20 August 2013

Rekord am Intégrale de Peuterey

Der Schweizer Ueli Steck klettert den längsten Grat der Alpen in nur etwas mehr als 10 Stunden

Ueli Steck klettert den längste Grat der Alpen in etwas mehr als 10 Stunden

Schwierigkeit:

 -TD/ED1.....quite long

 - + 4500m height gain

 - normally it takes approx. 2 to 3 days

Das ist die Bezeichnung für den Intégrale de Peuterey. Das ist der längste Grat der Alpen. Mit 4500 m und einer Kletterzeit von ca. 2-3 Tagen hat dieses Abenteuer mein Interesse geweckt.

Nach genauerem Studium der Situation wollte ich mich unbedingt versuchen an dem Grat. Ich dachte mir, dass ich noch den Zustieg aus dem Tal anhängen – was zusätzliche 1000 Höhenmeter ausmacht - und danach gleich wieder direkt ins Tal nach Les Houches absteigen könnte. Eine simple Idee und so wie ich es gerne mag: Einfach und simpel.

Doch der Grat selber ist alles andere als einfach. Er  beinhaltet viel Felskletterei, eine nicht ganz einfache Routenfindung und technische Abseilmanöver.

Zu den Fakten:

- 1000 Höhenmeter Zustieg

- 4500 Höhenmeter Kletterei

- 3800 Höhenmeter Abstieg

- Horizontale Distanz: Keine Ahnung!

Nach einigen Recherchen fielen mir ein paar Begehungen sehr auf:

Matteo Pellin e Arnaud Clavel:

“28 ore complessive, questo il tempo (record) impiegato ai due per il tragitto: Santuario di Notre Dame de la Guerison in Val Veny, Cima del Bianco lungo l'Integrale di Peuterey, discesa a Courmayeur lungo la via del Rifugio Gonnella”.

Luka Lindic:

Der junge Slovene Luka Lindic hat vor kurzer Zeit den Grat in 15 Stunden geklettert.

Jonathan Griffith and Jeff Mercier

Die beiden Bergsteiger kletterten 2012 die Route ebenfalls von der Borelli Hütte auf den Gipfel des Mont Blanc in 29 Stunden und 30 Minuten.

Mehr Informationen dazu unter www.alpinexposures.com

Inspiriert durch diese Leistungen, machte ich mir Gedanken zum Projekt. Wie immer nehme ich die Sache ernst und ich schaute mir das Ganze einmal an. Ich war noch nie auf der Südseite des Mont Blanc. Zusammen mit Caroline Georg ging ich auf Tour. Die Route ist nicht einfach zu finden und die Kletterei durchaus ohne Seil kletterbar. Ich war überzeugt, dass es funktionieren kann. Jetzt brauchte ich – wie immer - nur noch gutes Wetter. Und meine Zeit wurde langsam knapp. Denn es ist bereits Montag, der 12.  August 2013. Meine Frau und ich fliegen am kommenden Samstag, 17. August 2013 nach Kanada!

Der Wettergott scheint auf meiner Seite zu stehen und das stabile Wetter dauert an. Motiviert fahre ich nach Chamonix und richte mich in Les Bossons auf dem Campingplatz ein. Danach fahre ich nach Courmayeur und ins Val Veny. Am Montag, 12. August 2013 bietet mir Matteo Pellin an, bei ihm auf dem Camping Platz zu übernachten. Am Dienstag bin ich wieder in Peuterey auf dem Campingplatz.

Ich habe mein Rucksack am Einstieg des Aiguille Noir Südgrat deponiert und mein Material ist auf ein Minimum reduziert. Viel brauche ich nicht: 60 Meter 6mm Dyneema Seil und Klettergurt, um abzuseilen, ein paar Karabiner und Schlingen. Steigeisen, Pickel und Kletterschuhe sind die Grundausrüstung. Handschuhe, Mütze, Sonnenbrille, eine dünne Daunenjacke, Hardshell-Hose und -Jacke - man weiss ja nie. Wasser sollte ich immer wieder auffüllen können, zum Essen müssen 5 Powergels und 4 Powerbars ausreichen.

Am Abend bevor es losgeht, werde ich noch einmal reichlich verwöhnt auf dem Campingplatz. Ich relaxe und genieße die italienische Gastfreundschaft!

Matteo verabschiedet mich nach einem "caffè doppio" um 4.00 Uhr am Morgen des 14. August 2013. Ich jogge los. Um 05.10 Uhr bin ich bereits am Einstieg bei meinem Rucksack. Die ersten 1000 Höhenmeter sind somit schon gemacht. Ich bin etwas schneller als ich gedacht habe. Es ist immer noch dunkel. Trotzdem klettere ich los. An der gleichen Stelle kletterte ich ja bereits vor einer Woche, ebenfalls im Dunkeln. Da werde ich den Weg schon finden, dachte ich mir.

Langsam bricht der Tag an und ich genieße die Kletterei. Nach dem Abstieg vom Pte. Welzenbach gönne ich mir eine kurze Rast und wechsle meine Schuhe. Ich tausche die Bergschuhe mit den Kletterschuhen. Ohne grosse Probleme erreiche ich um 8 Uhr 30 die Aiguille Noir de Peuterey. Herrlich. Von hier muss ich mich ziemlich weit abseilen. Aber vorher geniesse ich noch einmal die wunderbare Morgenstimmung. In der Nacht war weit im Süden Wetterleuchten erkennbar. Jetzt ist der Himmel völlig wolkenlos. Die Luft scheint trocken. Aber ich vermute, dass sich wegen der Bisenlage im Verlauf des Tages doch noch ein paar Wolken bilden werden. Mal abwarten. Von hier beginnt die Abseilfahrt. Seillänge um Seillänge. 16 Mal muss ich mich abseilen bis ich am Fusse der Les Dames Anglais bin. Ein brüchiges Couloir führt mich zu einer Traverse zu einem Übergang, um ins Couloir Schneider abzusteigen. Im Couloir Schneider klettere ich wieder hoch zum Biwak Casati. Es hat viel brüchiger Fels, also klassiches alpines Gelände. Es ist viel angenehmer, so alleine zu klettern. In einer Seilschaft kann man sowieso nicht vernünftig sichern und man muss immer aufpassen, dass man keine Steine losreisst.

