E wie England oder E wie Effort
Der Ausgangspunkt dafür, dass Robert Roithinger mit der E-Bewertung angefangen hat, war ein Aufenthalt in England und danach einer auf Malta (British dominiert). Bei uns in den Alpen muss man wissen von wem die Route erstbegangen wurde (speziell im alpinen Bereich), um richtig einschätzen zu können, ob es sich nun um einen wilden oder gemäßigten Sechser handeln wird.
In England und auch auf Malta gibt es außer der technischen Bewertung die E-Bewertung im Kletterführer und nach einer gewissen Eingewöhnungszeit weiß man genau, welche Routen man lieber toprope auschecken sollte.
(.....Was Robert dann aber zum Trotz nicht gemacht hatte, dies bescherte seiner Frau damals einige blaue Flecken beim Sichern und Robert einige Flugmeter..)
Effort Bewertung
Die Briten benutzen die sogenannte duale Bewertungsmethode. Diese setzt sich aus der technischen (numerical) sowie dem "Gesamtanspruch" (adjectival) zusammen.
Die Britische Adjectival Tabelle ist unten zu finden. Der ungefähre Vergleich der adjectival Bewertung zu unserer UIAA Bewertung findet sich in der Tabelle rechts.
In den "Gesamtanspruch"(=Effort) fließen neben der Summe der technischen Schwierigkeiten (siehe nebenstehende Tabelle) noch folgende Kriterien ein:
1. Länge und Anstrengung (steil/flach)
2. Art der Kletterei (übersichtlich/schwer zu finden, griffig/Eierei)
3. Menge und Qualität der Sicherungen
4. Anforderungen beim Platzieren der Sicherungen (anstrengend, schwer zu finden, ...)
5. Lage der Sicherungen in Relation zu den Kletterstellen (Keile über Kopf / runouts)
6. Sturzraum, Vorsprünge, etc.
7. "Commitment" d.h. ob ich die Tour "ausbouldern" kann, oder es Züge gibt, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
8. Lage der Tour und äußere Einflüsse (typisch in England, ich muss auf einen Absatz abseilen, von dem ich bis zu einem Zeitpunkt wegklettern muss, da ich bzw. der Sichernde sonst in den den Fluten ersaufe . Bei uns z.B. permanente Nässe durch Gletscherwasser, ständige Vereisung, schwierige Bergung bei Unfall, schlechte Felsqualität, Moos, etc).
Alles Dinge, die in unserer Bewertung offiziell keinen Einfluss haben, aber über die Voraussetzungen, die man für eine Tour braucht entscheiden! Dies ist der Grund, diese Bewertungsmethode bei uns versuchsweise einzuführen.
Die Britische Technikbewertung wurde weggelassen (siehe Tabelle rechts) und durch die bei uns gebräuchliche UIAA rotpunkt Bewertung ersetzt.
Die in der Tabelle vorgeschlagene Zuordnung des E-Grades zur technischenSchwierigkeit gilt für übliche Touren/Seillängen, kann aber um mehr als einen ganzen Grad davon abweichen (Quelle ist "Classic Rock Climbs in Great Britain", v. Bill Birkett).
Hat man zum Beispiel einen nicht abzusichernden Risskamin (z.B. Rebitschriss am Fleischbankpfeiler im Kaiser, 6) kann ein 6er schon einmal mit E1/2 angegeben werden. Ist der gleiche Grad aber im Klettergarten, mit Bolts dicht abgesichert und nicht anstrengend, kann ein 6er auch einmal mit VS bewertet sein.
Das heißt, daß mit der dualen Methode wesentlich mehr an Information an den Wiederholer weitergegeben werden kann. Das sollte der eigentliche Vorteil sein!
Auch die E-Bewertung lebt vom Vergleich mit anderen Touren und ist damit subjektiv. Ein Unter- oder Überbewerten ist also auch hier möglich.
Die Relation zwischen der klettertechnischen RP-Bewertung und dem Gesamtanspruch ergibt die Information, ob man über der Schwierigkeit stehen muss oder nicht. Somit ist der Gesamtanspruch einer Route entscheidend, ob man dieser Tour gewachsen ist oder nicht! !!
Anwendungsbeispiele
Als Beispiel zwei Touren aus dem Mühlviertel-Führer. Einmal die Tour "Hans guck durch die Welt" 5/HS, Sarmingstein, Jaguar S-Seite. Bei einem 5er hat man laut obiger Tabelle üblicherweise schon mit MVS zu rechnen. Das heißt also, dass der E-Grad hier relativ niedrig ist. Der Lokalaugenschein bestätigt, dass man beim Keile legen immer gut steht und die Friends schon von unten in die Risse hinauf schieben kann. An den schwereren Stellen klettert man fast toprope.
