Am 14. Jänner war David Lama zum zweiten mal Richtung Patagonien aufgebrochen. Ziel waren einmal mehr die sturmumtosten Berge des Nationalparks „Los Glaciares“, deren Gipfel David im Vorjahr noch aufgrund der widrigen Wetterbedingungen verwehrt blieben. Allen voran war natürlich der imposante Granitturm Cerro Torre das Objekt der Begierde: Schon seit über einem Jahr hat David das ehrgeiziges Ziel vor Augen, den Cerro Torre anhand der Kompressorroute als erster Kletterer frei zu besteigen. Frei in dem Sinn, als dass zur Fortbewegung nur die natürlichen Strukturen von Eis und Fels verwendet werden. Haken und Seile dienen lediglich als Sicherung.
Maestri Route
„Der Erstbesteiger Cesare Maestri hat sich mit der Kompressorroute so gut wie überhaupt nicht an natürlichen Strukturen orientiert, ich bin fürs Freiklettern aber auf diese angewiesen“, so Lama, der aus diesem Grund den Gipfel vorerst technisch besteigen wollte, um Informationen über die Felsbeschaffenheit und etwaige Risssysteme für den Freikletterversuch zu erlangen. Auch der technische Gipfelerfolg, so viel sei erwähnt, bleibt nur einem erlesenen Kreis an Kletterern vorbehalten. So erreichen laut argentinischen Bergführern pro Jahr durchschnittlich sechs Seilschaften den Gipfel des Torre, in der gesamten vergangenen Saison hat es zum Beispiel niemand auf den „Turmberg“ geschafft.
In El Chalten angekommen, besteigen David und sein Osttiroler Partner Peter Ortner sozusagen zur Gewöhnung an die patagonischen Verhältnisse gleich die „Aguja de la S“, ein verhältnismäßig kleiner Gipfel in der Fitz Roy-Kette. Für den 26.01. sagt der Innsbrucker Meteorologe Charly Gabl das erste Schönwetterfenster voraus; David und Peter machen sich sofort auf den Weg ins Camp und klettern auf die Schulter, die den Einstieg der Kompressorroute darstellt. Sie starten bereits um drei Uhr Früh in die Wand, doch schnell wird klar, dass der Gipfel an diesem Tag außer Reichweite liegt. Die Bedingungen sind miserabel, die Risse vereist. An ein schnelles Vorankommen ist nicht zu denken. David und Peter erreichen die Bolttraverse, an der David auch schon im Vorjahr der Weg nach oben verwehrt blieb. Sie müssen wieder abseilen.
Cerro Torre Gipfel
Als beim nächsten prognostizierten Schönwetterfenster die Bedingungen am Cerro Torre für eine Begehung zu schlecht erscheinen, beschließen David und Peter, alternativ den Cerro Poincenot in Angriff zu nehmen. Dieser Granitkoloss ist mit 3002 Metern der dritthöchste Berg der Region, bei der Besteigung müssen die beiden gegen extremen Wind ankämpfen, bevor sie den Gipfel erreichen. Nach dem kraftraubenden Fussmarsch zurück nach El Chalten bleibt für Regeneration fast keine Zeit. Das Wetterfenster scheint länger zu sein als erwartet, die Bedingungen am Cerro Torre sind inzwischen nahezu perfekt. Noch in der Nacht treten David und Peter den anstrengenden Fußmarsch ins Nipo Nino Camp an und klettern nach einer kurzen Pause gleich auf die Schulter. Dort schlafen sie eine halbe Stunde, bevor sie in die Route einsteigen. In zehn Stunden kämpfen sich die beiden hinauf, überholen ein kanadisches Team und stehen dann am 10. Februar kurz vor 22:00 Uhr als einzige Seilschaft auf der Spitze des Eispilzes, dem Gipfel des Cerro Torre. Bis spät in die Nacht seilen sie sich ab, schlafen ein paar Stunden in der Schneehöhle auf der Schulter und gehen dann die ca. 30 Kilometer zurück nach El Chalten. Der „Cerro Torre Marathon“dauerte insgesamt 46 Stunden.
„Den Gipfel des Cerro Torre in technischer Kletterei zu erreichen war ein wichtiges Zwischenziel für mein Freikletterprojekt und ein gewaltiges Erlebnis“, schildert der 20-jährige
Hassliebe Cerro Torre
David Lama und fügt hinzu: „Ich habe am Torre eine Linie gesehen, von der ich mir vorstellen könnte, dass sie frei kletterbar ist. Ein paar Passagen machen mir aber noch immer Sorgen... Es gibt kaum einen anderen Berg auf der Welt, dessen Natur ein Freikletterprojekt derart erschwert. Die extremen Umstände machen das Ganze frustrierend und gleichzeitig aber extrem spannend; man liebt und hasst den Torre manchmal an ein und demselben Tag.“
„Den Cerro Torre über die SO-Kante frei zu klettern hat sich als eine Art Vision in meinen Kopf eingebrannt, für mich wäre die erste freie Begehung die Realisierung eines Traumes.“
David möchte bereits im kommenden Jahr wieder nach Patagonien reisen und sein Ziel
weiterverfolgen.
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