand, Solo, Alpinstil über

die Britenroute

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