Gleich rechts daneben startet die Route "Wurmedi", 6/E1. Bei einem 6er ist E1 schon am oberen Ende der E-Bewertung. Wer vor dem Quergang steht und die sehr feinen Placements sowie die ziemlich unübersichtliche Platte betrachtet, wird sich schon eher wie in einem 7er fühlen, was auch die Bewertung E1 bestätigt. Die technischen Kletterstellen lösen sich zwar gut auf, sind aber, wenn man einmal weggeklettert ist, kaum mehr rückgängig zu machen. Nach dem Queren wird es dann noch steil und anstrengend und zu guter letzt gibt es noch ein Runout zum Stand. Also sicher kein geschenkter Sechser!
Alternativen von Robert Jasper
Auch der deutsche Extremalpinist Robert Jasper hat sich Gedanken zu der E-Bewertung gemacht (siehe Skizze unten). Zu diskutieren bleibt aber das Bewertungskriterium "Psychische Anforderungen". Gerade hier gibt es Unterschiede - so hat ein Kletterer bei befriedigender Absicherung und mäßiger Verletzungsgefahr keine Angst (=E3), der andere aber große Angst (=E4). Trotzdem besticht diese Tabelle durch ihre Einfachheit - zumindest was die Ergebnisfindung betrifft.
Problematik bei der Bewertung von Robert Jasper ist aber: - sehr subjektiv
- keine Relation zwischen Schwierigkeit und E-Angabe
D.h. es ist sehr subjektiv, die meisten 2er bei uns wären z.B. mit E6 zu bewerten, weil sie 9 Punkte kriegen:
Konsequent nicht abgesichert (schlecht = 3 Punkte), wenn du runter fällst ist die Verletzungsgefahr sehr hoch ( groß = 3 Punkte) und wenn du gerade mal ein besserer Wanderer bist (deswegen klettert derjenige ja nur einen 2er!), dann fürchtest du dich zu Tode (große Angst =3 Punkte) - dies ergibt E6 nach Robert Jasper.
Also z.b. Jahn-Zimmer (ein Gesäuseklassiker) wäre mit 9 Punkten zu bewerten, dass dann eine Gesamtbewertung von 2-3/E6 ergibt.
Südtiroler Bewertungsmodell
Die Südtiroler bewerten sowohl Rp-Schwierigkeit und Anspruchs-Schwierigkeit mit der UIAA-Skala.
Ist eine Route 7/gesamt 7, dann ist es ein normaler 7er. Ist sie 7/gesamt 6+, dann ist sie auch für einen 6+ Kletterer noch zu machen (Bohrhaken dicht gebohrt ...). Ist sie 7/gesamt 8-, dann muß man deutlich über dem 7er stehen, damit man die Tour klettern kann.
Das Südtiroler Modell ist ähnlich der bei uns geläufigen Obligat-Bewertung, visuallisiert die Sache aber viel besser. Vor allem bei anspruchsvollen Touren (z.B.: laut Südtiroler Modell 7/gesamt 8- also man muß über den Dingen stehen) gibt es bei unserer Obligat-Bewertung keine sinnvolle Lösung.
"Sicherheits Button" in Kletterführern
Diverse Führerautoren (und auch wir bei unseren neuen Topos) versuchen einen Anhaltspunkt mit einem "Sicherheits-Button" zu geben. Meist in Form von Symbolen oder aber auch verbal (Jürg von Känel: Super, gut+, gut, so...so und alpin) wird probiert, die Art der "Ernsthaftigkeit" wiederzugeben.
Die Ernsthaftigkeit der Tour - "Plaisir 6-" - wäre im jeweiligen "Führerwerk" wie folgt zu bewerten:
Effort (E-Bewertung): "HS" Robert Jasper: "E1" Klettern rund ums Stripsenjoch: "3 Laschen" www.bergsteigen.at: "Sehr gut; 4 Kreuze" XEIS-Auslese: "Super; 4 Kreuze" Plaisir - Jürg von Känel: "Super" Südtiroler Modell: "6-/gesamt 5+"
Einheitliches System sollte her
Da man als nicht Gebietskenner mit der Tourenauswahl meist seine liebe Not hat und auch trotz verbaler Beschreibung im angeblich so guten Topoführer (üppig sanierte Alpinroute, etc...) die ein oder andere Überraschung erleben kann, wäre eine "Ernsthaftigkeits-Bewertung" durchaus sinnnvoll.
Auch würde eine einheitliche E-Bewertung gerade Klettereinsteigern bei der Tourenauswahl helfen - sie wäre somit auch ein guter Beitrag zur Unfallvermeidung. Die Frage ist nur, für welches System entscheidet man sich ?
Gedanken zur Bewertung von Harald Berger:
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