Ich bin völlig alleine muss auf niemand Rücksicht nehmen, kann mein eigenes Tempo gehen. Mein Rhythmus - mein Tag. Es ist einfach genial. Für mich sind solche Tage das Schönste was es gibt. Der Berg und ich.

Unter der Point Gugliermina höre ich Stimmen. Eine Seilschaft klettert über mir. Ich mache einen weiten Bogen um die beiden Kletterer, sodass ich ja kein Steinschlag auslöse, der sie treffen könnte. Das ist die zweite Seilschaft, die ich überhole. Jeder geht sein eigenes Tempo so wie es für ihn stimmt.

Ich fülle ein weiteres Mal meine Trinkflaschen. Die Sonne scheint und der Schnee und das Eis schmilzt und bietet mir reichlich Wasser zum trinken. So dehydriere ich nicht. Wie vermutet, haben sich jetzt ein paar Wolken gebildet. Es ist etwas weniger warm aber ich befinde mich deutlich unter der Wolkenschicht.

Auf der Aiguille Blanche de Peuterey Pte SE schnalle ich meine Steigeisen an. Jetzt geht es weiter im Schnee. Der scharfe Grat führt zum Pte Central, von wo aus ich mich wieder abseilen muss. Nach drei Mal abseilen und etwas abklettern, erreiche ich den Col de Peuterey. Jetzt bin ich dick im Nebel eingehüllt und ich kann keine zwei Meter weit sehen. Nicht einfach, denn ich muss den Übergang zum Grand Pillier d’Angle finden.

Drei Mal traversiere ich hin und her bis ich mich entschliesse, es einfach zu versuchen. Ich brauche bestimmt dreissig Minuten bis ich das Gefühl habe, endlich zu wissen wo es weiter geht. Ich habe keine Wahl: Ich muss es einfach probieren. Ich finde den richtigen Weg und erreiche problemlos den Grand Pillier d’Angle. Jetzt bin ich wieder über dem Wolkenband. Der Gipfel scheint nicht mehr weit. Hier hat es zum Teil wieder alte Spuren. Die hätte ich mir unten am Col de Peuterey gewünscht…

Langsam merke ich die Müdigkeit. Schon ziemlich lange bin ich zügig unterwegs. Meine Handschuhe sind nass und jetzt hier über 4000 Meter gefrieren sie wieder. Ich beschließe, erst auf dem Gipfel meine Ersatzhandschuhe zu benutzen. So habe ich für den Abstieg trockene Handschuhe.

Kurz vor 15.00Uhr erreiche ich den Gipfel des Mont Blanc du Courmayeur. Es ist windstill und ich stehe über den Wolken. Wahnsinn. Es ist ein wunderbarer Moment. Ich geniesse meinen Augenblick und ich bin mir jetzt sicher, dass ich den Abstieg ins Tal auch noch schaffen werde.

Ich fühle mich etwas müde, aber gut und genieße den späten Nachmittag auf dem Mont Blanc. Es ist bereits 15.35 Uhr als ich weiter gehe hinüber zum Mont Blanc und danach hinunter über die Dome de Gouter. Eine breite Spur zieht sich entlang der Normalroute.

Im Abstieg beginne ich wieder locker zu joggen. Weit unter mir sehe ich die Talsohle: Chamonix. Es ist noch weit, ungefähr 3800 Höhenmeter und über die Dome de Gouter sind es noch recht viele zusätzlich horizontale Kilometer. Es kümmert mich eigentlich nicht. Dennoch spüre ich langsam meine Oberschenkel. Das Tal rückt nur langsam näher. Unterhalb der Tête Rousse Hütte komme ich an einem Wegweiser vorbei. Eigentlich will ich gar nicht wissen wie weit es noch ist. Zum Glück sind keine Zeiten angeschrieben. Am Bellevue steht ein weiterer Wegweiser: 2 Stunden und 20 Minuten bis Les Houches. Ich erreiche das Ziel kurz nach 20 Uhr.

16 Stunden und 09 Minuten nachdem ich mich in Val Veny auf dem Campingplatz von Matteo verabschiedet habe, erreiche ich die Kirche in Les Houches. Ich überlege mir, ob ich hier etwas Essen gehen soll. Ich beschliesse weiter zu gehen. Ich will zuerst nach Les Bossons zum Campingplatz. Kurz überlege ich, ob ich jemanden anrufen soll, um mich abzuholen.

Es ist ein so ein schöner Abend, dass ich beschließe, gemütlich weiter zu spazieren bis nach Les Bossons. Eine gute Stunde später sitze ich neben meinem Zelt.

Ich gönne mir eine schöne Dusche und ein Recovery Drink bevor ich mir es gemütlich mache in meinem Schlafsack.

Mit einem kleinen Lachen auf dem den Lippen schlafe ich ein! Ich hatte einen super Tag!

Quelle: Ueli Steck

Webtipp: www.uelisteck.ch

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